Widersprechen sich Aktien- und Bondmärkte ?

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Nassie:

Widersprechen sich Aktien- und Bondmärkte ?

 
29.06.03 19:27

Seit Mitte März vermitteln die Finanzmärkte einen zwiespältigen Eindruck -Gastkommentar von Michael Margules  

Seit Mitte März vermitteln die Finanzmärkte einen zwiespältigen Eindruck: Auf der einen Seite erleben die Aktienmärkte ihre bisher längste und auch kräftigste Erholungsphase seit Beginn des Bärenmarkts im März 2000. Anderseits hat sich auch der inzwischen bereits dreijährige Höhenflug der „sicheren“ Staatsanleihen nochmals akzentuiert - allen Warnungen vor einem baldigen „Platzen der Bondblase“ oder jähen „Zuschnappen der Zinsfalle“ quasi zum Trotz!

Zwiespältiges Erwartungsmuster.....

Während also die Börsenentwicklung bereits sehr viel Zuversicht, gestützt auf die expansive Geld- und Fiskalpolitik insbesondere der Vereinigten Staaten respektive der amerikanischen Notenbank unter Führung von Alan Greenspan, reflektiert und darauf schließen lassen könnte, daß das konjunkturelle Wellental endlich durchschritten ist, geben die rekordtiefen Renditen am langen Ende der Zinskurve den Skeptikern Recht: Sie deuten im Gegenteil - und im Einklang mit den meisten vorlaufenden Indikatoren - darauf hin, daß noch lange kein nachhaltig dynamisches Wirtschaftswachstum in Sicht ist, gepaart mit den unverändert die Finanzmärkte überschattende Deflationsgespenst.

Vor der unseligen Mystifikation und anschließend brutalen Entzauberung der New Economy war ein derartiges Phänomen von Aktien- und Anleihenmärkten (Gleichschritt von Aktien- und Bondrenditen) selten, über mehrere Jahre hinweg war es sogar seit der Depression der dreißiger Jahre nie mehr zu konstatieren. Von kürzeren Divergenzen abgesehen, bildete eine positive Korrelation zwischen Aktien- und Anleihenkursen also den historischen Normalfall.

Eindeutige FED....

Dies mag bei oberflächlicher Analyse allein schon unter Zuhilfenahme simpler Finanzmathematik einleuchten, da fallende Zinsen die Aktienbewertung (über den Gegenwartswert künftiger Cash-flows) positiv beeinflussen sollten und umgekehrt - falls dieser Effekt nicht durch andere Faktoren dominiert wird und etwa durch extreme Gewinnerwartungen überkompensiert wird. Genau letzteres war (zuerst nach oben und anschließend nach unten) in den vergangenen turbulenten Jahren zweifellos der Fall und sollte – zumindest aus rein fundamentalen Optik - so lange anhalten, wie die Befürchtung besteht, daß die aktuellen Belastungen verschiedenster Provenienz keine nachhaltige Erholung des Wirtschaftswachstums zulassen werden.

Die fundamentale Argumentation ignoriert allerdings den entscheidenden Umstand, daß sich die US-Notenbank offensichtlich längst von ihrer eigentlichen Aufgabe einer indirekten Steuerung der Realwirtschaft via Liquiditätsversorgung der Banken verabschiedet hat. Seit Alan Greenspans berühmten Worten vom „irrationalen Überschwang“ in der Aktienhausse (denen er keine Taten folgen und damit die Aktienmärkte gewissermaßen ungehindert gewähren ließ!) ist jene Asymmetrie der Geldpolitik sichtbar geworden, welche seit Januar 2001 durch die Bereitschaft belegt wurde, die Märkte mit einer beispiellosen Serie von Leitzinssenkungen regelmäßig mit billigem Geld zu bedienen.

Cui bono?

Vor diesem Hintergrund und im Licht sogenannter „open mouth operations“, wie Greenspan seine auch zuletzt verbale Warnung vor der Deflationsgefahr selber nennt (um sie abzuwenden), werden die vor allem in diesem Jahr paradox vorkommenden Kursbewegungen an den Aktien- und Anleihenmärkten besser nachvollziehbar. Dementsprechend könnten Greenspan und Konsorten für einen wirklich heißen Finanz-Sommer sorgen, mit einer weiterhin aufgeblähten Bondblase, da die Zinsen durch das FED künstlich niedrig gehalten bleiben, um einerseits die lahme Wirtschaft endlich voranzutreiben, andererseits jeglichen noch so zarten Anhaltspunkt von konjunkturellen Aufschwung ja nicht abzuwürgen. Gleichzeitig könnte sich auch das spekulativ geprägte Rally an den Börsen jedenfalls kurzfristig fortsetzen!

Die fast vorprogrammiert negativen Langzeitfolgen dieser Politik: ein weiterer Niedergang für den US-Dollar und damit einhergehende Inflation, zumindest in den USA! Und ein derartiges Szenario verheißt auch für die Aktien- wie auch Anleihenmärkte weiterhin ein alles andere als gutes Gefühl.


Nassie:

Den Rentenmärkten droht ein Orkan

 
29.06.03 21:53
Die jüngsten Turbulenzen am langen Ende des Rentenmarktes sind höchstens ein laues Lüftchen im Vergleich zu dem, was sich im zweiten Halbjahr noch abspielen dürfte. Der Bund-Future ist seit dem 16. Juni um fast 400 Stellen geplumpst.
 

Zu restriktiv für den kranken Mann?


Zwar gehört zu der unerhört aggressiven geldpolitischen Strategie von Alan Greenspan, die langfristigen Zinsen vermittels rhetorischer Feinsteuerung so lange künstlich zu drücken, bis sich ein selbsttragender Aufschwung abzeichnet - wobei die massiven Ungleichgewichte die US-Wirtschaft noch auf Jahre hin hemmen werden.

Neben dem zu erwartenden weiteren Zinsschritt der EZB wird das auch den hiesigen Rentenmärkten zugute kommen. Aber die Zeichen für eine zyklische Konjunkturerholung sind inzwischen unübersehbar, in den USA wie in Europa. Sogar den schwachen US-Kern-Preisdeflator für Konsumausgaben im Mai, der weitere Deflationssorgen geschürt hat, haben die Rentenmärkte am Freitag abgeschüttelt wie nichts.


In den USA steigen die Nettovermögen der Haushalte seit dem dritten Quartal, wobei Hauspreis- sowie Börsenwicklung darauf hindeuten, dass das Nettovermögen im zweiten Quartal erstmals wieder höher lag als im Vorjahr. Derweil sind die angekündigten Stellenstreichungen im Mai auf ein neues zyklisches Tief gefallen. Wegen der niedrigen Hypothekenzinsen bleibt Wohneigentum erschwinglich, und gemessen an den Verkäufen sind die Vorräte an neuen Häusern niedriger denn je.


Durch das Steuerpaket werden die Einkommen vor der Präsidentschaftswahl um 1,5 Prozent aufgepäppelt. Gleichzeitig ist die Differenz zwischen Kapitalrenditen und -kosten der Firmen heftig gestiegen, während die Bilanzen repariert wurden und die sehr niedrigen Nettoinvestitionen auf Ersatzbedarf schließen lassen.


In Europa sind die realen Geldmarktzinsen derweil auf null gefallen; anders als allenthalben kolportiert sind sie selbst in Deutschland so niedrig wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Die Stimmung ist schlechter als die Lage, und der Abstand zwischen dem OECD-Frühindikator und der deutschen Industrieproduktion ist mit knapp zehn Prozent so hoch wie während des Wiedervereinigungsbooms. Die deutsche Regierung ist endlich auf dem richtigen Weg; abgesehen von der Umsetzung ihres Reform- und Steuerpakets fehlt es nur noch an visionärer Überzeugungskraft, um den Menschen die bereits geplanten und weitere Reformen schmackhaft zu machen.


Unterdessen sind Bonds sogar im Vergleich zu US-Aktien so teuer wie seit den 70er Jahren nicht mehr - und zwar an den VGR-Gewinn-Reihen gemessen. Und wenn die Frühindikatoren anspringen, ist es für die Rentenanleger vermutlich bereits zu spät. Schon jetzt sollten sie jedwede Erholung langsam als Ausstiegschance begreifen.



Nike/Adidas


Den Schock durch Nike haben die Adidas-Anleger schnell verdaut. Und das zu Recht. Zwar schafft es Nike in seinem US-Geschäft nur mit Müh und Not, den Umsatz zu halten. Der Auftragsbestand ist sogar um zehn Prozent eingebrochen. Und wenn der wichtige US-Markt ins Trudeln gerät, verheißt das natürlich auch für Adidas nichts Gutes. Nur hat sich Nike selbst das Leben schwer gemacht. Adidas plagen weder Lieferprobleme bei Klamotten noch das Zerwürfnis mit Foot Locker . So konnten die Franken in den Staaten im ersten Quartal auch um vier Prozent wachsen, während Nike schrumpfte. Und der Streit zwischen Nike und Foot Locker dürfte ihnen weiter in die Hände spielen.


Das ist noch nicht alles. Denn von Nike haben wir ja auch erfahren, dass Europa und Asien trotz Irak-Krieg und SARS weiter kräftig wachsen. Das ist schön für Nike, aber noch besser für Adidas. Während die Amerikaner dort knapp 45 Prozent ihrer Umsätze machen, sind es bei den Deutschen fast drei Viertel. Adidas ist also dort stark, wo es boomt, und Nike dort, wo es kriselt. Damit dürfte sich der Abstand zwischen den beiden weiter verringern, nachdem die Deutschen Nike schon seit längerem auf der ganzen Welt Marktanteile abjagen.


Und trotz des schwachen Greenbacks kann der Marktführer nicht mal einen Preiskrieg anzetteln, weil auch Adidas Einkauf und Produktion überwiegend in Dollar abwickelt. Die neuen Basketball-Kollektionen von Kobe Bryant und LeBron James könnten Nike ab dem Herbst in den Staaten zwar wieder voranbringen. Aber auch Adidas hat mit seinen neuen Niedrigpreis-Schuhen ein heißes Eisen im Feuer.


Derweil bewerten die Investoren Nike noch immer so, als würde die Firma jedwede Konkurrenz in Grund und Boden walzen. Das KGV von 17 ist fast um ein Drittel höher als das laufende von Adidas (13). Am Umsatz gemessen liegt der Aufschlag sogar fast bei vier Fünfteln. Natürlich sind die Amerikaner profitabler und erzielen prima Mittelzuflüsse. Aber auch damit lässt sich der enorme Bewertungsaufschlag nicht rechtfertigen, wie die Free-Cashflow-Renditen zeigen. Mehr denn je ist Adidas die bessere Wahl.



© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration:  FTD
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