Wenn es für Griechenland zum zweiten Schuldenschnitt kommt, wird es teuer für den deutschen Steuerzahler. Deshalb wehrt sich Finanzminister Schäuble zusammen mit Frankreich vehement gegen den Vorstoß des IWF - die Maßnahme würde seine Haushaltsplanung empfindlich stören.
Berlin - Es ist ein Stichwort, das Wolfgang Schäuble in diesen Tagen nicht so gerne hört: ein Schuldenschnitt der öffentlichen Hand für Griechenland. "Wir sollten uns, ohne zu spekulieren, auf andere Lösungen konzentrieren", sagt der Bundesfinanzminister auf einer Pressekonferenz in Brüssel. An seiner Seite: der französische Kollege Pierre Moscovici.
Es ist eine deutsch-französische Kampfansage, der Versuch, dem wiederholten Drängen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach einem Teilverzicht der Schulden entgegenzutreten. Die Lage ist vertrackt. Und selbstverschuldet. Weil dem Krisenstaat nach dem Vorschlag der Troika zwei weitere Jahre für sein Sparprogramm gegeben werden soll, klafft eine 32 Milliarden Euro große Lücke im Haushalt des Landes. Nun gilt es zu entscheiden, wie sie geschlossen werden soll.
Die Aussichten für eine Genesung des griechischen Patienten sind weiter trübe. Trotz zweier massiver Hilfsprogramme, trotz eines Teilverzichts der privaten Gläubiger. Bis 2020 soll Athen nach dem Willen des IWF seine Schuldenlast auf 120 Prozent des Bruttosozialprodukts herunterfahren. Niemand weiß, ob das überhaupt gelingen wird, auch in der Bundesregierung gibt es daran Zweifel.
Noch in diesem Jahr wird die Schuldenlast erst einmal weiter steigen - auf rund 175 Prozent des Bruttosozialprodukts.
Klar ist: Ohne harte Maßnahmen - wie etwa einem Schuldenschnitt - ist das IWF-Ziel einer Schuldenlast von 120 Prozent kaum zu erreichen. Doch einen Schuldenschnitt will Berlin verhindern. Ein massiver Teilverzicht käme vor allem Deutschland teuer.
Bislang hat Deutschland rund 35,2 Milliarden an Krediten und Bürgschaften an Athen vergeben.
Würde etwa ein 50-Prozent-Schuldenschnitt für Griechenland durchgeführt, hieße das konkret für Deutschland, auf bis zu 17,5 Milliarden Euro zu verzichten. Zusammen setzt sich die Summe aus:
7,5 Milliarden, die die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Gefolge des ersten Hilfspakets nach Athen gab,
dazu kämen noch einmal 10,0 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds EFSF.
In beiden Fällen müsste am Ende wohl der Bund einspringen, und damit wäre das jüngst proklamierte, ehrgeizige Ziel der schwarz-gelben Koalition dahin, bereits 2014 mit einem strukturell ausgeglichenen Haushalt in der EU zu glänzen.
Hinzu kommt: Der Bundestagswahlkampf wirft seine Schatten voraus, ein Aufreger um einen saftigen Milliardenverlust an Steuergeldern kann da nur stören.
Schon einmal wurde Griechenland mit einem Schuldenschnitt unter die Arme gegriffen - zu Beginn des Jahres, als private Banken und Fonds 106 Milliarden Euro abschrieben. Doch die von der EU erzwungene Maßnahme hat wenig geholfen. Der Ex-Chef der Deutschen Bank,
Josef Ackermann, einst an den Verhandlungen mit der griechischen Seite beteiligt, machte sich jüngst auf einer SPIEGEL-Veranstaltung keine Illusionen. Die Summe reichte wohl nicht aus, im Grunde wisse jeder, dass das Verhältnis der Schulden zum Bruttosozialprodukt in Griechenland nicht tragfähig sei. ....
Abseits des Bundestags gibt es in der Union durchaus Anhänger einer Radikalmaßnahme. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, spricht sich für beides aus: strenge Reformen und einen Schuldenschnitt. "Statt den Bürgern reinen Wein einzuschenken, verschieben die EU-Rettungspolitiker erneut die dringend erforderlichen Entscheidungen", sagt der CDU-Politiker. Ein zweiter Schuldenschnitt für Griechenland werde immer wahrscheinlicher und dadurch immer teurer. "Dies erfordert aber mutige Entscheidungen und Offenheit über die Folgen auch für Deutschland", so Lauk. Es räche sich bitter, dass die europäischen Regierungen versäumt hätten, ihre Bevölkerungen auf unbequeme Wahrheiten vorzubereiten.
www.spiegel.de/politik/deutschland/...-zu-stehen-a-867011.html Text zur Anzeige gekürzt. Gesamten Beitrag anzeigen »