Die ukrainische Flagge.
Sonntag, 27.02.2022 11:27 von | Aufrufe: 1213

GESAMT-ROUNDUP: Kampf um Ukraine - Scholz erklärt neue Linie der Bundesregierung

Die ukrainische Flagge. pixabay.com

KIEW/MOSKAU/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Russland treibt seinen Feldzug gegen die Ukraine trotz neuer Sanktionen des Westens voran. Heftige Kämpfe wurden am Sonntag aus der Hauptstadt Kiew und der Millionenmetropole Charkiw gemeldet. Hunderttausende Ukrainer waren auf der Flucht. Sowohl Moskau als auch Kiew zeigten sich offen für Verhandlungen, doch blieb unklar, was daraus wird. In Berlin begann am Sonntagvormittag eine Sondersitzung des Bundestags, in der Kanzler Olaf Scholz eine Regierungserklärung abgeben wollte.

Die Bundesregierung hatte am Samstag wegen des russischen Angriffs in zweifacher Hinsicht eine Kehrtwende vollzogen: Sie will doch Waffen an die Ukraine liefern, nämlich 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ "Stinger" aus Bundeswehrbeständen. Und sie einigte sich mit westlichen Verbündeten nun doch auf einen Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Finanz-Kommunikationssystem Swift.

Beides hatte Scholz zunächst nicht gewollt. Am Samstag sagte er aber: "Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende." Es sei auch für Deutschland Pflicht, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen bei der Verteidigung "gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte dies. "Weiter so, Kanzler Olaf Scholz", twitterte er.

Gesicherte Informationen zum Kampfgeschehen in der Ukraine sind rar. Vieles kann nicht unabhängig geprüft werden. Nach ukrainischen Angaben lleferten sich in der Großstadt Charkiw im Osten russische und ukrainische Truppen Straßenkämpfe. Die Angreifer seien auch ins Zentrum der Stadt mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern gelangt. In der Nähe von Charkiw ging nach Darstellung der ukrainischen Agentur Unian eine Gasleitung in Flammen auf.

Zur Verteidigung von Kiew zog die Ukraine nach eigenen Angaben weitere Kräfte zusammen. Das Verteidigungsministerium sprach von russischen Angriffen im Norden und Nordwesten der Hauptstadt. In der Nacht zum Sonntag soll ein Lager mit radioaktiven Abfällen von russischen Granaten getroffen worden sein, wie der Sender Kanal 24 und andere Medien meldeten. Nach ersten Messungen bestehe "keine Bedrohung für die Bevölkerung außerhalb der Schutzzone".

Der ukrainische Generalstab erklärte, das Tempo des russischen Angriffs sei gebremst worden. Der Feind habe Nachschubprobleme, Soldaten seien erschöpft, die Truppe dezimiert. Bisher seien schätzungsweise etwa 4300 Soldaten getötet worden, schrieb Vizeverteidigungsministerin Maljar bei Facebook (Facebook Aktie). Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber, Hunderte Panzer und weitere Militärfahrzeuge sollen zerstört worden sein.

Russland konterte mit eigenen militärischen Erfolgsmeldungen. Präsident Putin lobte, die russischen Streitkräfte hätten unter schwierigsten Bedingungen maximal effektiv ihre Aufgaben erfüllt. Das Verteidigungsministerium meldete, es seien 471 ukrainische Soldaten gefangen genommen worden. Ukrainer hätten massenhaft den Kampf verweigert, in Charkiw habe sich ein ganzes Regiment ergeben. Russland gibt an, seit Donnerstagmorgen 975 militärische Objekte zerstört zu haben - Fluggeräte, Panzer und andere Kampffahrzeuge.

Die südukrainischen Städte Cherson und Berdjansk seien von russischen Truppen umzingelt. Im Donbass hätten die von Russland unterstützten Separatisten ihren Vormarsch fortgesetzt. Zu eigenen Opferzahlen macht Moskau keine Angaben.

Ob und wie die Kriegsparteien den Gesprächsfaden wieder aufnehmen, ist unklar. Kremlsprecher Dmitri Peskow teilte mit, eine russische Delegation sei für Verhandlungen mit der Ukraine nach Belarus gereist, in die Stadt Gomel. Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigte sich aufgeschlossen für Verhandlungen, aber nicht in Belarus - das Land ist mit Russland verbündet. Er habe Warschau, Budapest, Istanbul und Baku als Verhandlungsstädte vorgeschlagen.


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Selenskyjs Sprecher schrieb zudem auf Facebook, Russland habe als Bedingung gefordert, dass die Ukraine ihre Waffen niederlege. Die Ukraine solle für das Scheitern von Verhandlungen verantwortlich gemacht werden, kritisierte er. Der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski stellte den Ukrainern ein Ultimatum: Er werde bis 15.00 Uhr (Ortszeit, 13.00 Uhr MEZ) in Gomel auf sie warten.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass knapp 300 000 Menschen wegen des Kriegs auf der Flucht sind - etwa 160 000 in der Ukraine, zudem 116 000, die sich über die Grenzen gerettet haben. Sie kamen vor allem nach Polen, aber auch nach Ungarn, in die Slowakei, nach Rumänien und Moldau. Erste Flüchtlinge erreichen auch Deutschland. Allerdings sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren gehalten, in der Ukraine zu bleiben und womöglich Wehrdienst zu leisten. Ins Ausland kommen also vor allem viele Frauen und Kinder.

Die EU und die USA wollen nicht militärisch in den Konflikt eingreifen. Sie hatten schon in den vergangenen Tagen harte Sanktionen verhängt, auch gegen Putin selbst. Die Ausweitung der Strafmaßnahmen gegen Russland wurde am späten Samstagabend von Deutschland, den USA und weiteren Verbündeten vereinbart.

Der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus Swift gilt als die bislang weitreichendste Reaktion und könnte dazu führen, dass der Handel zwischen Russland und dem Westen weitgehend eingeschränkt wird. Betroffen werden nach Angaben der Bundesregierung alle russischen Banken sein, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind.

Hinzu kommen sollen - soweit erforderlich - weitere russische Banken. Damit sollten diese Institute von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden. Zudem soll es zusätzliche Sanktionen gegen die russische Zentralbank und auch Oligarchen aus dem Umfeld Putins geben. Die Bundesregierung bereitet zudem offenbar eine Sperrung des deutschen Luftraums für russische Maschinen vor./vsr/DP/stk

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