Dax wieder auf Kurs?

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Van Nelle-Half.:

Dax wieder auf Kurs?

 
07.09.03 16:21
Talsohle durchschritten, Aufschwung in Sicht. Die Börse steigt. Aber wie geht es weiter? Sieben Gründe, warum die Rally noch lange nicht zu Ende ist


Sie ist fällig. Seit Wochen schon. Aber die Korrektur kommt nicht. Stattdessen eilt der Dax von einem Jahreshoch zum nächsten. Um 65 Prozent hat das deutsche Börsenbarometer, gerechnet von seinen Tiefstständen im März, nun schon zugelegt. Allein diese Woche waren es, trotz Gewinnmitnahmen am Freitag, über 100 Punkte. Immer mehr Anleger und Experten schütteln angesichts dieser Entwicklung ungläubig den Kopf. Vor allem jene, die nicht dabei sind. Und für die könnte es kurzfristig noch schlimmer kommen: viele Gründe sprechen dafür, dass der Aufwärtstrend noch anhalten wird.

Portfoliooptimierung Viele Fonds, Pensionskassen und Versicherungen sehen vom davonfahrenden Dax nur noch die Rücklichter. "Gerade die Versicherungen haben ja den Ausverkauf im März beschleunigt, weil sie die Risiken aus ihren Portfolios nehmen wollten", sagt Berndt Fernow, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg. Viele dieser institutionellen Anleger seien jetzt unterinvestiert und warteten darauf, dass "der Dax noch mal umkehrt und sie einsammelt". Gerade Fondsmanager werden mit jedem Tag des Anstiegs nervöser: Ihre Performance muss sich meist dem Vergleich mit einer Benchmark stellen. "Viele von ihnen trimmen ihre Portfolios jetzt mit Aktien wie SAP oder Infineon auf Performance", vermutet Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft DWS (siehe Interview unten). Treibstoff für die Fortsetzung der Rally.

Liquidität Auch die Privatanleger haben den Umschwung an den Börsen weitgehend verpasst. Das belegt die Fondsstatistik des Branchenverbandes BVI. Während Aktienfonds im zweiten Quartal Zuflüsse von 2,2 Milliarden Euro verzeichneten, steckten die Privaten satte 6,1 Milliarden in vermeintlich sichere offene Immobilienfonds. Die verbesserte Stimmung an der Börse wird das Umdenken beschleunigen - und dem Aktienmarkt weitere Liquidität zuführen. Denn davon ist genug vorhanden. 1,34 Billionen Euro haben die Deutschen laut Bundesverband deutscher Banken in Spar-, Sicht- oder Termineinlagen liegen. Und von der lumpigen Rendite von zwei bis drei Prozent haben sie die Nase voll. "Inzwischen kehren Privatinvestoren langsam aufs Parkett zurück", beobachtet Börsenpsychologe Gianni Hirschmüller von Cognitrend, "weitere Kurssteigerungen und zunehmende Handelsaktivitäten scheinen möglich."

Konjunkturoptimismus Die Börse nimmt die konjunkturelle Entwicklung vorweg. Dreimal seit dem Ende der Jahrtausendhausse hat sie das bereits erfolglos versucht. Diesmal aber scheint der Aufschwung ausgemachte Sache: Ende August gab das Münchener Ifo-Institut zum vierten Mal in Folge einen steigenden Geschäftsklima-Index bekannt. Mit 90,8 Zählern lag der Wert erstmals seit über einem Jahr wieder über der 90- Punkte-Marke. Doch das Institut fragt nicht nur nach den Erwartungen der Unternehmen für die nächsten sechs Monate. Ermittelt wird auch die Einschätzung der aktuellen Lage. "Und der Anstieg bei diesem Indikator ist fast noch höher zu bewerten", sagt Aktienstratege Fernow. Auch die Konjunkturlokomotive USA kann glänzen: So stiegen die Auftragseingänge der US-Industrie auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Fundamentaldaten, die die vorausgelaufene Aufwärtsbewegung der Börsen unterfüttern.


Markttechnik "Für unser Dax-Ziel von 3850 Punkten am Jahresende sind wir im März belächelt worden", sagt Wieland Staud, Technischer Analyst und Geschäftsführer von Staud Research, "inzwischen erscheint dieses Ziel fast zu niedrig gegriffen." Durch den charttechnisch bedeutenden Widerstand von 3600 Punkten "ging der Dax wie durch Butter", sagt Staud. "Wir laufen mit angezogener Handbremse nach oben", spielt der Techniker auf die vielfach zu beobachtenden Zweifler im Markt an. "Und genau das zeichnet einen gesunden Trendmarkt aus." Wenn alle von der Korrektur reden, bleibt sie aus. Viele Marktteilnehmer könnten sich einfach nicht vorstellen, dass der Dax seine unglaubliche Performance noch weiter in die Höhe schraube. "Aber dasselbe ließ sich ja auch auf dem Weg nach unten - unter umgekehrten Vorzeichen - beobachten", sagt Staud.

Leerverkäufer Über Jahre ging das Geschäft der Hedge-Fonds auf, die sich in Erwartung fallender Kurse Aktien liehen, sie später günstig am Markt zurückkauften und dem Verleiher zurückgaben. Von der Differenz ließ sich gut leben. Jetzt hat der Trend gedreht. "Der Dax artet auf Grund seines einseitigen Kursverlaufs für die ersten Short-Spieler zur Qual aus", meint Cognitrend-Experte Hirschmüller. Wer bis jetzt noch nicht die Seiten gewechselt hat, muss sich in steigende Notierungen hinein eindecken - und treibt die Kurse weiter in die Höhe. Hirschmüller: "Oberhalb eines Niveaus von 3730 bis 3750 Punkten wäre sogar mit einem dynamischen Short-Squeeze zu rechnen, der den Dax schnell um weitere 200 Punkte nach vorn bringen kann."

Investitionsvorhaben "Ein kleines bisschen besser als erwartet" seien die Auftragseingänge im August ausgefallen, meldete Cisco Systems diese Woche. Es hagelte Heraufstufungen durch die Analysten. Auch bei SAP spielten die Anleger diese Woche das verbesserte Umfeld für lange aufgeschobene IT-Ausgaben.

Und das US-Marktforschungsinstitut Gartner Dataquest sieht erste Anzeichen dafür, dass die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte weiter anzieht. Damit würde die notwendige Voraussetzung für einen Turn-around bei den IT-Ausgaben 2004 geschaffen. Dieses Anspringen der Investitionen wird weithin unterschätzt. In den USA etwa steigen die Investitionen nach 3,7 Prozent in 2003 auf 9,2 Prozent im kommenden Jahr an - entsprechend müssen auch die Gewinnschätzungen pro Aktie angehoben werden. "Dann sind viele Aktien auch längst nicht mehr so teuer, wie sie jetzt vielleicht manchem erscheinen", sagt Aktienstratege Fernow.

Zinsumfeld Jede längere Aufwärtsbewegung an den Börsen benötigt ein geeignetes Umfeld, um sich entwickeln zu können. Gut für die Kurse sind niedrige Zinsen - und vor allem die Erwartung, dass sich daran so bald nichts ändert. So nahmen die Marktteilnehmer mit Wohlwollen die Aussage von Fed-Chef Alan Greenspan zur Kenntnis, dass die Leitzinsen "für eine beträchtliche Zeit" auf dem aktuell niedrigen Niveau bleiben sollen. Die Mehrheit der Volkswirte rechnet bis ins nächste Jahr hinein mit einer Fortsetzung der Niedrigzinspolitik sowohl in den USA als auch in der Eurozone.

Die Aussichten auf weiter steigende Aktienkurse sind also nicht schlecht. Die Börse allerdings ist keine Einbahnstraße. Risiken wie Krieg, Terror, Inflation oder Überbewertung (siehe Kasten Seite 37) mögen Börsianern im aktuell deutlich aufgehellten Stimmungsumfeld weit weg erscheinen. Doch wie empfindlich die Börse darauf reagiert, ließ sich bis in den März dieses Jahres hinein immer wieder beobachten.

Wer sich also jetzt an den Aktienmarkt wagt, sollte sich vorher eine Strategie zurechtlegen, mit der er mögliche Verluste begrenzt und die Substanz des angelegten Kapitals sichert. Das ist das Mindeste, was Anleger aus der langen Baisse gelernt haben sollten.

Artikel erschienen am 7. Sep 2003


www.wams.de


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