Krise des deutschen Wirtschaftsmodells
von Thomas Fricke
Die deutsche Wirtschaft ist Ende 2008 drastischer geschrumpft als die meisten anderen Volkswirtschaften der Welt. Welch ein Desaster. Jetzt lässt sich kaum noch wegreden, dass es die Deutschen sogar härter als andere trifft.
Noch vor drei Monaten polterten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminster Peer Steinbrück (SPD), die Deutschen stünden doch viel besser da als Amerikaner und andere. Noch vor zwei Wochen hielt die Kanzlerin in Davos noch Lobesreden auf den deutschen Weg, deutsche Tugenden und deutsche Haushaltssanierung.
Jetzt lässt sich kaum noch wegreden, dass es die Deutschen sogar härter als andere trifft. Rechnet man die Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts vom vierten Quartal auf ein Jahr hoch, wie es die Amerikaner machen, ist die Wirtschaftsleistung um atemberaubende beinahe neun Prozent eingebrochen.
In den USA waren es nach bisherigen Schätzungen nicht einmal vier Prozent, ebenso wie in Spanien oder Frankreich. Selbst die Briten kommen mit einem hochgerechneten Minus von 6 Prozent noch besser weg. Da hilft auch der Verweis darauf wenig, dass bisher die Arbeitslosigkeit weit weniger steigt als etwa in den USA, wo sich die Lage schon seit einem Jahr verschlechtert. Frühindikatoren und Firmennachrichten lassen befürchten, dass die deutschen Unternehmen nicht mehr lange nur mit Kurzarbeit reagieren und ein Hochschnellen der Arbeitslosigkeit unmittelbar bevor steht.
Das ist umso erschreckender, als die Deutschen weder eine Immobilienkrise haben wie Amerikaner, Briten oder Spanier, noch das eigentliche Zentrum der Finanzkrise waren. Warum stürzen wir dann stärker ab als andere?
Noch in Davos lobte Angela Merkel den deutschen Weg
Eine Erklärung könnte sein, dass Regierung wie Notenbank viel zu lange gezögert haben, bis sie mit Konjunkturpaketen und drastischer sinkenden Zinsen auf das seit Monaten nahende Desaster reagierten. Eine andere, tiefere Erklärung ist, dass sich jetzt zu rächen droht, wie einseitig die Deutschen über Jahre versucht haben, Wirtschaftswachstum über Kostenwettbewerb, Einkommensverzicht und Exportweltmeisterschaft zu erzwingen. Das ging einigermaßen gut, als der Rest der Welt von 2002 bis 2007 eine historisch einmalige Boomphase erlebte, wovon Exportnationen wie Deutschland und China besonders profitierten. Der Haken ist, dass sich dies in der Krise jetzt in sein Gegenteil verkehrt, zumal die Globalisierung für eine rasante Ausbreitung solcher Konjunkturkrisen sorgt.
Da hilft auch das Gequassel wenig, dass die Deutschen beim nächsten Aufschwung dann auch wieder die ersten Profiteure sind. Jetzt ist die Krise da. Und es spricht einiges dafür, dass Amerikaner und andere auf absehbare Zeit nicht wieder so sorglos konsumieren (und deutsche Produkte kaufen), wie sie dies in den vergangenen Jahren getan haben.
Die Deutschen müssen ihr Wirtschaftsmodell dringend überholen. Wäre in den vergangenen Jahren nicht so Vieles getan worden, was über Einkommensverzicht, Praxisgebühren oder Mehrwertsteuer-Rekordanhebungen die inländische Konjunkturdynamik gebremst hat, wären die Deutschen heute zwar etwas weniger wettbewerbsfähig; sie hätten dafür aber eine viel solidere Binnenwirtschaft, um globale Schocks wie diesen abzufangen. Und die Krise würde mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich weniger und nicht stärker reinhauen als bei anderen.
von Thomas Fricke
Die deutsche Wirtschaft ist Ende 2008 drastischer geschrumpft als die meisten anderen Volkswirtschaften der Welt. Welch ein Desaster. Jetzt lässt sich kaum noch wegreden, dass es die Deutschen sogar härter als andere trifft.
Noch vor drei Monaten polterten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminster Peer Steinbrück (SPD), die Deutschen stünden doch viel besser da als Amerikaner und andere. Noch vor zwei Wochen hielt die Kanzlerin in Davos noch Lobesreden auf den deutschen Weg, deutsche Tugenden und deutsche Haushaltssanierung.
Jetzt lässt sich kaum noch wegreden, dass es die Deutschen sogar härter als andere trifft. Rechnet man die Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts vom vierten Quartal auf ein Jahr hoch, wie es die Amerikaner machen, ist die Wirtschaftsleistung um atemberaubende beinahe neun Prozent eingebrochen.
In den USA waren es nach bisherigen Schätzungen nicht einmal vier Prozent, ebenso wie in Spanien oder Frankreich. Selbst die Briten kommen mit einem hochgerechneten Minus von 6 Prozent noch besser weg. Da hilft auch der Verweis darauf wenig, dass bisher die Arbeitslosigkeit weit weniger steigt als etwa in den USA, wo sich die Lage schon seit einem Jahr verschlechtert. Frühindikatoren und Firmennachrichten lassen befürchten, dass die deutschen Unternehmen nicht mehr lange nur mit Kurzarbeit reagieren und ein Hochschnellen der Arbeitslosigkeit unmittelbar bevor steht.
Das ist umso erschreckender, als die Deutschen weder eine Immobilienkrise haben wie Amerikaner, Briten oder Spanier, noch das eigentliche Zentrum der Finanzkrise waren. Warum stürzen wir dann stärker ab als andere?
Noch in Davos lobte Angela Merkel den deutschen Weg
Eine Erklärung könnte sein, dass Regierung wie Notenbank viel zu lange gezögert haben, bis sie mit Konjunkturpaketen und drastischer sinkenden Zinsen auf das seit Monaten nahende Desaster reagierten. Eine andere, tiefere Erklärung ist, dass sich jetzt zu rächen droht, wie einseitig die Deutschen über Jahre versucht haben, Wirtschaftswachstum über Kostenwettbewerb, Einkommensverzicht und Exportweltmeisterschaft zu erzwingen. Das ging einigermaßen gut, als der Rest der Welt von 2002 bis 2007 eine historisch einmalige Boomphase erlebte, wovon Exportnationen wie Deutschland und China besonders profitierten. Der Haken ist, dass sich dies in der Krise jetzt in sein Gegenteil verkehrt, zumal die Globalisierung für eine rasante Ausbreitung solcher Konjunkturkrisen sorgt.
Da hilft auch das Gequassel wenig, dass die Deutschen beim nächsten Aufschwung dann auch wieder die ersten Profiteure sind. Jetzt ist die Krise da. Und es spricht einiges dafür, dass Amerikaner und andere auf absehbare Zeit nicht wieder so sorglos konsumieren (und deutsche Produkte kaufen), wie sie dies in den vergangenen Jahren getan haben.
Die Deutschen müssen ihr Wirtschaftsmodell dringend überholen. Wäre in den vergangenen Jahren nicht so Vieles getan worden, was über Einkommensverzicht, Praxisgebühren oder Mehrwertsteuer-Rekordanhebungen die inländische Konjunkturdynamik gebremst hat, wären die Deutschen heute zwar etwas weniger wettbewerbsfähig; sie hätten dafür aber eine viel solidere Binnenwirtschaft, um globale Schocks wie diesen abzufangen. Und die Krise würde mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich weniger und nicht stärker reinhauen als bei anderen.