Eine Frau bezahlt mit ihrem Smartphone (Symbolbild).
Donnerstag, 18.06.2020 16:41 von | Aufrufe: 882

AKTIE IM FOKUS 3: Wirecard im freien Fall - Milliardenschwere Bilanzunklarheiten

Eine Frau bezahlt mit ihrem Smartphone (Symbolbild). © martin-dm / E+ / Getty Images

(neu: Kursentwicklung, Marktkapitalisierung im dritten Absatz, neue Aussagen des Experten im vierten Absatz, Analysten im neunten Absatz)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Im Börsenkrimi um Wirecard hat sich die Lage am Donnerstag weiter zugespitzt: Nachdem der Zahlungsdienstleister mitgeteilt hatte, dass er wegen milliardenschwerer Unklarheiten in der Bilanz seinen Jahresabschluss erneut nicht vorlegen kann, gingen die Aktien des Unternehmens in einen spektakulären Sturzflug über. Das Vertrauen der Anleger ist nun tief erschüttert.

Die Wirecard-Papiere hatten nach mehreren Handelsunterbrechungen zunächst in der Spitze rund zwei Drittel ihres Wertes verloren und waren auf 35 Euro abgesackt. Dann erholten sich die Anteilscheine zwischenzeitlich etwas und stiegen auf rund 64 Euro, bis sie wieder unter Druck gerieten und peu a peu tiefer ins Minus rutschten.

Am Nachmittag standen die Papiere als klares Schlusslicht im schwachen Leitindex Dax rund 71 Prozent im Minus bei 30,23 Euro. Dies ist das tiefste Niveau seit März 2016. Damit steuern die Wirecard-Aktien auf einen der größten prozentualen Tagesverluste zu, den je ein Dax-Unternehmen auf Schlusskursbasis erlitten hat. Die Marktkapitalisierung des Konzerns schmolz im Vergleich zum Schlusskurs am Mittwoch um rund 9 Milliarden auf 3,7 Milliarden Euro zusammen.

Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hatte Wirecard darüber informiert, dass über die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen. "Die Information von EY über das Fehlen von Prüfungsnachweisen über etwa 25 Prozent der Konzernbilanzsumme ist eine schallende Ohrfeige für die Aktionäre", sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank. Der Wirecard-Schock sitze tief. "Der Geduldsfaden ist nun anscheinend bei vielen Investoren gerissen und so trennen sich auch die letzten Optimisten von den Wirecard-Anteilen."

Wirecard hat es Lipkow zufolge "einfach nicht geschafft, den Sachverhalt vernünftig aufzuklären". Damit gehe der Bilanzskandal tatsächlich in eine neue Runde und die Rufe nach einer Überprüfung von Positionen im Vorstand dürften wieder lauter werden.

Bei dem Dax-Konzern waren bereits nach einer Sonderprüfung zu Bilanzfälschungsvorwürfen zentrale Fragen unbeantwortet geblieben. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG meldeten in ihrem Bericht Ende April zu den Geschäftsjahren 2016 bis 2018, dass wesentliche Unterlagen fehlten - hauptsächlich zum Geschäft mit Drittfirmen. Deswegen konnten die KPMG-Prüfer auch nicht feststellen, ob den entsprechenden Buchungen auch reale Umsätze entsprechen.

Der Kurseinbruch erwischte die Anleger dennoch kalt. Vor der für diesen Donnerstag eigentlich geplanten und lang erwarteten Vorlage der mehrfach verschobenen Bilanz für 2019 waren die Anleger zwar nervös, aber mit einer derart negativen Überraschung hatte kaum einer gerechnet.

Analysten fanden deutliche Worte: "Das letzte noch vorhandene Fünkchen an Anlegervertrauen dürfte nun verspielt sein. Die Gesamtsituation bei Wirecard kann nur noch als unhaltbar bezeichnet werden", schrieb der Fachmann Wolfgang Donie von der NordLB.


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Der Experte Adam Wood von der US-Investmentbank Morgan Stanley wies darauf hin, dass Kreditlinien gekündigt werden könnten, wenn das Testat der Wirtschaftsprüfer von EY nicht bis diesen Freitag vorliegen sollte. Dies rücke die Liquidität des Konzerns in den Fokus. Viele andere Analysten setzten derweil die Bewertung der Wirecard-Aktien aus.

Die Konsequenzen des Kursrutsches für Wirecard könnten nun weitreichend sein: Sollten sich die Anteilscheine bis September nicht nachhaltig erholen, droht der Rauswurf aus der ersten Börsenliga. Zu diesem Schluss kommen Index-Experten. Als Nachfolger dürften sich der Aromen- und Duftstoffhersteller Symrise (Symrise Aktie) und der Online-Essenslieferanten Delivery Hero , einer der großen Profiteure in der Corona-Krise, ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Wirecard will nun Strafanzeige gegen unbekannt erstatten. Das Unternehmen sieht sich als mögliches Opfer eines "gigantischen Betrugs". Es gibt einem Konzernsprecher zufolge Hinweise, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder oder aus dem Bereich von Banken, die die Treuhandkonten führen, "unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden"./la/fba/he

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