In der Außenhandelswelt gibt es einen typischen Reflex: Ein starker Dollar ist gut. Denn wenn dieser aufwertet, ist für die Exportwirtschaften in Japan, China und Deutschland Weihnachten.
Sicherlich kann man einwenden, dass sich Importe von Rohstoffen, die auf US-Dollar-Basis gehandelt werden, ebenfalls verteuern und damit den Handelsvorteil zumindest teilweise zunichtemachen. Allerdings zeigt sich bei den volkswirtschaftlich wichtigen Importgütern Öl und Gas zurzeit ein sehr freundliches Bild: Deren Preise fallen stärker als der US-Dollar gegenüber dem Euro steigt.
Herrliche Zeiten also für die Exportunternehmen, deren Gewinne und - nicht zuletzt - Aktienkurse? Moment! Ein starker Dollar kann indirekt über Umwege den Export- und sogar den gesamten westlichen Volkswirtschaften richtig wehtun.
Ein starker US-Dollar kann richtig gemein sein
Etwa 60 Prozent der weltweiten Staatsschulden werden in US-Dollar aufgenommen, um dem ansonsten zu zahlenden Renditerisikoaufschlag bei Emission in heimischen Währungen zu entgehen. Mittlerweile sitzen die Schwellenländer auf knapp drei Billionen Dollar-Anleihen. Viele dortige Investoren waren wohl der Meinung, dass die amerikanische Währung nach dem Platzen der US-Immobilienblase und aufgrund der apokalyptischen Verschuldung der USA - Staatsverschuldung 18 und US-Gesamtverschuldung fast 60 Billionen US-Dollar - sowie der Heranreifung Chinas als konkurrierende Weltmacht deutlich nachgeben würde. Es kam anders: Amerika gilt mit Blick auf die geopolitischen Krisen wieder als sicherer Hafen. Auch hat sich das Land nach jahrzehntelangem Konsum-Dolce Vita auf die Hinterbeine gesetzt und ist wieder auf dem Weg zu einer führenden Industrienation. Über Finanz- und Unternehmensinvestitionen stärkt das den Dollar noch mehr.
Der Preis, den die Auslandsschuldner für ihre Dollar-Kredite zahlen, ist hoch. Brasilien muss allein über die Real-Abwertung über 20 Prozent mehr für die Bedienung seiner Auslandsschulden als 2013 aufwenden. Von Russland ganz zu schweigen. Setzt sich die Abwertung des Rubels fort, werden sich die Zinsausgaben in Russland um 50 Prozent erhöhen.
Double Trouble für die Öl und Gas fördernden Länder
Der Dollar-Anstieg trifft vor allem die Öl- und Gasförderländer in Mark und Bein. Früher konnten sie Auslandskredite mühelos über ihre üppigen Rohstofferlöse bedienen. Heute ist aus diesem Ertragsfluss ein Ertragsrinnsal geworden. Auch um die sozialpolitisch gebotenen Wohlstandstransfers an ihre Bevölkerung aufrechtzuerhalten, versuchen die Energie fördernden Länder über Mengenwachstum auf ihre Kosten zu kommen. Damit riskieren sie allerdings weitere Energiepreisrückgänge und damit eine noch nachhaltigere Diät bei den Staatseinnahmen. Mittlerweile ist aus der OPEC - dem früher starken Hengst in der Energiewirtschaft - ein schüchterner Wallach geworden, der Preise aufgrund alternativer Öl- und Gasfördermethoden nicht mehr bestimmen kann.
Setzt sich dieser zweifache Schlag ins Kontor der Energie- bzw. Schwellenländer - Währungsabwertung und Energiepreisverfall - fort, drohen unangenehme Kettenreaktionen. Im Extremfall kommt es zu einer ausgewachsenen Schuldenkrise und Pleiten von Firmen, die sich sogar bis Unterkante Oberlippe in US-Dollar verschuldet haben. Wirtschaftlich kontraproduktiv wirken dann auch die Zinserhöhungen der Schuldnerländer, die sie hoffnungsvoll als Instrument zur Währungsstabilisierung ergreifen. Die beträchtlichen Devisenreserven vieler Länder muten zwar als gewaltige Risikopuffer an. Jedoch zeigt sich am Beispiel Brasilien - das Land besitzt etwa 400 Mrd. Dollar Devisenreserven bei Auslandsschulden von Banken und Unternehmen von ca. 500 Mrd. - dass diese im Falle eines Falles zügiger dahinschmelzen als Schnee bei Tauwetter.
Ein starker Dollar war immer schon ein Sargnagel für Schwellenländer
Aufwertungen des US-Dollars waren in der Vergangenheit häufig mit Krisen in den Emerging Markets verbunden. Abzulesen ist das an der Entwicklung ihrer Aktienmärkte: Bei der starken Dollar-Befestigung zwischen 1995 und 2002 hatten die sogenannten Tigerstaaten wenig Freude. Dagegen tat die Währungsschwäche des US-Dollars von 2002 bis 2008 den Schwellenländern richtig gut. Der anschließende Zusammenbruch der Immobilienblase machte den Dollar dann wieder zum sicheren Hafen und den Aktienmärkten in Asien und Südamerika den Garaus. Auch seit Mitte 2014 legt der US-Dollar erneut und zwar dynamisch zu. Übrigens, fast ein Fünftel aller Unternehmen im MSCI Emerging Markets Index stammt aus Öl und Gas exportierenden Ländern.
Im Gegensatz zu früheren Schwächephasen bliebe jedoch eine neuerliche Krise der Emerging Markets nicht mehr regional begrenzt. Es käme zu weltweiten Kollateralschäden. Die Emerging Markets sind welt- und finanzwirtschaftlich systemrelevant. Gingen diesen Weltkonjunkturlokomotiven wegen währungsseitiger Überschuldung ohne energieseitige Kompensation sozusagen die Kohlen aus, dann würde kein Land so unter Zugkraftverlust leiden wie Deutschland, das sich in den Schwellenländern eine wirtschaftliche Sorgenpause aufgebaut hat. Dann sind ausgerechnet deutsche Aktien gefährdet, die doch eigentlich über einen schwachen Euro und günstige Energiepreise dramatisch profitieren sollten.
Wehe, wenn die Schwellenländer in den Industrienationen Kasse machen
Und es könnte noch schlimmer kommen. Drohten den Emerging Markets über anhaltende Dollar-Befestigungen Schuldenausweitungen und über schwache Energiepreise Unterfinanzierungen, müssten sie in der westlichen Welt richtig Kasse machen. Das täten sie dort, wo dicke Buchgewinn existieren. Weder Amerika noch Europa hätten Grund zur Freude, wenn ihre Staatsanleihen oder Aktien massiv verkauft würden. Leider haben finanzwirtschaftliche Stimmungseintrübungen in den Industrieländern die unangenehme Folge, dass sie auch der dortigen Konsum- und Investitionsfreude nicht zuträglich sind und schließlich deren Aktien beeinträchtigen.
Und die Moral von der Geschicht, massive Dollar-Aufwertungen braucht man nicht. Hier hat US-Notenbankpräsidentin Yellen alle Möglichkeiten, hilfreich und gut einzugreifen. Mit einer massiven Leitzinswende kann sie über eine Dollar-Hausse aus blühenden Absatzlandschaften in den Schwellenländern verblühende machen oder eine sanfte Zinsdiplomatie zum Wohle der Weltwirtschaft betreiben. She got the whole economic and financial world in her hands. Und ich bin mir sicher, sie hat sehr sanfte Hände.
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