SPIEGEL ONLINE - 09. März 2002, 11:03
URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,186356,00.html
Kölner Klüngel
Spendenaffäre erreicht Bundes-SPD
Im Kölner SPD-Spendenskandal um den Bau einer fast eine Milliarde Mark teuren Müllverbrennungsanlage ist jetzt auch die Bundes-SPD betroffen. Eine Spur führt zum früheren SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Deutschen Bundestag, Karl Wienand.
DPA
SPD-Zentrale in Köln: Die Affäre zieht immer weitere Kreise
Hamburg - Seit vielen Jahren ist Wienand Berater des Unternehmens L & C Steinmüller, das die Anlage baute. Zudem berät er auch noch den nordrhein-westfälischen Müll-Entsorger Trienekens, der mit 25,1 Prozent am Kölner Müllofen-Betreiber AVG beteiligt ist. Firmenchef Hellmut Trienekens hat ausgesagt, Wienand habe vor einigen Jahren bei einem Treffen in Zürich 3,6 Millionen Mark bekommen, angeblich als Leistung für Beratungstätigkeiten. Unklar ist, was mit diesem Geld geschehen ist. Wienand bestätigte die Beratertätigkeiten, schwieg aber zu den Geldzahlungen.
Auf der Liste jener Parteimitglieder, die getürkte Spendenquittungen angenommen haben, stehen auch einige Bundestagsabgeordnete aus Köln und dem Umland. "Der eine oder andere", so ein hochrangiger Sozialdemokrat, könnte die Spendenquittung auch im Rahmen seiner Steuererklärung abgesetzt haben. Nach einer den Behörden vorliegenden Aufstellung "illegaler Spendeneinnahmen", die der mittlerweile aus der Partei ausgetretene frühere Kölner SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Rüther erstellt habe, gehe hervor, dass die SPD zwischen 1994 und Frühjahr 1999 etwa 650.000 Mark kassiert habe. Bislang hatten Sozialdemokraten nur rund 520.000 Mark eingestanden.
Müntefering geht in die Offensive
Mit harscher Kritik an den Kölner Sozialdemokraten hat die Bundes-SPD auf die Spendenaffäre in der Domstadt reagiert. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering drohte den Parteifreunden mit "deutlichen Konsequenzen". Gleichzeitig lehnte der frühere Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD erneut jede persönliche Verantwortung ab. Der innenpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte "gnadenlose Aufklärung".
Sollte der Kölner SPD in der Spendenaffäre ein Verstoß gegen das Parteiengesetz nachgewiesen werden, will Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dies nach den gleichen Maßstäben ahnden wie den CDU- Parteispendenskandal. "Ich werde mit der SPD nach dem Parteiengesetz verfahren, so wie das auch im Fall der CDU geschehen ist", sagte der SPD-Politiker am Rande eines Aufenthalts in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. "Aber das setzt natürlich eine vollständige Prüfung der Verdächtigen, ein Urteil voraus."
Erinnerungen an die Flick-Affäre
Müntefering bekräftigte in der "agdeburger Volksstimme" (Samstag): "Nein, ich hatte davon keine Kenntnis. ... Hier haben einige das Parteien- und Steuerrecht mit krimineller Energie umgangen." Wiefelspütz sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Samstag), der Schaden sei immens. "Das ganze erinnert an die Flick-Affäre."
Auswirkungen auf die Landtagswahlen am 21. April in Sachsen-Anhalt sieht Müntefering nach eigenen Worten nicht. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) äußerte sich in dem in Bonn erscheinenden "General-Anzeiger" (Samstag) so. "Wir haben mit der Kölner Affäre nichts zu tun", sagte er zur Begründung.
Nach Angaben des zurückgetretenen Kölner SPD-Schatzmeisters Manfred Biciste sollten weitere 50.000 Mark (rund 25.500 Euro) in die Parteikasse geschleust werden. Biciste sagte dem ZDF-Magazin "Frontal 21", der ehemalige Fraktionschef der Kölner SPD, Norbert Rüther, habe ihm Ende 1999 diese Summe in bar angeboten, damit er sie in Raten in den Finanzkreislauf der Partei schleuse. Er habe dies aber wegen der zwischenzeitlich bekannt gewordenen CDU-Spendenaffäre abgelehnt. Die 50.000 Mark hätten nach Rüthers Angaben von dem Unternehmer Helmut Trienekens gestammt und seien nicht in der bislang genannten Summe von 511.000 Mark enthalten.
Die Firma Trienekens spielt eine Schlüsselrolle im SPD- Spendenskandal. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Kölner Müllverbrennungsanlage sollen in den 90er Jahren nach Kölner SPD- Angaben rund 29 Millionen Mark über die Schweiz an der Steuer vorbeigeflossen sein. Davon will die Kölner SPD rund 511.000 Mark (261.000 Euro) erhalten haben.
Mindestens zwei Landtagsabgeordnete erstatteten Selbstanzeige
Unterdessen haben sich nach einem Bericht der "Rheinischen Post" (Samstag) mindestens zwei nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete der SPD bei der Oberfinanzdirektion Köln selbst angezeigt. Sie hätten eingeräumt, Spendenbelege eingereicht zu haben, ohne eigene Leistung erbracht zu haben. Weitere Parlamentarier stünden auf der Spenderliste. 38 Parteimitglieder sollen hohe Barspenden als unverdächtige kleinere Summen "gespendet" haben - gegen Quittung fürs Finanzamt.
Matthias Jung vom Vorstand der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen warnte die CDU/CSU vor der Hoffnung, aus dem Kölner Spendenskandal der SPD direkt Kapital schlagen zu können. "Die Kölner Affäre frischt automatisch auch die Erinnerung an das dunkle Kapitel der CDU auf", sagte Jung dem "Mannheimer Morgen" (Samstag).
Der Göttinger Parteiforscher Peter Lösche forderte in der "Nordwest-Zeitung" (Samstag) eine unabhängige Behörde zur Kontrolle der Parteien. Diese müsse staatsanwaltschaftliche Ermittlungsbefugnisse haben, sagte er.
URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,186356,00.html
Kölner Klüngel
Spendenaffäre erreicht Bundes-SPD
Im Kölner SPD-Spendenskandal um den Bau einer fast eine Milliarde Mark teuren Müllverbrennungsanlage ist jetzt auch die Bundes-SPD betroffen. Eine Spur führt zum früheren SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Deutschen Bundestag, Karl Wienand.
DPA
SPD-Zentrale in Köln: Die Affäre zieht immer weitere Kreise
Hamburg - Seit vielen Jahren ist Wienand Berater des Unternehmens L & C Steinmüller, das die Anlage baute. Zudem berät er auch noch den nordrhein-westfälischen Müll-Entsorger Trienekens, der mit 25,1 Prozent am Kölner Müllofen-Betreiber AVG beteiligt ist. Firmenchef Hellmut Trienekens hat ausgesagt, Wienand habe vor einigen Jahren bei einem Treffen in Zürich 3,6 Millionen Mark bekommen, angeblich als Leistung für Beratungstätigkeiten. Unklar ist, was mit diesem Geld geschehen ist. Wienand bestätigte die Beratertätigkeiten, schwieg aber zu den Geldzahlungen.
Auf der Liste jener Parteimitglieder, die getürkte Spendenquittungen angenommen haben, stehen auch einige Bundestagsabgeordnete aus Köln und dem Umland. "Der eine oder andere", so ein hochrangiger Sozialdemokrat, könnte die Spendenquittung auch im Rahmen seiner Steuererklärung abgesetzt haben. Nach einer den Behörden vorliegenden Aufstellung "illegaler Spendeneinnahmen", die der mittlerweile aus der Partei ausgetretene frühere Kölner SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Rüther erstellt habe, gehe hervor, dass die SPD zwischen 1994 und Frühjahr 1999 etwa 650.000 Mark kassiert habe. Bislang hatten Sozialdemokraten nur rund 520.000 Mark eingestanden.
Müntefering geht in die Offensive
Mit harscher Kritik an den Kölner Sozialdemokraten hat die Bundes-SPD auf die Spendenaffäre in der Domstadt reagiert. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering drohte den Parteifreunden mit "deutlichen Konsequenzen". Gleichzeitig lehnte der frühere Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD erneut jede persönliche Verantwortung ab. Der innenpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte "gnadenlose Aufklärung".
Sollte der Kölner SPD in der Spendenaffäre ein Verstoß gegen das Parteiengesetz nachgewiesen werden, will Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dies nach den gleichen Maßstäben ahnden wie den CDU- Parteispendenskandal. "Ich werde mit der SPD nach dem Parteiengesetz verfahren, so wie das auch im Fall der CDU geschehen ist", sagte der SPD-Politiker am Rande eines Aufenthalts in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. "Aber das setzt natürlich eine vollständige Prüfung der Verdächtigen, ein Urteil voraus."
Erinnerungen an die Flick-Affäre
Müntefering bekräftigte in der "agdeburger Volksstimme" (Samstag): "Nein, ich hatte davon keine Kenntnis. ... Hier haben einige das Parteien- und Steuerrecht mit krimineller Energie umgangen." Wiefelspütz sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Samstag), der Schaden sei immens. "Das ganze erinnert an die Flick-Affäre."
Auswirkungen auf die Landtagswahlen am 21. April in Sachsen-Anhalt sieht Müntefering nach eigenen Worten nicht. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) äußerte sich in dem in Bonn erscheinenden "General-Anzeiger" (Samstag) so. "Wir haben mit der Kölner Affäre nichts zu tun", sagte er zur Begründung.
Nach Angaben des zurückgetretenen Kölner SPD-Schatzmeisters Manfred Biciste sollten weitere 50.000 Mark (rund 25.500 Euro) in die Parteikasse geschleust werden. Biciste sagte dem ZDF-Magazin "Frontal 21", der ehemalige Fraktionschef der Kölner SPD, Norbert Rüther, habe ihm Ende 1999 diese Summe in bar angeboten, damit er sie in Raten in den Finanzkreislauf der Partei schleuse. Er habe dies aber wegen der zwischenzeitlich bekannt gewordenen CDU-Spendenaffäre abgelehnt. Die 50.000 Mark hätten nach Rüthers Angaben von dem Unternehmer Helmut Trienekens gestammt und seien nicht in der bislang genannten Summe von 511.000 Mark enthalten.
Die Firma Trienekens spielt eine Schlüsselrolle im SPD- Spendenskandal. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Kölner Müllverbrennungsanlage sollen in den 90er Jahren nach Kölner SPD- Angaben rund 29 Millionen Mark über die Schweiz an der Steuer vorbeigeflossen sein. Davon will die Kölner SPD rund 511.000 Mark (261.000 Euro) erhalten haben.
Mindestens zwei Landtagsabgeordnete erstatteten Selbstanzeige
Unterdessen haben sich nach einem Bericht der "Rheinischen Post" (Samstag) mindestens zwei nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete der SPD bei der Oberfinanzdirektion Köln selbst angezeigt. Sie hätten eingeräumt, Spendenbelege eingereicht zu haben, ohne eigene Leistung erbracht zu haben. Weitere Parlamentarier stünden auf der Spenderliste. 38 Parteimitglieder sollen hohe Barspenden als unverdächtige kleinere Summen "gespendet" haben - gegen Quittung fürs Finanzamt.
Matthias Jung vom Vorstand der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen warnte die CDU/CSU vor der Hoffnung, aus dem Kölner Spendenskandal der SPD direkt Kapital schlagen zu können. "Die Kölner Affäre frischt automatisch auch die Erinnerung an das dunkle Kapitel der CDU auf", sagte Jung dem "Mannheimer Morgen" (Samstag).
Der Göttinger Parteiforscher Peter Lösche forderte in der "Nordwest-Zeitung" (Samstag) eine unabhängige Behörde zur Kontrolle der Parteien. Diese müsse staatsanwaltschaftliche Ermittlungsbefugnisse haben, sagte er.