WAHLKAMPF MIT ZUWANDERUNG
Stoiber greift zum Nothammer
Die Union versucht mit offenbar zunehmender Verzweiflung, die Stimmung eine Woche vor der Bundestagswahl noch einmal zu ihren Gunsten zu wenden. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) will jetzt die Zuwanderung zum Wahlkampfthema machen - und erntet heftige Proteste.
Edmund Stoiber: auf Stimmenfang mit Zuwanderungs- Kampagne
Berlin - Die Union will trotz heftiger Kritik von Rot-Grün das Thema Zuwanderung in den Mittelpunkt der letzten Wahlkampfwoche stellen. "Hätte Rot-Grün ein Gesetz zur Begrenzung der Zuwanderung vorgelegt, wäre das Thema erledigt", sagte Stoiber. Er reagierte auf eine Warnung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die Ausländerpolitik zum Wahlkampfthema zu machen. "Das wäre ein Akt der Verzweiflung und würde den inneren Frieden in Frage stellen", sagte der Kanzler im SPIEGEL-Gespräch. Die Grünen warfen der Union einen "schäbigen Kurswechsel" vor.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kündigte an, er werde am Montag mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) ein "Sofortprogramm Zuwanderung" vorstellen. Die Union werde im Fall eines Wahlsieges Teile des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes "sofort kassieren", so Beckstein gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Zuvor waren Meinungsumfragen bekannt geworden, die eine Woche vor der Bundestagswahl am 22. September für Rot-Grün zum ersten Mal seit Monaten eine Mehrheit sahen. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die Union werde bei der Zuwanderung die Verbindung zum Arbeitsmarkt und Defizite der Integration hervorheben.
Beckstein will Punktesystem kippen
Beckstein warf Rot-Grün vor, das im Frühjahr in einer tumultartigen Sitzung des Bundesrates verabschiedete Gesetz weite die Zuwanderung massiv aus. Die Union werde das Auswahlverfahren, wonach die Zuwanderung von Ausländern nach einem Punktesystem geregelt wird, nach einem Wahlsieg beseitigen. Er sprach von einem Herzstück des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes, "das unabhängig vom arbeitsmarktpolitischen Bedarf und ohne Vorliegen eines Arbeitsplatzangebots die Zuwanderung ermöglicht".
Zudem wolle die Union für neu einreisende und bereits hier lebende Ausländer ein "umfassendes Integrationskonzept" entwickeln. Beckstein ist im Wahlkampfteam von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) als Innenexperte vertreten und soll im Fall eines Wahlsiegs das Amt des Innenministers übernehmen.
Merkel sagte, Zuwanderung sei nicht ein "rechtes, sondern ein soziales Thema". "Denn nicht die Besserverdienenden müssen zusätzlich die Last der Integration erbringen, sondern die sozial Schwächeren in den städtischen Problembezirken."
Schröder: "Akt der Verzweiflung"
Bundeskanzler Schröder warnte die Union davor, die Tonart in der Zuwanderungspolitik zu verschärfen. Bislang sei nicht der Versuch gemacht worden, auf dem Rücken von Menschen, die sich nicht wehren könnten, Wahlkampf zu machen. "Ich hoffe, dass sich die vernünftigen Kräfte in der Union durchsetzen", sagte Schröder dem SPIEGEL.
SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler warf Kanzlerkandidat Stoiber vor, dieser greife "zu dreisten Lügen" über das Zuwanderungsgesetz. Nicht die Zuwanderung, sondern ihre Begrenzung stehe im Mittelpunkt des Gesetzes. Inländer hätten absoluten Vorrang bei Arbeitsplätzen und Qualifizierungsmaßnahmen.
Stoiber hatte im Bundestag das rot-grüne Zuwanderungsgesetz scharf angegriffen und der Regierung vorgeworfen, für einen Zuwachs an Einwanderern nach Deutschland zu sorgen. Das sei angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verkraften.
Grünen-Parteichefin Claudia Roth übte scharfe Kritik an der Union. Stoiber zeige "mit dem Rücken zur Wand doch noch sein wahres Gesicht", erklärte sie in Berlin. Es sei verantwortungslos, Arbeitslose gegen Flüchtlinge und Migranten auszuspielen. Rot-Grün habe eine moderne Einwanderungspolitik zum Gesetz gemacht, durch die auch neue Arbeitsplätze entstünden. "Nicht ohne Grund haben ja auch die Wirtschaft und die Gewerkschaften wie übrigens auch die Kirchen dem rot-grünen Zuwanderungsgesetz zugestimmt", sagte Roth.
Über das Zuwanderungsgesetz war es Ende März im Bundesrat zum Eklat gekommen, weil Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) die uneinheitliche Stimmabgabe des SPD-CDU-regierten Brandenburgs als Ja gewertet hatte. Das Gesetz erhielt dadurch eine knappe Mehrheit. Bundespräsident Johannes Rau setzte das Gesetz dennoch in Kraft, empfahl aber die Überprüfung des Bundesrats-Verfahrens durch das Bundesverfassungsgericht. Mehrere Unions-regierte Länder hatten daraufhin im Juli Klage in Karlsruhe eingereicht.
Stoiber greift zum Nothammer
Die Union versucht mit offenbar zunehmender Verzweiflung, die Stimmung eine Woche vor der Bundestagswahl noch einmal zu ihren Gunsten zu wenden. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) will jetzt die Zuwanderung zum Wahlkampfthema machen - und erntet heftige Proteste.
Edmund Stoiber: auf Stimmenfang mit Zuwanderungs- Kampagne
Berlin - Die Union will trotz heftiger Kritik von Rot-Grün das Thema Zuwanderung in den Mittelpunkt der letzten Wahlkampfwoche stellen. "Hätte Rot-Grün ein Gesetz zur Begrenzung der Zuwanderung vorgelegt, wäre das Thema erledigt", sagte Stoiber. Er reagierte auf eine Warnung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die Ausländerpolitik zum Wahlkampfthema zu machen. "Das wäre ein Akt der Verzweiflung und würde den inneren Frieden in Frage stellen", sagte der Kanzler im SPIEGEL-Gespräch. Die Grünen warfen der Union einen "schäbigen Kurswechsel" vor.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kündigte an, er werde am Montag mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) ein "Sofortprogramm Zuwanderung" vorstellen. Die Union werde im Fall eines Wahlsieges Teile des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes "sofort kassieren", so Beckstein gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Zuvor waren Meinungsumfragen bekannt geworden, die eine Woche vor der Bundestagswahl am 22. September für Rot-Grün zum ersten Mal seit Monaten eine Mehrheit sahen. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die Union werde bei der Zuwanderung die Verbindung zum Arbeitsmarkt und Defizite der Integration hervorheben.
Beckstein will Punktesystem kippen
Beckstein warf Rot-Grün vor, das im Frühjahr in einer tumultartigen Sitzung des Bundesrates verabschiedete Gesetz weite die Zuwanderung massiv aus. Die Union werde das Auswahlverfahren, wonach die Zuwanderung von Ausländern nach einem Punktesystem geregelt wird, nach einem Wahlsieg beseitigen. Er sprach von einem Herzstück des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes, "das unabhängig vom arbeitsmarktpolitischen Bedarf und ohne Vorliegen eines Arbeitsplatzangebots die Zuwanderung ermöglicht".
Zudem wolle die Union für neu einreisende und bereits hier lebende Ausländer ein "umfassendes Integrationskonzept" entwickeln. Beckstein ist im Wahlkampfteam von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) als Innenexperte vertreten und soll im Fall eines Wahlsiegs das Amt des Innenministers übernehmen.
Merkel sagte, Zuwanderung sei nicht ein "rechtes, sondern ein soziales Thema". "Denn nicht die Besserverdienenden müssen zusätzlich die Last der Integration erbringen, sondern die sozial Schwächeren in den städtischen Problembezirken."
Schröder: "Akt der Verzweiflung"
Bundeskanzler Schröder warnte die Union davor, die Tonart in der Zuwanderungspolitik zu verschärfen. Bislang sei nicht der Versuch gemacht worden, auf dem Rücken von Menschen, die sich nicht wehren könnten, Wahlkampf zu machen. "Ich hoffe, dass sich die vernünftigen Kräfte in der Union durchsetzen", sagte Schröder dem SPIEGEL.
SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler warf Kanzlerkandidat Stoiber vor, dieser greife "zu dreisten Lügen" über das Zuwanderungsgesetz. Nicht die Zuwanderung, sondern ihre Begrenzung stehe im Mittelpunkt des Gesetzes. Inländer hätten absoluten Vorrang bei Arbeitsplätzen und Qualifizierungsmaßnahmen.
Stoiber hatte im Bundestag das rot-grüne Zuwanderungsgesetz scharf angegriffen und der Regierung vorgeworfen, für einen Zuwachs an Einwanderern nach Deutschland zu sorgen. Das sei angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verkraften.
Grünen-Parteichefin Claudia Roth übte scharfe Kritik an der Union. Stoiber zeige "mit dem Rücken zur Wand doch noch sein wahres Gesicht", erklärte sie in Berlin. Es sei verantwortungslos, Arbeitslose gegen Flüchtlinge und Migranten auszuspielen. Rot-Grün habe eine moderne Einwanderungspolitik zum Gesetz gemacht, durch die auch neue Arbeitsplätze entstünden. "Nicht ohne Grund haben ja auch die Wirtschaft und die Gewerkschaften wie übrigens auch die Kirchen dem rot-grünen Zuwanderungsgesetz zugestimmt", sagte Roth.
Über das Zuwanderungsgesetz war es Ende März im Bundesrat zum Eklat gekommen, weil Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) die uneinheitliche Stimmabgabe des SPD-CDU-regierten Brandenburgs als Ja gewertet hatte. Das Gesetz erhielt dadurch eine knappe Mehrheit. Bundespräsident Johannes Rau setzte das Gesetz dennoch in Kraft, empfahl aber die Überprüfung des Bundesrats-Verfahrens durch das Bundesverfassungsgericht. Mehrere Unions-regierte Länder hatten daraufhin im Juli Klage in Karlsruhe eingereicht.