Luftfahrt im Sinkflug

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Luftfahrt im Sinkflug

 
18.09.01 11:14
Von Ronald Tietjen  


Aderlass in Luftfahrt beginnt erst  

   
Was jetzt passiert, wäre sowieso passiert. Nur nicht mit dieser gnadenlosen Geschwindigkeit. Die Terroranschläge in den USA haben die Welt durchgeschüttelt. Auch und gerade die vielen kleinen und großen Luftfahrtgesellschaften. Die flaue Konjunktur legte schon vorher die Schwächen vieler Airlines offen, die Anschläge selbst werden global notwendige Allianzen, Fusionen und nicht zuletzt Unternehmenspleiten forcieren. Eine Branche im Umbruch.  Ronald Tietjen  

 

Die Hausse für die Airlines ist vorbei. Bis zu neun Prozent jährliches Wachstum seit 1995 hatte viele Konzernführer zu leichtsinnigen Expansionsstrategien verführt. Immer größer, immer exklusiver, immer protziger. Die Weltflugherrschaft wollte erobert werden. Doch als die Konjunktur in den Sinkflug ging, zerstoben alle Firstclass-Träume. Schon vor dem Anschlag war der globale Nettogewinn der Airlines gegenüber Mitte der 90er Jahre um rund 70 Prozent gesunken. Doch das registrierten nur die wengisten. In Europa fiel der Nettogewinn laut Angaben der Association of European Airlines von über 2,3 Milliarden Dollar 1997 auf nur noch 100 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. Dennoch konnten große Gesellschaften wie Lufthansa und andere noch mit Rekordgewinnen protzen. Ein letztes Halali.

US-Airlines sind besonders getroffen

Der Terror und der Antiterror wird diesen Prozess beschleunigen. Wen wird es treffen und wie? Unstrittig wird der Umbruch in den USA besonders hart werden. Pleiten inbegriffen. Möglich, dass die fünftgrößte amerikanische Fluggesellschaft Continental Airlines der kleinen Midway Airline folgt, die nur Stunden nach dem Anschlag Konkurs anmeldete. Vorsorglich zeichnet Continental-Chef Gordon Bethune schon ein düsteres Bild, spricht von einer "beispiellosen finanziellen Krise" und sieht den "Untergang der nationalen Luftfahrt". Soweit wird es wohl nicht kommen, was aber nicht heißt, dass Continental überlebt. Denn die waren schon vor dem Anschlag in hausgemachter Not. Unterstellte man Bethune Böses, dann müsste man annehmen, er nutze das Verbrechen um von eigener Führungsschwäche abzulenken.

Gewaltiger Aderlass droht

Tatsache ist, dass die aktuelle Krise ein gewaltiger Aderlass für die Fluggesellschaften der USA darstellt. Täglich verlieren sie rund 300 Millionen Dollar durch gestrichene Flugpläne und gesunkene Passagierzahlen, nicht eingerechnet Zusatzkosten für höhere Sicherheitsleistungen und steigende Versicherungsprämien. Milliardenprozesse, die American Airlines und United Airlines drohen, drücken zusätzlich auf die Branche. Insider rechnen darum in den nächsten Monaten mit einem weiteren Ausleseprozess, viele kleine Fluggesellschaften werden vom Markt verschwinden, Fusionen aus der Not heraus sind wahrscheinlich. Auch interkontinentale Zusammenschlüsse. Schon wird spekuliert, dass eines der US-Sorgenkinder Delta Airlines ganz nahe an die Air France rücken könnte.

Die Auslese beginnt

Dabei ist Europa schon lange kein Kontinent der weißen Ritter mehr. Schon vor den Terroranschlägen kämpften hier Fluggesellschaften um die nackte Existenz, jetzt sind sie ein Fall für den Insolvenzverwalter. Viele, die bisher von ihren Regierungen künstlich am Leben erhalten wurden, befördert die Krise nach der Krise ins Koma. Darunter so klangvolle Namen wie die stolze griechische Olympic Airways, die ungarische Matev, die Turkish Airlines oder die belgische Sabena. Ihnen allen droht der letzte Take-off. Doch der Kollaps bedroht längst auch prominentere Opfer. KLM und Alitalia sind allein kaum noch geschäftsfähig. Swissair drücken 15 Milliarden Franken Schulden. Auch sie werden ohne einen starken Kompagnon an ihrer Seite in schwere Turbulenzen geraten.

Nur drei starke Gesellschaften in Europa

Starke Partner zu finden ist aber derzeit so einfach, wie Butternudeln in eine Betonwand zu rammen. Letztlich finden sich in Europa noch die Deutsche Lufthansa, die Air France und British Airways, die die Bezeichnung Stärke verdienen. Nur diese drei Fluggesellschaften haben aufgrund ihrer Finanzkraft eine Perspektive, wenn auch eine sehr langfristige. Und sie könnten sogar irgendwann von der Krise profitieren. Denn der Schrottplatz der maroden Airlines weltweit lädt ja geradezu zum Ausschlachten ein. Zwar sieht die Lufthansa derzeit noch kein Land, will sich daher auch nicht konkret zu Auswirkungen der Branchenschwäche äußern. Doch macht Konzernchef Jürgen Weber schon deutlich, dass am Transportmittel Flugzeug auf Dauer kein Weg vorbeiführt. Zehn Millionen Mark Umsatzverlust pro Tag sind für die Kraniche schmerzhaft, aber eben auch nicht existenzgefährdent. Das ist doch schon was in diesen gefährlichen Tagen.
Stand:18.09.2001



Schmuggler
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Massenentlassungen bei Boeing Der US-Flugzeugherst

 
19.09.01 13:32
Massenentlassungen bei Boeing Der US-Flugzeughersteller
Boeing hat die Entlassung von bis zu 30.000 Mitarbeitern angekündigt. Unterdessen plant die US-Regierung ein finanzielles Hilfspaket für die Fluggeselschaften.
Die Krise in der Luftfahrtindustrie in Folge der Terroranschläge von New York und Washington hat auch den Flugzeughersteller Boeing erreicht. Das Unternehmen wird wegen der Terroranschläge Tausende Mitarbeiter entlassen. Es werde mit zahlreichen Abbestellungen durch die weltweit in der Krise steckenden Fluggesellschaften gerechnet, teilte das Unternehmen am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington mit. Deshalb müsse die Produktion nach unten gefahren werden. Bis Ende kommenden Jahres sollten 20.000 bis 30.000 Stellen gestrichen werden.
Bei den Terroranschlägen am 11. September hatten die Entführer vier Boeing-Maschinen gekapert. Seitdem steckt die gesamte Flugbranche in einer Krise. Zahlreiche Airlines verkündeten schon Streckenstreichungen und massive Entlassungen.
Weniger Bestellungen

"Es ist äußerst wichtig, dass wir schon jetzt Maßnahmen zur Drosselung der Produktion ergreifen", erklärte der Chef der Zivilmaschinen-Sparte von Boeing, Alan Mulally. "Grund sind die Schwierigkeiten und Unsicherheiten für unsere Kunden - die Fluggesellschaften - nach den Anschlägen gegen die USA in der vergangenen Woche." Schon für dieses Jahr rechnet Boeing mit der Stornierung von 38 Aufträgen. Deshalb würden wahrscheinlich nur 500 Flugzeuge ausgeliefert. Für kommendes Jahr wird nun nur noch mit gut 400 Maschinen gerechnet, bisher sollten es über 500 sein. Die Streichungen betreffen nur den Zivilbereich, betonte das Unternehmen. Boeing beschäftigt insgesamt etwa 199.000 Mitarbeiter. Von der Entlassung sind nach Medienberichten 20 bis 30 Prozent der Arbeitskräfte im Bereich des kommerziellen Flugzeugbaus betroffen.
Boeing bedauert Folgen für die Beschäftigten
Mulally erklärte in Seattle, der Konzern bedaure die Auswirkungen der Pläne auf die Leben der betroffenen Beschäftigten. Boeing müsse sich aber den Bedingungen des Marktes anpassen. Für den kommerziellen Luftfahrtsektor arbeiten insgesamt etwa 93.000 Beschäftigte, viele davon im Großraum Seattle. Locke erklärte, die Nachricht von Boeing zeige, dass die US-Regierung die Luftfahrtindustrie nun schnell unterstützen müsse.
Mehrere amerikanische Fluggesellschaften haben bereits Entlassungen von mehr als 28.000 Mitarbeitern angekündigt, darunter insgesamt 23.000 bei der Continental Airlines und der US Airways. Die Continental Airlines geht davon aus, dass insgesamt 100.000 Beschäftigte in der Luftfahrtbranche ihre Stellen verlieren werden. United Airlines will 20.000 Mitarbeiter nach Hause schicken, berichtet die Online-Ausgabe der "New York Times". United ist weltweit die zweitgrößte Fluggesellschaft. Der Branchenführer American Airlines und die Northwest Airlines, die Nummer vier, wollen nach Angaben der Zeitung ebenfalls Entlassungen bekannt geben.
Hilfe aus Washington
Die US-Regierung bemühte sich unterdessen um schnelle Hilfe für die Industrie. Das Weiße Haus und Kongressführer einigten sich auf ein Hilfspaket in Höhe von 31,6 Mrd. DM, berichtete der Fernsehsender CNN. Das Hilfspaket könnte schon am Freitag dem Kongress vorgelegt werden, berichtete CNN. Damit soll den ohnehin angeschlagenen Fluggesellschaften für die Verluste nach den Terroranschlägen kompensiert und die neuen Sicherheitsmaßnahmen unterstützt werden.
Transportminister Norman Mineta sagte, das Paket werde Schnellhilfen wie auch eine langfristige Unterstützung umfassen. Auf lange Sicht fielen unter anderem Kosten bei Sicherheitsmaßnahmen und teure Versicherungen an. Die Fluggesellschaften hatten Gesamthilfen in Höhe von 24 Mrd. $ verlangt. Die deutsche Lufthansa plant im Gegensatz zu anderen Fluggesellschaften aber keine Entlassungen im Zuge der USA-Krise.
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