Die Internationale Wirtschaftspresse diskutiert die überraschend deutlichen Äußerungen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Das Wall Street Journal hält Arbeitnehmerrechte für überflüssig bis schädlich. Les Echos erhebt Deutschland zu Frankreichs Lehrmeister. Fundstück: Pipi, Ratte und ein Mund voller Kerzenwachs.
Die Financial Times Deutschland verteidigt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet für seine Äußerungen zur Inflationserwartung. "Wenn der europäische Notenbankpräsident vor steigenden Preisen im Euro-Raum warnt, erfüllt er die ihm angetragene Aufgabe." Schließlich sei das oberste Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), für stabile Preise im Währungsraum zu sorgen - und nicht etwa, strauchelnde Euro-Staaten vor dem wirtschaftlichen Ruin zu retten", hält das Blatt fest. Zudem habe Trichet Augenmaß bewiesen. Die Zinswende, vor der Ökonomen zu diesem Zeitpunkt zu Recht warnen, leitete er nicht ein. Und an den Kernauftrag der Notenbank habe er lediglich verbal erinnert und es bei einem verbalen Warnschuss belassen, hebt die FTD hervor. Die Zentralbank stecke in einem Dilemma, dessen sich die EZB, aber vor allem auch die Regierungen der EU-Länder annehmen müssten. Helfe die EZB weiter allein den schwachen EU-Staaten, indem sie die Leitzinsen niedrig halte, könne sie ihr Inflationsziel nicht verfolgen. Orientiere sich Trichet dagegen an der Preisstabilität, gefährde er womöglich den gesamten Euro-Raum. Die EU müsse sich einer unangenehmen Nachricht stellen: "Die EZB wird früher oder später als Helfer für gefährdete EU-Staaten ausfallen müssen. Der Rettungsfonds selbst müsse die Möglichkeit bekommen, Staatsanleihen gefährdeter EU-Staaten aufzukaufen. Und die EU-Staaten müssten sich stärker um die Stabilität ihrer Bankensysteme kümmern. "Auch diese Aufgabe sollte die EZB nicht länger schultern", fordert die FTD.
In einem weiteren Kommentar legt die Financial Times Deutschland nach und stichelt: "Den Donnerstagnachmittag hätten wir gerne mit ein paar von unseren keynesianischen Freunden verbracht. Wäre herrlich gewesen mitanzusehen, wie Jean-Claude Trichet ihnen die Zornesröte ins Gesicht getrieben hat." Die vorläufig geschätzte Dezemberpreissteigerungsrate von 2,2 Prozent sei ja bloß auf die Rohstoffpreise zurück, "deren steiler Anstieg ja bestimmt nichts mit der Geldpolitik des Westens zu tun hat". Oder auf administrierte Preise, gegen welche die Geldpolitik gar nichts ausrichten könne. Nachfrageorientierte Ökonomen interessierten sich eben nicht für die Angebotsseite der Wirtschaft. "Und wenn die Importpreise künftig eher steigen als fallen sollten, etwa weil die Löhne und Währungen in den Schwellenländern anziehen: Was hat die EZB damit zu tun?" Die sei mal wieder auf dem völlig falschen Dampfer und habe sich gefälligst an den geschundenen Ländern in der Euro-Peripherie zu orientieren", ätzt das Blatt. "Aber eine - eher theoretische - Frage an unsere keynesianischen Freunde hätten wir schon: Ab welcher Inflationsrate dürfte die EZB ihren Leitzins von einem Prozent eigentlich anheben? Drei Prozent, fünf Prozent, 15 Prozent?"
Jeder vernünftige Zentralbanker wäre über die Inflation besorgt, ist der australische Business Spectator überzeugt und verweist auf seinen Kommentar mit dem Satz, die Inflationssorgen der EZB seien nicht groß genug. Die Weltwirtschaft erhole sich schnell. Lebensmittelpreise für Weizen, Korn, Fleisch stiegen weltweit rasch. Die koreanische Zentralbank habe gestern überraschend den Leitzins um 0,25 auf 2,75 Prozent erhöht. "Kein Wunder, dass die Inflationsschwelle steigen." Neben einer Reihe weiterer treibender Faktoren wie dem Wetter, anziehender globaler Nachfrage oder Nahe-Null-Zinsen - "blah blah" - sei es vor allem der gigantische Ozean von Liquidität, über den Zentralbanken wenig Kontrolle hätten. "Fakt ist, dass die USA wenig und das nur über einen sehr langen Zeitraum tun können, um ihre Bilanz zu schrumpfen, ohne die Marktzinsen zu destabilisieren", hält das Blatt fest. Der EZB werde keine andere Wahl als eine Zinserhöhung bleiben, da die Inflation bereits über der Zielmarke liege.
Die Financial Times beantwortet die Zinsfrage ganz anders. Ja, die Inflation liege über dem Ziel. Ja, die Bank of England habe das nicht vorhergesehen. "Und doch sind diese Fakten weder ein notwendiges, noch ein hinreichendes Argument für eine Zinserhöhungspolitik." Eine Lohn-Preis-Spirale sei nicht in Sicht. Auch seien die impliziten Zinsserwartungen, ausgedrückt im Gap zwischen der Spanne konventioneller und indexgebundener Regierungsanleihen volatil, um drei Prozent herum. "Das ist leicht unter dem Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre", hebt die FT hervor. Die Zinserwartung werde wohl eher unter- als übertroffen werden, nimmt das Blatt an. "Sollte die Bank nun die Zinsschraube anziehen mit Blick auf eine mögliche übermäßige Inflationssteigerung in zwei Jahren, die von einem möglichen weiteren Anstieg der Importpreise getrieben werde? Die Antwort sollte 'Nein' sein." Die Richtung der volatilen Weltpreise sei unmöglich vorherzusehen. Ebenso wenig wie der Außenwert des Pfund Sterling. Auch sei es nicht sinnvoll, die Arbeitslosenquote zu steigern, um die Lohninflation noch weiter zu treiben. "Sie sollte vor allem nur dann handeln, wenn sie eine klare und gegenwärtige Gefahr sieht, dass die Inflationserwartung ansteigt", fordert die FT. "Alles andere ist Sado-Masochismus."