Privilegien
Chauffeur für den Rentner
Karstadt muss seinem früheren Chef Walter Deuss nach einem Gerichtsurteil bestimmte Privilegien einräumen. Dabei kämpft der Handelskonzern noch immer mit Altlasten, für die Deuss mitverantwortlich ist.
Von Karl-Heinz Büschemann
Klarer hätte die Niederlage für den Karstadt-Quelle-Konzern kaum ausfallen können. Das Landgericht Essen gab am Freitag Walter Deuss, dem früheren Vorstandsvorsitzenden des Kaufhauskonzerns, in einem delikaten Prozess Recht.
Deuss hatte darauf geklagt, dass ihm das Unternehmen auch im Rentenalter die Überstunden für seinen von Karstadt entlohnten Fahrer bezahlt. Vier weitere Ex-Vorstände setzten durch, dass sie auch im Pensionsalter ihre Dienstwagen behalten dürfen. Begründung: So habe es der Konzern mit den Managern bei deren Ausscheiden vereinbart. „Solche Vereinbarungen kann man nicht einfach kündigen“, sagte Richter Harald Lütgebaucks.
Der Fall und das Urteil sorgen für Aufregung, auch und besonders bei den Beschäftigten des Krisen-Unternehmens. Denn in ihren Augen schaut es so aus, dass ein Manager wie Deuss, der zwanzig Jahre als Vorstand gut verdiente, sich im Ruhestand per Gerichtsbeschluss Privilegien sichert.
Schwer zu vermitteln
Der Karstadt-Verkäufer, der um seinen Arbeitsplatz fürchten muss, wird das nur schwer verstehen. Schließlich ist der ehemalige Chef, der sich auf Kosten des Konzerns gern in einer BMW-Limousine zur Jagd ins Bergische Land kutschieren lässt, mit verantwortlich dafür, dass bei Karstadt-Quelle heute 25.000 Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren.
„Das Verfahren ist ganz bitter für die Beschäftigten und moralisch verwerfbar“, klagte der Gesamtbetriebsrat unlängst.
Die Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft stehen derzeit in keinem sonderlich guten Ruf und der Fall Deuss dürfte die Kritiker noch bestätigen. Manager gelten in diesem Land oftmals als abgebrühte Typen, die auch bei schlechten Leistungen hoch bezahlt werden.
Für Verdruss sorgt auch, dass die Managerbezüge stetig steigen, während die Einkommen vieler Arbeitnehmer mit Durchschnittslohn stagnieren oder gar sinken. Das Misstrauen gegenüber dem Personal in den Führungsetagen wird zudem dadurch geschürt, dass sich noch immer viele Unternehmen weigern, die Bezüge ihrer Spitzenkräfte offen zu legen.
Bei aller Erregung über die Karstadt-Pensionäre bleibt aber wahr, dass der Karstadt-Aufsichtsrat seinen Ex-Vorständen die großzügigen Ruhestandsbezüge genehmigt hat.
Gewerkschafter sitzen mit am Tisch
Wer auf die Privilegien von Managern schimpft, muss berücksichtigen, dass die Aufsichtsräte oft bereit sind, große Summen für Gehälter, Abfindungen oder Ruhestandsregelungen auszugeben. Leider machen in den Aufsichtsgremien oft die Vertreter von Gewerkschaften mit, die ansonsten gern die Maßlosigkeit von Managern wie Deuss und Co beklagen.
Es fehlt noch immer an der Kontrolle in den Aufsichtsräten. Anders wären viele Super-Gehälter und Nebenbezüge nicht denkbar. Das Argument, die Spitzenmanager müssten sich im globalen Wettbewerb bewähren und auf internationalem Niveau bezahlt werden, greift aber nicht.
Diese Konkurrenz der Spitzenkräfte gibt es allenfalls in Ansätzen. Nur wenige Deutsche haben es bisher in die Spitze internationaler Konzerne geschafft – und in den deutschen Führungsgremien gibt es nur wenige Ausländer. Die Vorstands-Etagen hierzulande sind noch immer gut geschützte Biotope, in denen sich ein kleiner Kreis enger Freunde gegenseitig schützen und versorgen kann, bis hinein in die Pension.
(SZ vom 11.02.06)
Q: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/2/69932/
Gr.