Kuppeln des Moskauer Kremls.
Dienstag, 01.03.2022 17:12 von | Aufrufe: 1647

GESAMT-ROUNDUP 3: Russland erhöht Druck auf Ukraine - Militärkonvoi vor Kiew

Kuppeln des Moskauer Kremls. ©unsplash.com

(neu: Mehr Details, aktualisiert.)

KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Trotz der internationalen Appelle für ein Ende des Kriegs hat Russland seine Angriffe auf die Ukraine verschärft. Aus dem Zentrum der zweitgrößten Stadt Charkiw wurde am Dienstag eine gewaltige Explosion gemeldet, auf die Hauptstadt Kiew bewegte sich ein riesiger Militärkonvoi von wohl mehr als 60 Kilometern Länge zu. Das Verteidigungsministerium in Moskau kündigte gezielte Angriffe auf die Informationsinfrastruktur des ukrainischen Geheimdienstes an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und UN-Generalsekretär António Guterres forderten den russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut auf, den Krieg sofort zu beenden. Die Vereinten Nationen stellen sich auf die Versorgung von bis zu vier Millionen Flüchtlingen ein.

Die militärische Lage

Die russischen Angriffe konzentrierten sich am Tag sechs des Einmarsches weiter auf die großen Städte, die nach Darstellung des ukrainischen Außenministeriums jetzt mit Raketen beschossen werden. Das ukrainische Außenministerium veröffentlichte bei Twitter ein Video, das einen Raketeneinschlag direkt auf dem zentralen Freiheitsplatz in Charkiw zeigt. "Russland führt Krieg unter Verletzung des humanitären Völkerrechts", twitterte das Außenministerium in Kiew. Moskau weist den Vorwurf zurück.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte der Agentur Interfax zufolge mit, die Informationsinfrastruktur des ukrainischen Geheimdienstes in Kiew angreifen zu wollen. So sollten "Informationsangriffe" gegen Russland zerschlagen werden. Die Bevölkerung, die in der Nähe der genannten Einrichtungen lebe, wurde aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen.

Die ukrainische Regierung beschuldigt Russland, Zivilisten zu töten und zivile Infrastruktur zu zerstören. Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow sagte der Agentur Ukrinform zufolge, das russische Militär sprenge Umspannwerke. Dadurch komme es zu Problemen bei der Strom- und Wasserversorgung. Unabhängig überprüfen lassen sich die Informationen über das Kriegsgeschehen nicht. UN-Angaben zufolge wurden bereits mehr als 100 Zivilisten getötet und mehr als 300 verletzt.

Als sicher gilt, dass die russischen Truppen ihren Vormarsch auf Kiew fortsetzen. Satellitenbilder aus der Nacht zum Dienstag zeigten einen gewaltigen Konvoi aus Panzern und anderen Militärfahrzeugen. US-Verteidigungskreisen zufolge will das russische Militär die Hauptstadt trotz des starken ukrainischen Widerstandes einnehmen.

Die Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine ist weiter heftig umkämpft. Die russischen Separatisten kündigten an, für Einwohner zwei "humanitäre Korridore" einzurichten. Die Menschen könnten die Stadt bis Mittwoch verlassen, sagte der Sprecher der Aufständischen im Gebiet Donezk der Agentur Interfax zufolge.

Die Ukraine wiederum bot russischen Soldaten Straffreiheit und Geld an, wenn sie sich ergeben. Geboten werden jedem Soldaten umgerechnet mehr als 40 000 Euro. Finanziert werde die Aktion von der internationalen IT-Industrie. Ob sich ergebende Russen das Geld tatsächlich erhalten, war zunächst nicht zu überprüfen. Ukrainischen Angaben zufolge sollen bisher mindestens 200 russische Soldaten gefangen genommen worden sein.


ARIVA.DE Börsen-Geflüster

Politische Verteidigungs- und Angriffslinien

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte in einem emotionalen Appell an das Europaparlament die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union. "Wir kämpfen für unsere Rechte, für unsere Freiheit, für unser Leben. Und nun kämpfen wir ums Überleben", sagte Selenskyj zu Beginn einer Sondersitzung des Parlaments in einer Videobotschaft.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf der Ukraine eine Bedrohung der internationalen Sicherheit vor. Die Regierung in Kiew wolle eigene Atomwaffen, sagte Lawrow per Video vor der Ständigen Abrüstungskonferenz in Genf. Auf dem ukrainischen Territorium befänden sich noch sowjetische Nukleartechnologie und die Mittel, so bestückte Waffen abzuschießen, sagte Lawrow der englischen UN-Übersetzung zufolge.

Lawrow verlangte, dass US-Atomwaffen vom Gebiet der Nato-Partner abgezogen werden. Er betonte auch: "Wir glauben weiter, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf." Von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hatte es in der vergangenen Woche geheißen, sie sehe keinerlei Belege für die Behauptungen über ein mögliches Atomwaffenprogramm in der Ukraine.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss eine Beteiligung des Militärbündnisses am Ukraine-Krieg erneut aus.

Zahl der Flüchtlinge steigt

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nach UN-Angaben bereits 677 000 Menschen in Nachbarländer geflüchtet. Rund die Hälfte sei in Polen angekommen, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, in Genf. Rund 90 000 seien in Ungarn und Zehntausende in anderen Nachbarländern wie Moldau, Slowakei und Rumänien. Innerhalb von 24 Stunden sei die Gesamtzahl um 150 000 gestiegen.

Auch in Deutschland treffen immer mehr Menschen aus der Ukraine ein. Bis Dienstagmorgen habe die Bundespolizei die Einreise von 3063 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine festgestellt, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Da an den EU-Binnengrenzen keine Grenzkontrollen stattfänden, könne die Zahl der eingereisten Kriegsflüchtlinge tatsächlich aber bereits wesentlich höher sein.

Die Vereinten Nationen planen für eine mögliche Versorgung von bis zu vier Millionen Flüchtlingen.

Hilfen für die Ukraine

Die USA planen weitere milliardenschwere Hilfen für die Ukraine. Die Regierung von Präsident Joe Biden beantragte beim Kongress ein Paket mit einem Umfang von 6,4 Milliarden Dollar (Dollarkurs) (5,7 Milliarden Euro), das zusätzlich zur jüngsten militärischen Soforthilfe der US-Regierung mit einem Volumen von 350 Millionen Dollar kommen soll.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte in einer Sondersitzung des EU-Parlaments 500 Millionen Euro an humanitärer Hilfe an. Die Summe soll die bereits angekündigten 500 Millionen Euro der Europäischen Union für Waffenlieferungen an die Ukraine ergänzen. Die australische Regierung will die Ukraine mit militärischer Ausrüstung und humanitärer Hilfe in Höhe von insgesamt 105 Millionen australischer Dollar (68 Millionen Euro) unterstützen.

Schulterschluss der westlichen Welt

Der russische Angriff hat nach Einschätzung der US-Regierung zu einem Schulterschluss innerhalb der Nato und anderer westlicher Verbündeter geführt. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, nannte Putin "einen der größten Einiger der Nato in der modernen Geschichte". Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock rief zum internationalen Schulterschluss gegen Putin auf. "Wir wollen, dass so viele Staaten wie möglich Farbe bekennen gegen Putins Krieg", sagte die Grünen-Politikerin im polnischen Lodz.

Wirtschaftliche Folgen

Der Logistikriese Deutsche Post (Deutsche Post Aktie) DHL verschickt bis auf Weiteres keine Express-Sendungen und kein Frachtgut mehr nach Russland und Belarus. Grund sei die Sperrung des Luftraums, sagte ein DHL-Sprecher in Bonn.

UN-Generalsekretär Guterres betonte, dass die Krise mit Blick auf die Getreidefelder in dem Land schwerwiegende Auswirkungen auf gefährdete Menschen in der ganzen Welt haben könnte. "Das Welternährungsprogramm kauft mehr als die Hälfte seines Weizens aus der Ukraine. Eine Unterbrechung der Ernte könnte die Preise in die Höhe treiben und den weltweiten Hunger verstärken", sagte Guterres.

Debatte über Wehrpflicht

Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine neue Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht in Deutschland ausgelöst. Politiker aus Union und SPD forderten eine Diskussion über einen solchen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint. Dagegen erklärte FDP-Fraktionschef Christian Dürr eine Neuauflage der Wehrpflicht in Deutschland für ausgeschlossen./wn/DP/men

Werbung

Mehr Nachrichten kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.


Andere Nutzer interessierten sich auch für folgende News