Zwischen 660 und 750 n. Chr. erlebte England einen Aufschwung des Handels. Immer mehr Silbermünzen gerieten in Umlauf. Doch wo kam das Silber her? Jahrelang war die Quelle unklar, nun wollen Forschende das Rätsel gelöst haben.
Den Rohstoff für die Silberpennys lieferten nicht etwa europäische Minen, sondern die damaligen Machthaber schmolzen ihre Vorräte an byzantinischen Silberschätzen ein, schreibt ein Team in der Fachzeitschrift »Antiquity« Das habe nicht nur die Wirtschaft des damaligen England angekurbelt, sondern auch ein Währungssystem begründet, das ein Jahrtausend lang bestehen sollte.
»Die Einführung dieser Silbermünzen markiert eine tiefgreifende Transformation der frühmittelalterlichen Wirtschaft«, sagte die Archäologin Jane Kershaw von der University of Oxford, Hauptautorin der Studie, in einer begleitenden Pressemitteilung. »Die neuen Münzen stimulierten die interregionalen Handelsnetzwerke und erweiterten die Nutzung von Bargeld.«
Des Rätsels Lösung verdankt das Team insgesamt 49 Silberpennys aus der Sammlung des Fitzwilliam-Museums in Cambridge. Laut der Gruppe stellen sie eine »repräsentative Auswahl« für den relevanten Zeitraum dar.
Alle Münzen stammen aus England, Friesland und Franken, 29 davon aus der Frühphase der Silbermünzprägung zwischen 660 und 750. Die restlichen 20 Silberpennys sind aus der Zeit von 750 bis 820 nach der Krönung von Karl dem Großen.
Weder aus Erzmine noch aus Kirchensilber
Die chemische Zusammensetzung der 29 Münzen aus der früheren Zeit passt dem Team zufolge eindeutig zu Silber aus dem byzantinischen Reich im östlichen Mittelmeerraum des dritten bis frühen siebten Jahrhunderts. Alle Münzen hatten vergleichsweise hohe Goldwerte von 0,6 bis 2 Prozent. Regionale Unterschiede fanden die Forschenden nicht.
Weil keine bekannte europäische Erzquelle zu den Merkmalen passe, sei klar: Für diese Münzen wurde kein spätrömisches Silber recycelt, wie manche Wissenschaftler vermutet hatten. Auch andere Fachleute, die spekuliert hatten, es könnte Kirchensilber eingeschmolzen worden sein, lägen falsch, heißt es weiter.
Stattdessen sollen ab den 660er-Jahren fast ein Jahrhundert lang Münzen aus Silberschätzen geprägt worden sein.
»Das ist die erste archäometrische Bestätigung, dass byzantinisches Silber hinter dem Boom der Münzprägung im Nordseeraum des siebten Jahrhunderts stand«, sagte Mitautor Rory Naismith , ein Archäologe an der University of Cambridge, in der Pressemitteilung.
Damals hätten nicht nur Herrscher, sondern auch mächtige Klöster ihre eigenen Münzen geprägt, sagte Naismith weiter. »Zu dieser Zeit gab es noch keine Bank von England – wenn man Münzen haben wollte, prägte man welche.« Man habe nur reich genug sein müssen.