Der Börseninformationsdienst P. könnte
sich durch die Veröffentlichung einer
sogenannten "Todesliste" der üblen Nach-
rede gemäß § 186 StGB strafbar gemacht
haben.
Voraussetzung hierfür ist, daß P. eine
ehrenrührige Tatsache behauptet hat, die
nicht erweislich wahr ist.
Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder
Zuständer der Vergangenheit oder Gegen-
wart, die sinnlich wahrnehmbar in Er-
scheinung getreten und infolgedessen dem
Beweis zugänglich sind.
P. hat in einschlägigen Medien und damit
in der Öffentlichkeit erklärt, daß bereits in Kürze einige Unternehmen des
sogenannten "Neuen Marktes" in erhbeliche
finanzielle Schwierigkeiten geraten wer-
den.
P. hat damit eine entsprechende Tatsache
öffentlich behauptet und verbreitet.
Ehrenrührig ist diese Tatsache dann,
wenn sie geeignet ist, den Betroffenen
verächlich zu machen oder in der öffent-
lichen Meinung herabzuwürdigen.
Die öffentliche Behauptung ernsthafter
Liquiditätsprobleme eines Unternehmens
ist zweifellos geeignet, die entsprechen-
de Firma bei ihren Kunden und damit einem
Teil der allgemeinen Öffentlichkeit herab-
zuwürdigen.
P. hat durch die geplante und durchge-
führte Veröffentlichung der "Todesliste"
auch vorsätzlich gehandelt.
Der Tatbestand des § 186 StGB ist damit
erfüllt.
Vorausseztung für eine Strafbarkeit ist
jedoch weiterhin, daß als objekive Be-
dingung derselben die Nichterweislich-
keit der Tatsache feststeht.
Diese ist dann gegeben, wenn es dem Täter
nicht gelingt, den ihm obliegenden Wahr-
heitsbeweis zu führen. Dabei gehen alle
diesbezüglich auftretenden Zweifel ent-
gegen des sonst im deutschen Strafrecht
geltenden Grundsatzes "in dubio pro reo"
zu Lasten des Täters.
Aus verschiedenen Veröffentlichungen der
mit P. gleich oder ähnlich zu stellenden
Medien geht hervor, daß nicht sämtliche
auf der Liste von P. aufgeführten Unter-
nehmen tatsächlich bereits kurzfristig
in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten
geraten werden. Vielmehr gelang den ent-
sprechenden Medien der Nachweis, daß P.
bei der Bewertung der Unternehmensbilanzen im Einzelfall gra-
vierende Fehler zum Nachteil der betrof-
fenen Firma unterlaufen sind.
Dementsprechend ist die von P. aufge-
stellte Tatsachenbehauptung bereits in
naher Zukunft auftretender Liquiditäts-
schwierigkeiten in bezug auf einige Firmen nichterweislich wahr.
Fraglich ist nun, ob P. für sein Ver-
halten Rechtfertigungsgründe in Anspruch
nehmen kann.
Einschlägig ist insoweit § 193 StGB,
wonach P. ist auf die Wahrnehmung berech-
tigter Interessen berufen könnte.
Berechtigt sind Interessen jeweils des
Einzelnen oder der Allgemeinheit, die
dem Recht und den guten Sitten nicht
zuwiderlaufen. Dabei besteht bei Behaup-
tungen tatsächlicher Art im Rahmen der
jeweils gegebenen Möglichkeiten und in
den Grenzen der Zumutbarkeit eine Er-
kundigungspflicht des Behauptenden in
bezug auf ihren Wahrheitsgehalt, wobei
dies nach ständiger Rechtsprechung und
gefestigter Literaturmeinung in beson-
derem Maße für Veröffentlichungen in der
Presse oder anderen Massenmedien gilt.
Dadurch, daß P. bereits die objektive
Beurteilung der Bilanzsituation einer
auf der "Todesliste" stehenden Firma
grob fahrlässig fehlerhaft vornahm, hat
P. erkennbar nicht die erforderliche
Sorgfalt bei seinen Recherchen walten
lassen.
P. ist damit seinen Erkundigungspflichten
nicht in dem notwendigen Ausmaß nachge-
kommen.
P. kann sich demzufolge nicht auf eine
Rechtfertigung gemäß § 193 StGB wegen
der Wahrnehmung berechtigter Interessen
berufen.
P. hat auch schulhaft gehandelt.
P. ist somit strafbar gemäß § 186 StGB
wegen übler Nachrede, sofern eine Firma
als Betroffene einen entsprechenden
Strafantrag stellt.
kopiert aus einem Beitrag im Platow-Board (www.platowbriefe.de)