Samstag, 29.06.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 787

Notenbanken als Metronom der Finanzmärkte

In den vergangenen Wochen standen die internationalen Kapitalmärkte im Zeichen möglicher Notenbankentscheidungen. Denn sowohl politische Ereignisse als auch Konjunkturdaten und Kommentare führender Notenbanker waren Anlass für Spekulationen bezüglich der weiteren Geldpolitik in Großbritannien, Japan, den USA, der Eurozone und der Schweiz. So hat sich die Bank of America bereits in der Hinsicht geäußert, dass in diesem Jahr noch 14 Zentralbanken die Leitzinsen senken werden. Genannt wurden in diesem Zusammenhang u.a. USA, China, Russland und Brasilien.

Ob auch die Europäische Zentralbank (EZB) sich zu einem solchen Schritt hinreißen lässt, ist nicht gänzlich unwahrscheinlich. So hat der noch amtierende EZB-Präsident, Mario Draghi, angedeutet, dass die Notenbank vor weiteren Maßnahmen nicht zurückschrecken würde, falls sich der Konjunkturausblick eintrüben sollte. Dies hat er nochmals im Gespräch mit den EU-Staats- und Regierungschefs zum Ausdruck gebracht. An den Finanzmärkten führte das zu der Erwartung einer Senkung des Einlagenzinses im September und Dezember 2019 um jeweils 0,1 PP und der Einführung eines Staffelzinses, um die Stabilität des europäischen Bankensystems zu gewährleisten. Die von „Super-Mario“ hierbei gewählten Worte waren allerdings nicht mit den anderen Ratsmitgliedern abgestimmt, so dass sich an mancher Stelle Unmut einstellte. Vielleicht wollte Mario Draghi aber auch seinem möglichen Nachfolger bereits jetzt die Möglichkeit einer Kurskorrektur erschweren und ihn zur Fortführung seiner Geldpolitik verdonnern. Es ist nicht auszuschließen, dass er sich sogar kurz vor Amtszeitende zu einer nochmaligen Zinssenkung hinreißen lässt und damit seinem Nachfolger Fußfesseln anlegen würde.

Dies hätte auch Auswirkungen auf die Geldpolitik der Schweizerischen Notenbank (SNB), die sich bereits vor Wochen dazu entschieden hat, an ihrer lockeren Geldpolitik mit einem Leitzins von -0,75% festzuhalten. Dieses Niveau wird den Finanzmärkten noch bis mindestens zum Jahresende 2020 erhalten bleiben. SNB-Chef Thomas Jordan erklärte in diesem Zusammenhang auch die Bereitschaft zu Interventionen am Devisenmarkt, um eine wirtschaftsschädliche Aufwertung des Franken zu verhindern.

Die Bank of Japan (BoJ) fährt unter Haruhiko Kuroda einen ähnlichen Kurs. Auch in Tokio ist man gewillt, an dem Kurs der ultralockeren Geldpolitik festzuhalten und die Zinsen bis mindestens ins Frühjahr 2020 sehr niedrig zu halten. Die „kraftvolle Lockerung“ soll geduldig fortgesetzt werden - Optionen sind laut Kuroda noch ausreichend vorhanden.

Mit ganz anderen Problemen hat dagegen Jerome Powell, der Präsident der US-amerikanischen Notenbank (Fed) zu kämpfen, der von seinem Präsidenten in „Erdogan-Manier“ immer wieder angegriffen und schon fast zu einer Kehrtwende bei der Zinspolitik genötigt wird. Noch ist der von Donald Trump „Auserlesene“ standhaft, aber an den Finanzmärkten wird ein Einknicken vor den Handelskrieg-bedingten wirtschaftlichen Problemen schon eingepreist. Sowohl für September als auch für Dezember wird von den meisten Marktteilnehmern eine Reduzierung um jeweils 0,25 PP erwartet. Jedoch dürfte das Ganze noch keine ausgemachte Sache sein. Denn Jerome Powell sprach sich angesichts der Abwärtsrisiken zwar für niedrigere Zinsen aus, ging aber nicht näher ins Detail. Dies überließ er u.a. dem St.-Louis-Fed-Präsidenten James Bullard, der am Dienstag in einem Interview erklärte, dass eine Zinssenkung um 0,5 PP übertrieben sei. Auch Robert Kaplan, der Chef des Fed-Bezirks Dallas mahnte zur Geduld bei der Zinspolitik. Seines Erachtens ist es noch zu früh, um final die Auswirkungen der Handelsstreitigkeiten sowie anderer Unsicherheiten auf das US-Wirtschaftswachstum beziffern zu können. Und deshalb sollte man die Entwicklungen in den kommenden Wochen und Monaten weiter beobachten. Das bedeutet aber auch, dass die Kommentare seitens des nebenberuflichen Ökonomen Donald Trump, dem Allwissenden, nicht enden werden. Somit wird auch zukünftig ein Großteil des Gehalts von Jerome Powell eine Leidensprämie sein. Und man darf gespannt sein, welche „Geschütze“ D.T., der Unberechenbare, in diesem Fall noch auffahren wird.

Entgegen den Zinssenkungsbestrebungen erwartet die Bank of England (BoE) jedoch, die Zinsen in den kommenden Jahren langsam anheben zu können, wenn der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union reibungslos verläuft. Angesichts der immer noch ungelösten Brexit-Problematik wurde der Leitzins bisher nicht angetastet, um sich so die Möglichkeit einer Reaktion in beide Richtungen zu erhalten. Denn es ist zu befürchten, dass bei einem nicht auszuschließenden „No-Deal-Szenario“ die BoE gezwungen sein wird, gegenzusteuern.

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: www.bondboard.de/Newsletter/Disclaimer


Über den Autor

RSS-Feed


Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
Sie wollen regelmäßig über die Rentenmärkte auf dem Laufenden bleiben? Abonnieren Sie kostenlos den Newsletter "Baader Bond Markets", ein wöchentlicher Überblick über die Bond-Märkte, mit Blick auf nationale & internationale Konjunktur, Corporate Bonds und Währungsanleihen, sowie interessante Neuemissionen.
Link zur aktuellen Ausgabe
Hier abonnieren
Werbung

Mehr Nachrichten kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.