Jagd die Headhunter

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Nassie:

Jagd die Headhunter

 
14.06.03 16:46
Headhunting: Wie aus Jäger Gejagte werden
Von Christian Ewers

Abgeworbene Führungskräfte zu ersetzen ist teuer - kein Wunder, dass viele Firmen Headhunter mit professioneller Hilfe fern halten.


Warum soll man sich heute noch Sorgen machen, dass einem Mitarbeiter abgeworben werden könnten? Es sprechen ja so viele Fakten dagegen: Fast fünf Millionen Arbeitslose suchen einen Job, die gesamtwirtschaftliche Produktion stagniert seit drei Jahren. Und weil die Aussichten so trübe sind, werden in den Personalabteilungen weit mehr Kündigungen getippt als Stellenanzeigen getextet.
Warum also Angst haben um die eigene Belegschaft? Ist die miserable konjunkturelle Lage nicht die beste Versicherung gegen so genannte Headhunter, die sich in fremde Unternehmen einschleichen, um ihnen die besten Leute abzujagen?


"Im Gegenteil", sagt Paul Sampson, Geschäftsführer von David Charles Consulting (DCC) im rheinland-pfälzischen Pleizenhausen. "Wir durchleben zwar gerade eine schwere wirtschaftliche Phase, doch Headhunting wird noch immer äußerst intensiv betrieben. In Krisenzeiten wollen sich viele Firmen die teure Ausbildung der eigenen Mitarbeiter sparen. Deshalb stehlen sie lieber die erfahrenen Kräfte der Konkurrenz."



Personaldiebstahl in harten Zeiten


Paul Sampson beschäftigt sich seit vier Jahren professionell mit dem Phänomen des Personaldiebstahls. Der Engländer betreibt im Hunsrück eine Art Detektivschule, die gefährdeten Unternehmen zeigt, wie sie Headhunter aufspüren und enttarnen können.


Einer von Sampsons Kunden ist die Tele Atlas Deutschland GmbH. Das international tätige Unternehmen mit Hauptsitz im niederländischen S’Hertogenbosch beschäftigt in Deutschland etwa 200 Mitarbeiter und ist Weltmarktführer im Bereich digitale Kartografie.


Ende des Jahres 2000 entwickelte die Personalabteilung in Zusammenarbeit mit David Charles Consulting eine Strategie zur Abwehr von Headhuntern. "Die Zahl der Angriffe hatte erheblich zugenommen", sagt die Personalreferentin Sabine Dunant. "Wir mussten reagieren." Dunant kennt sich mit dem Problem auch in der Theorie bestens aus; ihre Abschlussarbeit an der Leibniz-Akademie Hannover beschäftigte sich mit Anti-Headhunting.



Schutzmaßnahmen an der Rezeption


Die Einführung von Schutzmaßnahmen bei Tele Atlas Deutschland begann im Erdgeschoss, an der Rezeption. All jene Mitarbeiter, die häufig mit betriebsfremden Personen kommunizieren - also zum Beispiel auch Sekretärinnen - wurden mit den listigen Tricks der Headhunter vertraut gemacht. Denn Kopfjäger operieren meist verdeckt und versuchen sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Zugang zu den Führungskräften eines Unternehmens zu erschleichen. So stellen sich manche Headhunter am Telefon als Studenten vor und verlangen aus vermeintlich wissenschaftlichem Interesse, mit dem Chef der Forschungsabteilung zu sprechen.


Beliebt sind auch Mediziner-Rollenspiele. Der Headhunter gibt sich beispielsweise als Urologe aus und überrumpelt die Sekretärin im Vorzimmer mit dem knappen Kommentar, er habe dem Chef umgehend "wichtige Untersuchungsergebnisse mitzuteilen".



Sensibel für Lügen


Isabell Krone, Personalleiterin von Tele Atlas Deutschland, ist sich sicher, dass ihre Mitarbeiter so leicht nicht auf Lügengeschichten hereinfallen würden. "Unsere Leute sind sensibilisiert", sagt Krone. "Wir machen regelmäßig Auffrischungsstrainings, um die Wachsamkeit hoch zu halten." Zudem belohnt das Unternehmen das Entlarven von Headhuntern: Für jeden gemeldeten Spion gibt es 50 Euro Fangprämie und eine lobende Erwähnung in der Hauszeitung.


Präzise Angaben über den betriebswirtschaftlichen Erfolg des Selbstschutzprogrammes kann Isabell Krone allerdings nicht machen. "Die Effektivität ist schwer zu messen", sagt sie. "Wir haben aber festgestellt, dass die Zahl der Headhunter-Anrufe signifikant abgenommen hat. Und das ganze Projekt rechnet sich für uns schon dann, wenn nur eine einzige Abwerbung verhindert wird. "


Krones Einschätzung deckt sich mit einer Studie des Gallup-Instituts. Die Aufwendungen für die Rekrutierung eines Nachfolgers und die damit häufig verbundenen Produktionsausfälle während dessen Einarbeitungsphase wirken sich laut Studie enorm belastend aus. "Wenn eine Managementkraft ersetzt werden muss, kostet das den 2,4-fachen Lohn", sagt Curt Coffmann, Leiter des Bereichs Workplace Management Practise bei Gallup.



Kritik aus der Personalabteilung


Obwohl diese Zahlen eigentlich starke Argumente für Anti-Headhunting-Programme liefern sollten, werden diese Verteidigungsmaßnahmen in einigen Personalabteilungen kritisch gesehen. "Wenn Headhunter einen unserer Mitarbeiter kontaktieren wollen, dann schaffen sie das auch. Das können wir technisch nicht unterbinden", glaubt Stefan Suska, Sprecher des Finanzdienstleisters AWD. "Wir wollen auch keine absolute Kontrolle. Das hieße ja, wir würden unseren Mitarbeitern misstrauen. Das widerspräche der Philosophie unseres Unternehems."


Das Hightech-Unternehmen Jenoptik verzichtet nach eigener Auskunft gänzlich auf Defensivstrategien, und beim Softwareentwickler SAP hält man das Thema Headhunting schlicht für "nicht aktuell". Sprecher Markus Berner: "Anti-Headhunting ist nicht einmal Punkt 100 auf unserer Prioritätenliste. Wir legen mehr Wert auf gestalterische Dinge."


Auch Jürgen Below, Geschäftsführer des Personalberatungsunternehmens Kienbaum in Berlin, ist skeptisch. Und das nicht etwa, weil Below selbst ein Kopfjäger ist und seine Gegenspieler schwach reden möchte. "Wir Headhunter finden immer Möglichkeiten, Verbindungen zu Spitzenkräften herzustellen. Aber wir haben es verdammt schwer, wenn diese nicht wechseln wollen, weil es ihnen an ihrem Arbeitsplatz so gut gefällt."



© 2003 Financial Times Deutschland
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