Der Weltraum als Business

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Der Weltraum als Business

 
19.03.02 10:54
Vor fünf Jahren hat die US-Firma Space Adventures eine Wette auf den Weltraum-Tourismus abgeschlossen. Jetzt ist sie das einzige Reisebüro der Welt, bei dem man einen Ausflug ins All buchen kann. SPIEGEL ONLINE war bei den Pionieren zu Besuch.

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Abenteuer für Möchtegern-Astronauten: Flug mit einer Mig 25 bis an die Grenze der Atmosphäre
 
Arlington/Virginia - Die Vertretung des Weltraumtourismus auf Erden hat so gar nichts Außerirdisches an sich. "Down to earth", stinknormal, würden Amerikaner sie wohl nennen. Zentrale Lage an einer Hauptstraße im Washingtoner Vorort Arlington: 4350 North Fairfax Drive, achter Stock, Suite 840, mit Blick auf ein Bürohaus. Ein dutzend junge Menschen tippen und telefonieren. Ein Reisebüro eben.
Stünden da nicht die netten Modell-Raketen (eine Sojus und eine Buran-Raumfähre) auf dem Eingangstresen, man würde nicht einmal ahnen, dass hier 20-Millionen-Dollar-Reisen vertickt werden. Auch so glaubt man es kaum. Hier hat der legendäre Dennis Tito gesessen? Der erste Mensch, der seine Reise ins All selbst bezahlt hat? "That's right", nickt Eric Anderson, der mondgesichtige Gründer von Space Adventures. Ein Blick auf die Fotowand rechts neben dem Eingang beseitigt etwaige Zweifel: Tito mit Helm, Tito ohne Helm, Tito mit breitem Grinsen, Tito schwerelos. Wir sind in Tito-Land.

Tito ist das Aushängeschild von Space Adventures. Auch ein Jahr nach seinem Trip zur Internationalen Raumstation ISS macht der amerikanische Millionär noch Schlagzeilen. Tito kennt jeder. Nur sein Reisebüro kennt keiner, und das wurmt die Mitarbeiter von Space Adventures. "Wir organisieren sogar ihre Interviews, und dann erwähnen sie uns nicht mal", sagt Tereza Predescu, zuständig für Pressearbeit, leicht frustriert. Neben Tito meint sie Mark Shuttleworth. Der südafrikanische Internet-Unternehmer wird im April als zweiter Selbstzahler zur ISS fliegen. Weil Zweiter-Sein für ein Alpha-Männchen jedoch nicht in Frage kommt, vermarktet Shuttleworth sich als "der erste Afrikaner im All".

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Will den Weltraum kommerzialisieren: Space-Adventure-Gründer Eric Anderson
 
Pioniere wie Tito und Shuttleworth sind wichtige Werbeträger für die erst wenige Jahre alte Branche. Doch Space Adventures ist der eigentliche Motor der Bewegung. Das junge Unternehmen hat es nicht nur als Erstes geschafft, der chronisch unterfinanzierten russischen Raumfahrtagentur West-Touristen unterzujubeln. Seit der Gründung 1997 arbeitet die Firma systematisch daran, den Weltraum zu kommerzialisieren. Sie kämpft gegen die Bremser der US-Raumfahrtagentur Nasa, macht Lobbyarbeit bei der Regulierungsbehörde FAA und finanziert Projekte zur Entwicklung privater Raumfähren und eines privaten "Spaceports" in den USA. "Wir wollen die Firma sein, die Privatleute in den Weltraum bringt", erklärt Anderson die Unternehmensphilosphie.

Bisher haben sie es zumindest schon zum Außenposten der Russen im Westen geschafft. Das kommt einer Ernennung zum Marktführer gleich, schließlich ist die russische Raumfahrtagentur die Einzige, die in Weltraum-Angelegenheiten ein bisschen Unternehmergeist zeigt. Die Nasa? "Vergiss es", winkt Anderson ab. Zwar liegen nur wenige U-Bahn-Stationen zwischen Nasa-Zentrale und Space Adventures, doch es könnten ebenso gut Welten sein. "Die Nasa ist eine Behörde". Das sagt alles.

Wie kooperativ dagegen die Russen: Im Auftrag der russischen Raumfahrtagentur wählt Space Adventures die Kunden aus, führt den finanziellen, psychologischen und physischen Hintergrund-Check durch. "Die Russen schätzen uns, weil wir ihnen perfekte Kandidaten servieren", sagt Anderson. Das bedeutet harte Arbeit, ein halbes Jahr Koordination und tägliche Telefonate mit den Kandidaten. Pro Jahr können zwei Touristen mitfliegen.

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Space Adventures für Anfänger: Reise zum Meteoriten-Krater in Arizona

Doch Geld verdient Space Adventures daran kaum, der Großteil der 20 Millionen Dollar fließt nach Russland. Die US-Firma finanziert sich mit dem Kapital weltraumbegeisterter Investoren und dem eigenen Reisegeschäft. Sie bietet verschiedene "Steps to Space"-Reisen an, von mehrtägigen Touren zum Meteoritenkrater in Arizona über Parabelflüge mit dem "Vomit Comet" Iljuschin-76 (30 Sekunden Schwerelosigkeit) bis hin zum Flug mit einer Mig-25 "an den Rand des Weltraums".

Knapp 20 verschiedene Pakete enthält dieser etwas andere Abenteuerreisen-Katalog. Die billigste Tour für Einsteiger sind zwei Übernachtungen im Skywatcher's Inn in Benson/Arizona für 259 Dollar pro Person. Die teuerste ist die ISS-Reise. Die meisten Angebote führen ins russische Sternenstädtchen bei Moskau, die Heimat der Kosmonauten. In ihrer Geldnot teilen die Russen fast alles mit den Touristen - die Zentrifuge, das Unterwassertrainingsbecken - und den Borschtsch in der Cafeteria.

Bei der Reisevermittlung kann Space Adventures auf reichlich Erfahrung zurückgreifen: Zu den Geldgebern des Start-ups zählen Omega Travel, eines der größten Reisebüros der USA, und Mike McDowell, ein in Hamburg lebender Guru für Extremreisen in die Antarktis und die Tiefsee. Als Berater in Weltraumfragen und Tour-Guides stehen sieben Ex-Astronauten zur Verfügung, darunter Apollo-11-Teilnehmer Buzz Aldrin. Das ist typisch für die Branche: Es wimmelt nur so vor pensionierten Air-Force-Generälen und grau gewordenen Space-Shuttle-Piloten.

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Monatelange Vorbereitungen vor dem Weltraum-Trip: Trainingsbecken im Sternenstädtchen in Russland
 
Neben diesen Veteranen wirkt die Büro-Crew wie ein Kindergarten. Viele der 18 Mitarbeiter sind unter 30, Anderson selbst ist 27. Ein klassischer Fall von New Economy. Vor Space Adventures, das er im zarten Alter von 22 gründete, hatte der studierte Raumfahrt-Ingenieur bereits das Internet-Portal Starport.com ins Leben gerufen und nach kurzer Zeit an Space.com verkauft. Wie viele seiner Gründerkollegen verbreitet Anderson die Hektik des Jungunternehmers, der ein Interview nur kurz zwischen zwei bedeutenden Telefonaten einschieben kann. Über Umsatz und Gewinn der privaten Firma schweigt er sich aus, will nur so viel verraten: "Space Adventures ist profitabel". Von 2000 auf 2001 habe man ein Umsatzwachstum von 350 Prozent hingelegt, sagt er. Dieses Jahr sehe es wegen der allgemeinen Tourismuskrise nicht ganz so gut aus: Kaum jemand wolle nach Russland fliegen.

Das Reisegeschäft wirft immerhin so viel ab, dass Space Adventures sich auch beim Königsprojekt der Branche engagieren kann: Der Entwicklung neuer Mini-Raumfähren, die den Preis für einen Weltraumflug unter 100.000 Dollar drücken sollen. Das Reisebüro hat exklusive Nutzungsverträge mit einer Handvoll meist amerikanischer Firmen, die diese Flugzeuge mit Raketenantrieb entwickeln. Darunter sind auch bekannte Namen: Vergangene Woche feierte Space Adventures auf einem Militärflughafen bei Moskau die Enthüllung eines Modells der Mini-Raumfähre C-21 vom russischen Ingenieursbüro Mjasischtschew, das bereits die Buran-Raumfähre entwickelt hatte. Größter Investor ist Space Adventures. Wenn man allein in einer Branche ist, muss man sich eben um alles selber kümmern, auch um die Transportmittel. Der erste Flug mit Passagieren ist optimistisch für 2005 angepeilt.

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Pendelverkehr zwischen Erde und Weltraum: Modell eines Shuttle

Diese Raumfähren der zweiten Generation, die das Space Shuttle und die Sojus ablösen sollen, wären laut Experten der Durchbruch für den Weltraum-Tourismus. Wie Flugzeuge könnten sie von "Spaceports" abheben, mit ganz normalen Jet-Piloten und ganz normalen Passagieren an Bord. Natürlich kann auch dann noch von Massentourismus keine Rede sein: Die Zahl der Menschen, die sich eine 100.000-Dollar-Reise leisten können, ist relativ gering. Aber verglichen mit dem Eliteclub der 500 Astronauten und Kosmonauten, die bisher Weltraum-Erlebnisse erzählen können, wäre dies in der Tat eine Revolution.

Bereits jetzt verkauft Space Adventures Tickets für einen halbstündigen Flug ins All. Preis pro Person: 98.000 Dollar. Abflugdatum: Ungewiss. Wer einen Platz reservieren möchte, muss 6000 Dollar anzahlen, plus 4000 Dollar Kaution, nicht rückzahlbar. Den Rest kann man entweder in Jahresraten von 12.000 Dollar oder Monatsraten von 1000 Dollar überweisen. Die volle Summe wird drei Monate vor Abflug fällig. Im Preis enthalten sind eine "personalisierte Reisetasche", ein Erinnerungsmedaillon und "Astronautenflügel". Obwohl die Raumfähre noch nicht mal gebaut ist, hat Space Adventures bereits hundert Reservierungen und zwei Millionen Dollar an Zahlungen erhalten.

"Das Interesse an Weltraumreisen ist groß", daran besteht für Anderson überhaupt kein Zweifel. Ab und zu gibt er eine Umfrage in Auftrag, um seine Behauptung zu beweisen. Jedes Mal erhält er verlässlich große Mehrheiten in den westlichen Ländern. Es gibt viele Menschen, die mit eigenen Augen sehen wollen, dass die Erde rund ist. Und seit Tito hat das Unternehmen sowieso Rückenwind. "Tito hat den Weltraum-Tourismus aus dem Reich der Science-Fiction geholt", erklärt Anderson. "Eine Reise zum Mond ist weiterhin Phantasie, eine Reise zur ISS nur noch eine Frage des Preises."

Doch Flüge zur Raumstation werden immer teuer und elitär bleiben. Die Zukunft des Weltraum-Tourismus liegt viel weiter unten, in etwa hundert Kilometern Höhe. Das reicht, um nach US-Definition Astronaut genannt zu werden (die Grenze liegt bei 80 Kilometern). In dieser suborbitalen Höhe erlebt der Reisende bereits die beiden entscheidenden Weltraumabenteuer: Den Blick auf die Erdkrümmung und die Schwerelosigkeit. Die Mini-Raumfähren sollen die Distanz in 30 bis 90 Minuten hin und zurück bewältigen. Der Höhepunkt dauert etwa fünf Minuten.

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30 Sekunden Schwerelosigkeit: Parabelflug mit einer Iljuschin-76
 
Wann es so weit sein wird, darüber kann auch Anderson nur spekulieren. Das Datum 2005 ist nicht unmöglich, aber bisher reines Wunschdenken. Allein der Lizenzierungsprozess für die Raumfähren dürfte sich über Jahre hinziehen. Die Sicherheitsrisiken bei Raumfähren sind ungleich höher als bei Flugzeugen. Wie viel höher, zeigt die Statistik des Space Shuttle: Die Nasa will ihre Ausfallrate bis 2007 auf 1 zu 1000 senken. Bisher liegt sie bei 1 zu 100 (Auf gut hundert Shuttle-Missionen kam ein Challenger-Absturz). "So sicher wie Flugzeuge werden Raumfähren nie", räumt Anderson ein. Aber sicherer als die Besteigung des Mount Everest sei ein Weltraumflug allemal. Risiko sei im Übrigen "nichts Schlimmes".

Eine zweite Unwägbarkeit der Branche sind die "Spaceports". 15 US-Bundesstaaten spielen mit dem Gedanken, einen privaten Weltraumflughafen einzurichten. Der Bundesstaat Oklahoma zum Beispiel will einen kaum genutzten Air-Force-Flughafen aus den fünfziger Jahren in eine Weltraumbasis verwandeln. Space Adventures hat großes Interesse an einem US-Spaceport, um von den Russen unabhängig zu werden. Verhandlungen mit der Oklahoma Space Industry Development Authority (OSIDA) sind nach eigenen Angaben schon weit fortgeschritten.

Acht Firmen der Zukunftsbranche hätten bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet, sagt OSIDA-Chef Jay Edwards, ein pensionierter Air-Force-Offizier. Parabelflüge und Mig-Flüge könnten bereits dieses Jahr beginnen. Doch zunächst braucht die OSIDA dafür eine Spaceport-Lizenz. Bei der FAA ist nach Angaben eines Sprechers jedoch noch keine Bewerbung eingegangen. Der Oklahoma-Spaceport wäre der erste Weltraumflughafen im Landesinneren, die vier bestehenden (Kalifornien, Alaska, Virginia, Florida) sind allesamt an der Küste.

Wer bei Space Adventures arbeitet, sieht über diese Probleme großzügig hinweg. Hier arbeiten "true believers", die den Weltraum-Tourismus als unaufhaltbaren Trend sehen. "Die Frage ist nicht ob, sondern wann", sagt Anderson. Diese Meinung scheint zunehmend Anhänger zu finden: So kündigte die Fluggesellschaft US-Airways vergangene Woche an, dass Vielflieger-Meilen ab sofort auch für Weltraumflüge angerechnet werden. Mitmachen kann allerdings nur, wer im Flugzeug lebt: Die halbe Stunde Weltraum kostet zehn Millionen Meilen.

Gruß
Happy End
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