Ende der Schauspieler
Kommentar
Von Wolfram Weimer, Die Welt
Zwei Gewinner, zwei Verlierer. Deutschland tariert aber auch alles bis zur Handlungsunfähigkeit aus. Edmund Stoiber, der erste Gewinner, hat es immerhin vermocht, was kaum einer ihm zugetraut hat: mit seiner Union den Volkstribun Schröder zu schlagen. Dies ist ein Sieg der Kompetenz über das Schauspiel, der Geradlinigkeit über die Sprunghaftigkeit. Vor allem ist es dem Gespann Stoiber/Merkel gelungen, die bürgerliche Volkspartei, die vor zwei Jahren am Abgrund stand, wieder an die Spitze des Parlaments zu führen. Ihr gebührt dabei so viel Verdienst wie ihm.
Dass Stoiber und Merkel zwar Gewinner, aber keine strahlenden Sieger sind, liegt nur an den Liberalen. Die Eskapaden von Jürgen Möllemann sind eben mehr als nur Fehltritte eines Sonderlings. Der politische Amoklauf hat die Partei erschüttert - denn er offenbarte einen unentschiedenen Machtkampf an der Spitze ebenso wie ein fragiles Wertekorsett in der Guidomobil-Ära. Teile des Bürgertums haben sich darum in letzter Sekunde von den forschen Modernisierern abgewandt und mit Stoiber die solidere Variante gewählt.
Der zweite große Gewinner heißt Joschka Fischer. Er hat in einem überraschenden Revival von den emotionalen Schlussthemen des Wahlkampfs profitiert: die Flut und der Irak-Krieg. Beides brachte die ureigenen Themen der Grünen wieder nach vorne. Beides verstand er auf sich zu projizieren. Während Schröders plötzlicher Pazifismus als verlogene Wahlkampfvolte spätestens mit der Däubler-Gmelin- Affäre demaskiert war, blieb Fischers Kurs in sich glaubwürdig. Er bot das Bild des alten, ehrlichen Popstars, der seine Fans noch einmal zum großen Konzert versammelt.
Mit Stoiber und Fischer hat zugleich das Authentische gesiegt; mit Westerwelle und Schröder das Schauspielerische verloren. Gerhard Schröder wirkte am Wahlabend wie entzaubert. Selbst wenn er sich noch irgendwie an der Macht halten sollte - sein Stil ist abgestraft, sein Erbe bleibt ein wirtschaftspolitischer Scherbenhaufen und ein außenpolitisches Desaster.
Wer immer Deutschland nun regieren wird, die sprunghafte Politik des Interessenausgleichs, das clevere Machtbrokering sollte einer klaren Führungskultur weichen. Ein wirtschaftlich schwer angeschlagenes Deutschland bräuchte mutige Freiheitsreformen. Nur wie bei einem solch knappen Ergebnis?