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Der frühere Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) ist sich sicher, "dass wir bei Griechenland an einem Schuldenschnitt unter Einbeziehung der Gläubiger nicht vorbei kommen."
"Da dürfte BMW nach unten rauschen wie Stein im Wasser"
dazu kommt
Staatsbankeninitiative
US-Schuldenstaaten revoltieren gegen Wall Street
Von Markus Gärtner, Vancouver
Das ist verblüffend: Ausgerechnet das kapitalistische Amerika geht gegen seine Bankenriesen auf die Barrikaden. Gouverneure, Unternehmer und Finanzbeamte erwägen, ihr Geld von den Wall-Street-Banken abzuziehen - in der Hoffnung auf einen kräftigen Schub für die Wirtschaft im US-Hinterland.
Vancouver - In Amerikas Hinterland braut sich ein Aufstand von oben gegen die Wall Street zusammen. In acht Bundesstaaten - darunter Washington, Louisiana, Massachusetts und Kalifornien - bereiten die Parlamente die Gründung staatlicher Geschäftsbanken vor. Die Ironie ist kaum zu überbieten: Das kapitalistische Amerika - von Boston, über Seattle bis ins ferne Hawaii - will seine regionalen Finanzen den großen Privatbanken entreißen und selbst verwalten.
Davon versprechen sich die schwer verschuldeten Staaten mehr Kredite für die lokale Wirtschaft, niedrigere Refinanzierungskosten sowie stetig in den Staatssäckel zurück strömende Gewinne. Auslöser ist eine wachsende Unzufriedenheit über große Geschäftsbanken, die - so zumindest die Wahrnehmung - in der Finanzkrise mit Steuergeld gerettet wurden, sich dann selbst mit großzügigen Boni belohnten und dem Mittelstand den Geldhahn abdrehten.
Die junge Bewegung, die nicht von der Straße ausgeht, sondern von regionalen Finanzbeamten, Unternehmern und Gouverneuren getragen wird, gewinnt derzeit schnell an Zulauf. "Quer durch die USA kämpfen die Regierungen mit riesigen Etatlöchern und klaffenden Fehlbeträgen im Pensionssystem", sagt Mike Kraus, der ehemalige Finanzchef des Bezirks Bucks County in Pennsylvania, "aber es gibt eine Lösung, um die Staatsfinanzen auch ohne höhere Steuern wieder zu stabilisieren: Das sind staatliche Banken". In Kalifornien hat dieser staatliche Protest den Namen "AB 750". So heißt die Vorlage, die in der vergangenen Woche durch den Senat gewinkt wurde und eine Kommission ins Leben ruft, die die Eröffnung einer Staatsbank prüfen wird.
"Kalifornien ist die größte Volkswirtschaft in den Vereinigten Staaten", klagt der Wirtschaftsprofessor Timothy Canova an der Chapman-Universität in Orange, Kalifornien, "aber wir sind nicht in der Lage, hunderte von Milliarden Dollar an Staatseinkünften in unsere eigene Wirtschaft zu lenken, weil wir das Geld bei großen Privatbanken deponieren, die damit spekulieren und am Ende mit Derivaten sogar gegen die Anleihen von Kalifornien wetten".
Geld von den dominanten Wall-Street-Banken abziehen
So kann man das auch in der Studie "Banking on America" nachlesen, die im Juni herauskam und analysiert, "wie staatliche Banken die regionalen Volkswirtschaften in den USA wiederbeleben könnten". Das Papier wurde von Jason Judd, einem Mittelständler aus Maryland, und Heather McGhee, der Direktorin der Research-Organisation Demos, geschrieben. Demos hat sich die Rückkehr zu einer direkteren Demokratie und zu mehr sozialem Ausgleich auf die Fahne geschrieben.
Das Bankenpapier von McGhee und Judd kommt gleich in der ersten Zeile auf den Punkt: "Im ganzen Land erwägen regionale Regierungen, Geld von den dominanten Wall-Street-Banken abzuziehen und zum Nutzen der lokalen Wirtschaft einzusetzen". An diesen Schwenk knüpfen sich große Hoffnungen, was den Kampf gegen die Defizite angeht. Was möglich scheint, hat kürzlich das Center on Budget and Policy Priorities in Washington ausgerechnet. Als Referenz diente Amerikas einzige Staatsbank, die 1919 gegründete Bank of North Dakota. Resultat der vorläufigen Schätzung: Das Budgetdefizit in Hawaii könnte pro Jahr um knapp 15 Prozent reduziert werden, der Fehlbetrag in New Mexico immerhin um 19 Prozent.
Solch rosige Aussichten verschärfen die Kritik an den Wall Street-Banken. Gnadenlos wird in "Banking on America" die Konzentration in der Branche gegeißelt, und auch die negativen Auswirkungen der fortgeschrittenen Konsolidierung auf die regionalen Ökonomien im Hinterland. "Die Politiker in Washington haben das Bankengewerbe völlig umgekrempelt", heißt es dort, "die fünf größten Banken kontrollieren jetzt mehr Einlagen als die 45 nächstgrößeren Kreditinstitute zusammen". Mehr noch: Die vier größten Banken im Land hätten zwischen 2007 und 2010 ihre Kreditausleihungen an den Mittelstand um 53 Prozent gedrosselt. Die Zahl der Sparkassen und Kooperativen in den USA habe sich seit Mitte der 90er Jahre um über 30 Prozent auf jetzt 6600 reduziert.
Dieser Befund hat auch den obersten Kassenhüter von Oregon, Ted Wheeler, auf den Plan gerufen: "Weil kleine Banken keine Kredite mehr vergeben können und die Wall Street-Banken wieder Rekordgewinne ausweisen - wobei der Mittelstand hinten runter fällt - müssen wir uns fragen, wie wir den Kapitalfluss wieder herstellen können", sagt Wheeler. Seine Kritik garniert er mit einem vielsagenden Hinweis: "Der Bundesstaat Oregon muss in seinem schwierigsten Finanzjahr 13,5 Mio. Dollar Zinsen an die Bank of America, Morgan Stanley und JP Morgan Chase überweisen, für Derivate, mit denen die Infratsruktur finanziert wurde. Damit will der regionale Kassenwart aus Oregon sagen: Mit einer Staatsbank wären keine hohen Gebühren und nur sehr niedrige Zinsen fällig geworden.
2. Teil: Bank of North Dakota avanciert zum Medienstar
Aus diesem Grund wird derzeit in den USA - trotz der Turbulenzen an der Wall Street und den Gerüchten um eine schwache Kapitalausstattung der Bank of America - kein Institut genauer unter die Lupe genommen als die Bank of North Dakota. Die 92 Jahre alte Staatsbank macht seit ihrer Gründung Gewinne. Sie wurde in der ersten großen Agrarkrise des vergangenen Jahrhunderts gegründet, um die Bauern mit Kapital zu versorgen, damit sie trotz kollabierender Einnahmen die Saat für die nächste Ernte kaufen konnten. Der Bundesstaat North Dakota deponiert in dem Institut seine Steuereinnahmen. Dafür verpflichtet sich die Bank, so viele Kredite wie möglich an lokale Unternehmen auszureichen. Dafür gibt es strenge Regeln. Die Bilanzen werden von unabhängigen Prüfern und vom Bundesstaat regelmäßig eingesehen.
Ein spezielles Programm sieht die Beteiligung der Staatsbank an Krediten lokaler Sparkassen und anderer "Community Banks" für die regionale Wirtschaft vor. Das soll Partnerschaft statt Konkurrenz gewährleisten und den kleinen Geschäftsbanken mehr Kapital für weitere Kredite zur Verfügung stellen. Die Bank of North Dakota expandierte ihr Kreditvolumen in den drei Jahren bis 2010 um 35 Prozent, während die Wall Street-Banken ihre Ausleihungen an den Mittelstand um 53 Prozent drosselten.
In den vergangenen zehn Jahren "hat das staatliche Institut 300 Millionen Dollar Gewinne an die Staatskasse von North Dakota überwiesen", berichtet der CEO der Bank, Eric Hardmeyer. Laut Hardmeyer konnte sein Haus im vergangenen Jahr das Eigenkapital mit satten 19 Prozent verzinsen. In der US-Finanzbranche lag dieser Wert im zweiten Quartal 2011 durchschnittlich bei 7,65 Prozent, war also weniger als halb so hoch. Das kann man im jüngsten Vierteljahresbericht der US-Einlagensicherung FDIC nachlesen. Dort steht auch, dass die Durchschnittsverzinsung des Eigenkapitals in der Branche selbst im Rekordjahr 2006 bei 12,3 Prozent lag, ein sattes Drittel weniger als bei der Bank of North Dakota.
Die Pflicht dieser Staatsbank, kleinere Privatbanken bei Krediten an Mittelstand zu unterstützen, hat laut "Banking on America" der lokalen Geldbranche geholfen. Nicht so im Rest von Amerika: "Im ganzen Land hat die fortschreitende Konsolidierung die Auswahlmöglichkeiten der Bankkunden verringert", heißt es in dem Bericht, "doch North Dakota hat heute mehr Kleinbanken als Hawaii, Maine und New Hampshire zusammen, obwohl es dort sechs Mal so viele Einwohner gibt".
Weniger Arbeitslosigkeit als in Alaska
In einem Vergleich des Instituts für öffentliche Banken in Amerika - es ist ein Kind der wachsenden Protestwelle gegen die Wall Street - werden die Unterschiede deutlich: Während die Kreditvergabe der Staatsbank in North Dakota im Volumen 74,33 Prozent ihres Eigenkapitals entspricht, liegt der Schnitt der Branche in den USA bei 68 Prozent. Beim Kreditumfang je Einwohner kommt North Dakota auf 20.074 Dollar, mehr als drei Mal so viel wie der US-Durchschnitt, der bei 6467 Dollar liegt.
Kritiker und Bankenlobbyisten, die im ganzen Land vehement gegen die drohenden Staatsbanken mobil machen, verweisen auf den Ölreichtum in North Dakota. Das schwarze Gold sei verantwortlich für die rekordniedrige Arbeitslosigkeit und die Budgetüberschüsse im Bundesstaat, sagen sie, nicht die Staatsbank. Doch das Public-Banking-Instituts hält dagegen: "Alaska hat etwa so viele Einwohner wie North Dakota und fördert fast zwei Mal so viel Öl, trotzdem hat Alaska 7,7 Prozent Arbeitslosigkeit".
Zum Vergleich: Die Arbeitslosenrate in North Dakota ist mit 3,3 Prozent nicht einmal halb so hoch wie im Ölstaat Alaska. Ähnlich gut schneidet North Dakota auch im direkten Vergleich mit Montana ab, das wegen der rasant zunehmenden Ausbeutung des Bakken-Vorkommens derzeit einen Ölboom erlebt.
3. Teil: Wut und glänzende Augen im US-Hinterland
Solche Hinweise machen auf gestresste Kämmerer in ganz Amerika derzeit mächtig Eindruck. Denn laut Ted Wheeler mussten im jüngsten Finanzjahr 46 Staaten der USA ihre öffentlichen Leistungen kürzen, also ausgerechnet zu einer Zeit sparen, in der mehr staatliche Dienstleistungen mehr nachgefragt werden, als sonst. "Dieser verheerende Zyklus hat noch nicht aufgehört, obwohl sich die Banken, die die Große Rezession auslösten, schon erholen", heißt es dazu im Bericht "Banking on America".
Bei den laufenden Anhörungen in den acht regionalen Parlamenten der USA hört man derzeit sehr ähnliche Argumente. Jason Judd wies die Abgeordneten in Maryland im Frühjahr darauf hin, dass "zwei Bankengiganten ein Drittel aller Einlagen in dem Bundesstaat halten, während es vor der Finanzkrise 25 Prozent waren". Die fünf größten Kreditgeber halten demnach 57 Prozent aller Einlagen, und keines der Geldhäuser stammt aus Maryland. Der Bundesstaat prüft bereits mit einer eigens gegründeten Kommission den Einsatz einer Staatsbank. Hier heißt die entsprechende Gesetzes-Initiative "House Bill 1066".
Den Parlamentariern in Washington, wo das Reformpaket "House Bill 1320" genannt wird, hat das Center for State Innovation in Madison, Wisconsin, eine äußerst attraktive Rechnung aufgemacht: Für jeden Prozentpunkt, den die Kreditmenge im Vergleich zum Eigenkapital einer örtlichen Staatsbank zunehmen würde, könnten 1400 Arbeitsplätze geschaffen werden. Da bekommen Kassenwarte in der Provinz glänzende Augen.
www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/...,787493-3,00.html
Die Gedanken hier geben nur meine Meinung wider.
Sprecht mit eurem Finanzberater darüber...