Deckungslücken in den Pensionskassen steigen dramatisch an
Renditeannahmen sind in Amerika heroischer Natur / Unternehmen rechnen sich weiterhin reich
dri.FRANKFURT, 11. Oktober. Fallende Aktienkurse und sinkende Zinsen reißen große Löcher in betriebliche Pensionskassen. Vor allem in Amerika haben diese Deckungslücken inzwischen eine Dimension angenommen, die für manche Unternehmen, vor allem aus der Flugbranche, existenzbedrohend ist. Die beiden Autohersteller General Motors (GM) und Ford müssen in naher Zukunft Milliardenbeträge in ihre Pensionskassen einschießen, die ihnen an anderer Stelle fehlen werden. Allein bei GM dürfte sich die Deckungslücke in diesem Jahr von 9 Milliarden Dollar auf 29 Milliarden Dollar erhöhen, schätzen Analysten von Credit Suisse First Boston. Der Betrag ist weit höher als der aktuelle Börsenwert von GM. (Wahnsinn: Seckungslücke höher ls Börsenwert!)
In den Ertragsrechnungen der Unternehmen schlägt sich die dramatisch verschlechterte Lage der Pensionskassen bisher kaum nieder. Maßgeblich für die Ergebniswirksamkeit ist nämlich nicht die tatsächliche Wertentwicklung der Kapitalanlagen, sondern die erwartete Rendite. Diese Rendite ist die durchschnittliche Verzinsung, die die Unternehmen für die Portfolios ihrer Pensionskassen langfristig unterstellen. Bei den Unternehmen des Aktienindexes S&P 500, der die größten amerikanischen Unternehmen abbildet, liegt diese Rendite im Mittel bei etwas mehr als 9 Prozent. Kurzum: Auch für das Jahr 2002, das Pensionskassen aus heutiger Sicht zweistellige Wertverluste bescheren dürfte, werden in die Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der Unternehmen noch fiktive Gewinne aus den Pensionskassen einfließen. Schon im vergangenen Jahr hatten die Kapitalanlagen der Pensionskassen im Schnitt 7 Prozent an Wert verloren. Gleichwohl war mit einer Rendite von 9,2 Prozent in den Erfolgsrechnungen der Unternehmen kalkuliert worden.
Bei GE etwa steuerte der Pensionsfonds 2,1 Milliarden Dollar zum Konzerngewinn von 13,7 Milliarden Dollar bei, obwohl der Pensionsfonds Einbußen erlitt. Die Unternehmen rechnen sich damit reicher als sie sind. Es macht zwar Sinn, mit einer erwarteten und nicht mit einer tatsächlichen Rendite zu rechnen. Wäre die tatsächliche Wertentwicklung maßgeblich, würden die Erträge der Unternehmen zu stark schwanken. Allerdings muten die Renditeannahmen inzwischen heroisch an, wie unlängst auch der legendäre Investor Warren Buffett anmerkte.
Die Portfolios amerikanischer Pensionskassen bestehen im Durchschnitt zu zwei Dritteln aus Aktien und zu einem Drittel aus Anleihen. Um eine Jahresrendite von 9 Prozent zu erzielen, müßten die Aktienkurse zweistellig steigen. Buffett selbst kalkuliert für die Pensionskasse seines Konzerns Berkshire Hathaway inzwischen nur noch mit einer erwarteten Rendite von 6,5 Prozent. Viele Unternehmen scheuen sich noch, den veränderten Realitäten Rechnung zu tragen. Der Computerkonzern IBM beispielsweise hat seine Rendite nur von 10 Prozent auf 9,5 Prozent zurückgenommen. GM kalkuliert sogar noch mit 10 Prozent. Eine Anpassung um nur einen Prozentpunkt nach unten würde den Vorsteuergewinn um 700 Millionen Dollar drücken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2002, Nr. 237 / Seite 19
Renditeannahmen sind in Amerika heroischer Natur / Unternehmen rechnen sich weiterhin reich
dri.FRANKFURT, 11. Oktober. Fallende Aktienkurse und sinkende Zinsen reißen große Löcher in betriebliche Pensionskassen. Vor allem in Amerika haben diese Deckungslücken inzwischen eine Dimension angenommen, die für manche Unternehmen, vor allem aus der Flugbranche, existenzbedrohend ist. Die beiden Autohersteller General Motors (GM) und Ford müssen in naher Zukunft Milliardenbeträge in ihre Pensionskassen einschießen, die ihnen an anderer Stelle fehlen werden. Allein bei GM dürfte sich die Deckungslücke in diesem Jahr von 9 Milliarden Dollar auf 29 Milliarden Dollar erhöhen, schätzen Analysten von Credit Suisse First Boston. Der Betrag ist weit höher als der aktuelle Börsenwert von GM. (Wahnsinn: Seckungslücke höher ls Börsenwert!)
In den Ertragsrechnungen der Unternehmen schlägt sich die dramatisch verschlechterte Lage der Pensionskassen bisher kaum nieder. Maßgeblich für die Ergebniswirksamkeit ist nämlich nicht die tatsächliche Wertentwicklung der Kapitalanlagen, sondern die erwartete Rendite. Diese Rendite ist die durchschnittliche Verzinsung, die die Unternehmen für die Portfolios ihrer Pensionskassen langfristig unterstellen. Bei den Unternehmen des Aktienindexes S&P 500, der die größten amerikanischen Unternehmen abbildet, liegt diese Rendite im Mittel bei etwas mehr als 9 Prozent. Kurzum: Auch für das Jahr 2002, das Pensionskassen aus heutiger Sicht zweistellige Wertverluste bescheren dürfte, werden in die Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der Unternehmen noch fiktive Gewinne aus den Pensionskassen einfließen. Schon im vergangenen Jahr hatten die Kapitalanlagen der Pensionskassen im Schnitt 7 Prozent an Wert verloren. Gleichwohl war mit einer Rendite von 9,2 Prozent in den Erfolgsrechnungen der Unternehmen kalkuliert worden.
Bei GE etwa steuerte der Pensionsfonds 2,1 Milliarden Dollar zum Konzerngewinn von 13,7 Milliarden Dollar bei, obwohl der Pensionsfonds Einbußen erlitt. Die Unternehmen rechnen sich damit reicher als sie sind. Es macht zwar Sinn, mit einer erwarteten und nicht mit einer tatsächlichen Rendite zu rechnen. Wäre die tatsächliche Wertentwicklung maßgeblich, würden die Erträge der Unternehmen zu stark schwanken. Allerdings muten die Renditeannahmen inzwischen heroisch an, wie unlängst auch der legendäre Investor Warren Buffett anmerkte.
Die Portfolios amerikanischer Pensionskassen bestehen im Durchschnitt zu zwei Dritteln aus Aktien und zu einem Drittel aus Anleihen. Um eine Jahresrendite von 9 Prozent zu erzielen, müßten die Aktienkurse zweistellig steigen. Buffett selbst kalkuliert für die Pensionskasse seines Konzerns Berkshire Hathaway inzwischen nur noch mit einer erwarteten Rendite von 6,5 Prozent. Viele Unternehmen scheuen sich noch, den veränderten Realitäten Rechnung zu tragen. Der Computerkonzern IBM beispielsweise hat seine Rendite nur von 10 Prozent auf 9,5 Prozent zurückgenommen. GM kalkuliert sogar noch mit 10 Prozent. Eine Anpassung um nur einen Prozentpunkt nach unten würde den Vorsteuergewinn um 700 Millionen Dollar drücken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2002, Nr. 237 / Seite 19