Senat gibt Bush freie Hand für Militärschlag
Die USA rüsten für einen "Feldzug" im Mittleren Osten. Der Senat hat Präsident George W. Bush ermächtigt, auf die Terroranschläge vom Dienstag mit militärischer Gewalt zu reagieren. Der Beschluss wurde einstimmig am Freitag in Washington getroffen. Der Präsident sei befugt, "alle notwendige und angemessene Gewalt gegen jene Nationen, Organisationen oder Personen anzuwenden", die die Anschläge geplant, genehmigt oder begangen hätten, hieß es in der Resolution. Der Senat stimmte dem Notmittel-Paket in Höhe von 40 Mrd. $ zu. Wie der demokratische New Yorker Senator Charles Schumer sagte, sind 20 Mrd. $ als Hilfe für New York bestimmt. Der Rest soll nach Angaben von US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz in Militäraktionen fließen. Es wird erwartet, dass das Repräsentantenhaus einen entsprechenden Entschluss am Samstag trifft.
US-amerikanische Militärstrategen beraten unterdessen über eine umfassende Vergeltung gegen die Urheber der Terrorangriffe, die noch nicht zweifelsfrei feststehen. Geplant ist eine länger andauernde Militäraktion, die weit über Luftangriffe auf einzelne Ziele hinausgeht. Als wahrscheinliches Ziel gilt Afghanistan.
Einsatz von Bodentruppen
Zu den erwogenen Optionen gehören nach Informationen aus Pentagon-Kreisen auch der Einsatz von Bodentruppen. "Es geht nicht nur darum, Einzelne zu verhaften und zu verurteilen, sondern auch um die Schutzzonen, die unterstützenden Systeme, darum, Staaten ein Ende zu machen, die Terroristen und Terrorismus fördern", sagte Wolfowitz am Donnerstag in Washington. "Es wird ein Feldzug." Aus Kreisen des Weißen Hauses verlautete, ein Vergeltungsschlag stehe nicht unmittelbar bevor. Zuerst wolle sich die Regierung um eine globale Allianz gegen den Terrorismus bemühen.
US-Reservisten einberufen
Der Präsident gab am Freitag die Genehmigung, bis zu 50.000 Reservisten einzuberufen, teilte ein Sprecher des Weißen Hauses mit. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte Bush um die Einberufung der Reservisten und Nationalgardisten zum aktiven Dienst gebeten. Bei der Einberufung der Reservisten handelt es sich im Unterschied zum Golfkrieg von 1991 nicht um eine Mobilisierung für einen Einsatz im Ausland. Die zusätzlichen Kräfte sollen in den kommenden Tagen unter anderem zur Überwachung des Luftraums über New York und Washington eingesetzt werden.
In der Golfregion halten sich derzeit zwei amerikanische Flugzeugträger, die "Enterprise" und die "Carl Vinson" mit jeweils 75 Kampfflugzeugen an Deck auf - das militärische Potenzial der Vereinigten Staaten im arabischen Raum ist damit doppelt so groß wie bislang üblich. Zudem sind Kampfpiloten auf 26 US-Stützpunkten in Alarmbereitschaft.
US-Außenminister Colin Powell nannte Bin Laden als Hauptverdächtigen für die Terrorwelle. Die USA forderten Pakistan am Donnerstag auf, die Grenzen nach Afghanistan zu schließen und die finanzielle Unterstützung für Terrorgruppen einzustellen. Wie aus ranghohen Regierungskreisen in Washington weiter verlautete, baten die USA Islamabad darüber hinaus um die Erlaubnis, pakistanisches Gebiet im Fall einer Militäroperation überfliegen zu dürfen. Pakistan hat die USA um Bedenkzeit gebeten. Das Land ist einerseits der wichtigste Verbündete der USA in der Region. Andererseits unterstützt die Regierung in Islamabad aber auch die in Afghanistan herrschende Taliban-Miliz.
Pakistan erwartet Militärschlag gegen Afghanistan
Aus pakistanischen Regierungskreisen verlautete, dass eine Militäraktion gegen Afghanistan erwartet werde. Die pakistanische Militärregierung sicherte am Freitag alle Flughäfen des Landes mit verstärkter Truppenpräsenz. Der internationale Flughafen von Islamabad wurde zwei Stunden lang geschlossen. Das Taliban-Regime in Kabul wird von einem großen Teil der islamischen Öffentlichkeit Pakistans unterstützt.
Taliban schwören Rache
Die afghanische Taliban-Miliz hat "Rache" für einen möglichen US-Angriff angekündigt. Die Taliban-Miliz rechne mit einem "massiven" Angriff der USA und sei "bereit, jeden Preis zu zahlen, um sich zu verteidigen", sagte ein Sprecher von Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar am Freitag der Nachrichtenagentur AFP per Satellitentelefon aus der Taliban-Hochburg Kandahar im Süden des Landes. Omars Sprecher warnte die Regierung in Pakistan vor einer Zusammenarbeit mit den USA und drohte mit "sehr ernsthaften Konsequenzen".
Angesprochen auf die Aussage des US-Außenministers Colin Powell, dass Bin Laden einer der möglichen Drahtzieher der Terroranschläge sei, sagte der Sprecher: "Sie (die USA) sagen jetzt mit deutlichen Worten, dass sie zuschlagen werden." Omar rechne mit einem weitaus größeren Angriff als 1998, als die USA erstmals Raketenangriffe auf Afghanistan flogen. 1998 übten die USA Vergeltung für Bin Ladens mutmaßliche Beteiligung an den Attentaten auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Dabei waren 224 Menschen getötet worden, unter ihnen auch zwölf US-Bürger.
Dennoch weigern sich die Taliban, Bin Laden an die USA auszuliefern. Am Donnerstag sagte Omar, Bin Laden sei nicht für die Anschläge verantwortlich, da er nicht über die erforderlichen Mittel verfüge.
ftd.