PRAG (dpa-AFX) - Die tschechische Regierung macht beim Ausbau der Atomkraft kräftig Tempo: Der liberalkonservative Ministerpräsident Petr Fiala will gleich bis zu vier neue Reaktorblöcke auf einen Schlag in Auftrag geben, wie er zur Überraschung vieler Beobachter vor kurzem bekannt gab. Die laufende Ausschreibung, die ursprünglich nur die Fertigstellung eines neuen Reaktors bis 2036 vorsah, wurde nun erweitert.
"Die tschechischen Haushalte, die tschechischen Bürger und die tschechischen Firmen müssen die Gewissheit haben, dass es auch in Zukunft genug Energie geben wird - und zu akzeptablen Preisen", begründete er sein Vorhaben. "Das ist die Grundlage unseres Wohlstands." Das Industrieland Tschechien könne zu einem "Zentrum der Kernenergie" werden. Fiala rechnete mit einem Preisnachlass von bis zu 25 Prozent je Reaktor bei einer größeren Sammelbestellung.
Der französische Atomkonzern EDF
Wie viele Reaktoren es genau werden, ist noch unklar. Der Staat als Investor könne alle Optionen nutzen, müsse es aber nicht, erläuterte Suler. Aktuell gehe man davon aus, dass zunächst über den Ausbau des AKW-Standorts Dukovany um zwei Blöcke und erst danach über zwei weitere Blöcke in Temelin entschieden werde. Suler verwies darauf, dass die EU die Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich eingestuft habe. Dies wurde über die sogenannte Taxonomie-Verordnung geregelt.
In den ausländischen Nachbarregionen sorgen die Prager Pläne für Verunsicherung. Das AKW Temelin mit derzeit zwei Druckwasserreaktoren vom Typ WWER 1000/320 liegt weniger als 60 Kilometer von den Grenzen zu Bayern und Niederösterreich entfernt. Von Dukovany, das über vier Altmeiler der sowjetischen Bauart WWER-440/213 verfügt, sind es nach Wien nur knapp 100 Kilometer.
Urban Mangold von der bayerischen "Plattform gegen Temelin" teilte mit, die Pläne der tschechischen Regierung gefährdeten die Sicherheit der bayerischen Bevölkerung. Atomkraft sei teuer, gefährlich und mache abhängig von Uranlieferungen. Im schlimmsten Fall könnten Atomreaktoren sogar zum militärischen Angriffsziel werden. Für Überraschung sorgte hingegen der CSU-Politiker Erwin Huber, der die tschechischen Ausbaupläne als "sensationell" begrüßte. Bayern solle sich Stromkontingente sichern, sagte er der Mediengruppe Bayern.
Erst vor wenigen Tagen fachte ein Zwischenfall die Sorgen vieler Grenzbewohner um die Sicherheit neu an: In Temelin kam es zu einer unerwarteten Störung, die zur unplanmäßigen Abschaltung des zweiten Reaktorblocks führte. Ein Kühler des Generators außerhalb des nuklearen Bereichs des Kraftwerks musste nach Angaben des Betreibers CEZ ausgetauscht werden.
Die neueste Energiestrategie der tschechischen Regierung sieht vor, den Anteil der Kernenergie am Strommix von einem Drittel bis 2040 auf mehr als die Hälfte zu erhöhen. Die Kohleverstromung soll dafür bis 2033 enden. Der Pro-Atomkurs des Kabinetts trifft in der Bevölkerung und in den Medien weitgehend auf Zustimmung.
Zu den wenigen Kritikern zählt Pavel Vlcek von der Bürgerinitiative für Umweltschutz aus dem südböhmischen Budweis (Ceske Budejovice). "Tschechiens Politiker wollen die neuen Reaktorblöcke wortwörtlich um jeden Preis, geradezu hysterisch", kritisiert er. Vlcek sieht das als Folge der langfristigen Lobbyarbeit der Atomindustrie, die sich eine in Europa einmalige Stellung gesichert habe.
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Zum größten Stolperstein könnte die Finanzierung werden. Finanzminister Zbynek Stanjura musste im Fernsehsender CT einräumen, dass es sich um ein "hochriskantes Projekt" handele. Die Schätzungen verschiedener Analysten zu den Gesamtkosten gehen weit auseinander und reichen von mehr als 30 Milliarden bis hin zu fast 80 Milliarden Euro für vier Reaktorblöcke. Kritiker warnen, dass sich das nicht unbedingt rechnen muss - je nachdem, wie sich die Preise auf den Strommärkten in der Zukunft entwickeln.
Bereits im Vorfeld entstehen hohe Kosten: Gerade erst hat die Regierung in Prag beschlossen, dass in den nächsten zehn Jahren mehr als 500 Millionen Euro in die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur rund um den AKW-Standort Dukovany in Südmähren fließen - damit Straßen und Brücken später dem enormen Baustellenverkehr gewachsen sind./hei/DP/jha
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