Seit Mitte März vermitteln die Finanzmärkte einen zwiespältigen Eindruck -Gastkommentar von Michael Margules
Seit Mitte März vermitteln die Finanzmärkte einen zwiespältigen Eindruck: Auf der einen Seite erleben die Aktienmärkte ihre bisher längste und auch kräftigste Erholungsphase seit Beginn des Bärenmarkts im März 2000. Anderseits hat sich auch der inzwischen bereits dreijährige Höhenflug der „sicheren“ Staatsanleihen nochmals akzentuiert - allen Warnungen vor einem baldigen „Platzen der Bondblase“ oder jähen „Zuschnappen der Zinsfalle“ quasi zum Trotz!
Zwiespältiges Erwartungsmuster.....
Während also die Börsenentwicklung bereits sehr viel Zuversicht, gestützt auf die expansive Geld- und Fiskalpolitik insbesondere der Vereinigten Staaten respektive der amerikanischen Notenbank unter Führung von Alan Greenspan, reflektiert und darauf schließen lassen könnte, daß das konjunkturelle Wellental endlich durchschritten ist, geben die rekordtiefen Renditen am langen Ende der Zinskurve den Skeptikern Recht: Sie deuten im Gegenteil - und im Einklang mit den meisten vorlaufenden Indikatoren - darauf hin, daß noch lange kein nachhaltig dynamisches Wirtschaftswachstum in Sicht ist, gepaart mit den unverändert die Finanzmärkte überschattende Deflationsgespenst.
Vor der unseligen Mystifikation und anschließend brutalen Entzauberung der New Economy war ein derartiges Phänomen von Aktien- und Anleihenmärkten (Gleichschritt von Aktien- und Bondrenditen) selten, über mehrere Jahre hinweg war es sogar seit der Depression der dreißiger Jahre nie mehr zu konstatieren. Von kürzeren Divergenzen abgesehen, bildete eine positive Korrelation zwischen Aktien- und Anleihenkursen also den historischen Normalfall.
Eindeutige FED....
Dies mag bei oberflächlicher Analyse allein schon unter Zuhilfenahme simpler Finanzmathematik einleuchten, da fallende Zinsen die Aktienbewertung (über den Gegenwartswert künftiger Cash-flows) positiv beeinflussen sollten und umgekehrt - falls dieser Effekt nicht durch andere Faktoren dominiert wird und etwa durch extreme Gewinnerwartungen überkompensiert wird. Genau letzteres war (zuerst nach oben und anschließend nach unten) in den vergangenen turbulenten Jahren zweifellos der Fall und sollte – zumindest aus rein fundamentalen Optik - so lange anhalten, wie die Befürchtung besteht, daß die aktuellen Belastungen verschiedenster Provenienz keine nachhaltige Erholung des Wirtschaftswachstums zulassen werden.
Die fundamentale Argumentation ignoriert allerdings den entscheidenden Umstand, daß sich die US-Notenbank offensichtlich längst von ihrer eigentlichen Aufgabe einer indirekten Steuerung der Realwirtschaft via Liquiditätsversorgung der Banken verabschiedet hat. Seit Alan Greenspans berühmten Worten vom „irrationalen Überschwang“ in der Aktienhausse (denen er keine Taten folgen und damit die Aktienmärkte gewissermaßen ungehindert gewähren ließ!) ist jene Asymmetrie der Geldpolitik sichtbar geworden, welche seit Januar 2001 durch die Bereitschaft belegt wurde, die Märkte mit einer beispiellosen Serie von Leitzinssenkungen regelmäßig mit billigem Geld zu bedienen.
Cui bono?
Vor diesem Hintergrund und im Licht sogenannter „open mouth operations“, wie Greenspan seine auch zuletzt verbale Warnung vor der Deflationsgefahr selber nennt (um sie abzuwenden), werden die vor allem in diesem Jahr paradox vorkommenden Kursbewegungen an den Aktien- und Anleihenmärkten besser nachvollziehbar. Dementsprechend könnten Greenspan und Konsorten für einen wirklich heißen Finanz-Sommer sorgen, mit einer weiterhin aufgeblähten Bondblase, da die Zinsen durch das FED künstlich niedrig gehalten bleiben, um einerseits die lahme Wirtschaft endlich voranzutreiben, andererseits jeglichen noch so zarten Anhaltspunkt von konjunkturellen Aufschwung ja nicht abzuwürgen. Gleichzeitig könnte sich auch das spekulativ geprägte Rally an den Börsen jedenfalls kurzfristig fortsetzen!
Die fast vorprogrammiert negativen Langzeitfolgen dieser Politik: ein weiterer Niedergang für den US-Dollar und damit einhergehende Inflation, zumindest in den USA! Und ein derartiges Szenario verheißt auch für die Aktien- wie auch Anleihenmärkte weiterhin ein alles andere als gutes Gefühl.