Großinvestoren hoffen auf Merkel

Beitrag: 1
Zugriffe: 230 / Heute: 1
Großinvestoren hoffen auf Merkel bammie

Großinvestoren hoffen auf Merkel

 
#1
Marktstrategen und Fondsmanager an der Wall Street, in London oder Tokio beobachten derzeit die politische Szene in Deutschland sehr genau. Sie wissen alles über die Mehrwertsteuerpläne der Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel, die Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Bundestag und die neue Linkspartei.

HB DÜSSELDORF. Fast unisono hoffen die ausländischen Investoren, dass bei den Neuwahlen am 18. September Christdemokraten und FDP gewinnen, weil sie sich von einer schwarz-gelben Koalition ein höheres Reformtempo erhoffen. Dann könnte der deutsche Aktienmarkt, der noch immer als unterbewertet gilt, rasch aufholen. Doch Ereignisse wie Bundestagswahlen haben auf den Aktienkurs nur kurzfristige Effekte. Das sollten langfristig orientierte Anleger im Blick behalten.

Zunächst aber ist Deutschland bei Investoren groß im Kommen. In Erwartung, dass Schwarz-Gelb gewinnt, haben Investmentbanken und Fondsmanager deutsche Wertpapiere in ihren Portfolios bereits höher gewichtet. "Das wäre der beste Ausgang der Wahlen, was strukturelle Reformen betrifft und würde auch den deutschen Aktien die beste Kursentwicklung bringen", sagt Marktstratege Peter Oppenheimer von Goldman Sachs in London. Eine konservative Regierung würde den Einfluss der Gewerkschaften mindern und die Personalnebenkosten der Unternehmen drücken, schätzt er. Oppenheimer rechnete jüngst vor, dass die Personalkosten in Deutschland mit einem Anteil von etwa 18 Prozent am Gesamtumsatz heute noch höher sind als in Großbritannien vor zehn Jahren. Deutsche Firmen hätten deshalb schlechte Gewinnspannen, aber die Aktien seien auch unterbewertet. Würde eine neue Regierung es schaffen, die Personalkosten zu senken, dann wären deutsche Aktien, bezogen auf die Gewinnmargen, sogar noch günstiger. "Wir glauben nicht, dass das alles schon mit den jüngsten Kursgewinnen eingepreist wurde", meint Oppenheimer.

Große Koalition bei Investoren nicht geschätzt

Doch zum einen ist offen, ob tatsächlich Schwarz-Gelb gewinnt. Hinzu kommt die Frage, ob eine neue Regierung es schafft, tatsächlich die Reformen durchzusetzen. "Wir hatten hier an der Wall Street niemals das Gefühl, dass in Deutschland die tiefgreifenden Reformen stattfinden werden, die nötig wären" , meint der ökonomische Berater der Hypo-Vereinsbank in New York, Roger Kubarych. Er vergleicht die US-Wirtschaftswachstumsrate von zuletzt 3,4 Prozent mit dem Nullwachstum in Deutschland. Der Unterschied rühre daher, dass der Arbeitsmarkt in den USA wesentlich besser funktioniere. Zwei Drittel aller Arbeitssuchenden hätten in seinem Heimatland innerhalb von drei Monaten wieder einen neuen Job. "Je flexibler der Arbeitsmarkt, umso leichter gründen sich neue Unternehmen, das sorgt für Wachstum und stützt auch die Aktienmärkte", argumentiert er. Kubarych bezweifelt, dass eine dünne schwarz-gelbe Mehrheit umwälzende Schritte durchsetzen könnte.

Käme es zu einer großen Koalition, wären die Entscheidungsprozesse noch langwieriger. Die Aussicht, dass eine starke Linkspartei Sozialdemokraten und Christdemokraten zum Zusammenschluss zwingen könnte, hat den Marktstrategen der japanischen Nomura-Bank, Tetsuro Hattori, bereits veranlasst, seine Empfehlung, deutsche Aktien überzugewichten, wieder ein Stück weit zurückzunehmen. "Wenn Frau Merkel es nicht schafft, die Mehrheit zu gewinnen, dann wäre das für die Kapitalmärkte eine große Enttäuschung, sagt er. Hattori meint, die Vorschusslorbeeren für eine konservative Regierung seien in den gegenwärtigen Kursen schon weitgehend enthalten. Im Juli habe der Dax (Xetra: Nachrichten) mit einem Plus von 6,6 Prozent deutlicher zugelegt als der französische CAC 40 (Paris: Nachrichten) mit 5,2 Prozent und der britische FTSE (Nachrichten) mit 3,1 Prozent.

Kursphantasien spiegeln nicht unbedingt die Realität

Was nehmen die Aktienpreise schon vorweg und was nicht? Das ist die große Unbekannte bei der Wette auf den deutschen Markt. Die überdurchschnittlichen Kurssteigerungen der letzten Wochen könnten auch damit zu tun haben, dass die zyklischen Industriewerte, die in Deutschland besonders stark vertreten sind, wieder im Kommen sind. Sie profitieren besonders stark vom beschleunigten Wachstum der Weltkonjunktur. Die britische Bank HSBC hat die deutschen Aktien Anfang August aus diesem Grund hochgestuft. "Unsere Empfehlung für deutsche Aktien steht eher im Zusammenhang mit den stärkeren Wirtschaftsdaten aus den USA und China", sagt Marktstratege Patrik Schoewitz, "natürlich schielt man auch ein bisschen auf die Wahl, aber dies wäre für uns als Grund nicht stark genug." Auch Oppenheimer von Goldman Sachs meint, dass der Markt in den letzten Wochen hauptsächlich aufgrund der Hinwendung zu zyklischen Aktien angezogen hat.

Demnach wäre ein Regierungswechsel in den Aktienkursen noch gar nicht enthalten. Von einem Reformprogramm, das zu niedrigeren Lohnkosten führte, würden diejenigen Titel am meisten profitieren, die jetzt noch relativ hohe Personalaufwendungen und deshalb niedrige Gewinnmargen haben. Gleichzeitig müssten es Werte sein, die vom inländischen Konsum wenig abhängig sind, weil Änderungen wie ein gelockerter Kündigungsschutz den Menschen Angst machen und sie sparsam werden lassen.

Goldman Sachs nennt hier Titel wie Altana (Xetra: 760080.DE - Nachrichten - Forum) , Allianz, Epcos (Xetra: 512800.DE - Nachrichten - Forum) , Heidelberger Druck, MAN, Siemens (Xetra: 723610.DE - Nachrichten - Forum) und Volkswagen (Xetra: 766400.DE - Nachrichten - Forum) . Über die Volkswagen-Aktie schreibt auch Stephen Cheetham von Sanford Bernstein: "Der Kursauftrieb könnte aufgrund der politischen Stimmung noch eine Weile anhalten, es könnte sogar zu Übertreibungen kommen."

Übertreibungen? Das ist die große Gefahr, wenn Anleger zu sehr auf Ereignisse wie eine Bundestagswahl und eine neue Regierung setzen. "Nach den Kursphantasien bricht irgendwann wieder die Realität herein", sagt Marktstratege Hattori. Und auch sein Kollege Schoewitz warnt: "Anspruchsvolle Reformen brauchen viele Jahre."


Börsenforum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--