FRANKFURT (dpa-AFX) - Bergsteiger wissen: In der Höhe wird die Luft dünner. Dies mussten zuletzt aber auch die Anleger am deutschen Aktienmarkt wieder feststellen. Vor einer Woche gelang dem Leitindex Dax
Laut der Landesbank Baden-Württemberg könnte die neue indische Corona-Mutante und Spekulationen über eine möglicherweise in den USA verdoppelte Kapitalertragssteuer den Anlegern "Wasser in den Wein" gießen. "Da die Bewertungen jenseits des Atlantiks kurzfristig ausgereizt erscheinen, könnte den Märkten nun wieder eine höhere Volatilität bevorstehen", betonten die Experten am Freitag. An den tonangebenden US-Börsen warten die Anleger seit einigen Tagen und damit vergleichsweise lange auf die nächsten Rekorde.
Größere Rückschläge befürchtet Marktexperte Robert Halver von der Baader Bank aber nicht. Denn auch in der neuen Woche heiße die Devise: "Dont fight the Fed", deren Zinsentscheid am Mittwochabend ansteht. "Die Finanzmärkte vertrauen darauf, dass die US-Notenbank jede Einschränkung neuer Liquiditätsspritzen mit äußerster Vorsicht angeht", betonte der Experte. Die Maßnahmen der Währungshüter gelten schon lange als einer der wohl wichtigsten Kurstreiber für die Aktienbörsen.
Wie Halver ergänzte, würden bei einem plötzlichen Entzug von Liquidität nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch die Realwirtschaften unter Druck geraten. "So weit wird es die Fed nicht kommen lassen. Ihre anhaltend zinsgünstige Refinanzierung lädt weiter zur Aktienspekulation ein", betonte Halver. Er sieht den Dax derzeit in einer gesunden Konsolidierungsphase. "Zwischenzeitliche Gewitter reinigen", betonte der Experte. Die jüngste Kursentwicklung zeigt, dass Rückschläge von Anlegern immer wieder zum Zukauf genutzt werden. Die 15 000-Punkte-Marke war zuletzt beim Dax nicht wirklich in Gefahr geraten.
In Zeiten nach wie vor niedriger Zinsen mangelt es Investoren auch an Alternativen zu Aktien. Laut der Helaba kann die Durchschnittsrendite deutscher Bundesanleihen der Inflationsrate seit April 2016 schon nicht mehr das Wasser reichen. Fünf Jahre ist das nun her, und glaubt man dem Landesbank-Experten Ulf Krauss könnten vielleicht sogar zehn Jahre daraus werden. "Dies beschert Anlegern reale Vermögensverluste und degradiert Staatsanleihen zur Manövriermasse einer liquiditätsgetriebenen Geldpolitik. Soweit es das Risikoprofil zulässt, wenden sich Investoren anderen Assetklassen zu."
Für einen weiteren Weg nach oben fehlt den Aktienbörsen bislang aber auch ein richtiger neuer Kurstreiber. Die Coronaviren lassen sich von den Impfkampagnen bisher weltweit nicht groß beeindrucken und auch die in den USA gut angelaufene Berichtssaison wurde vor dem Hintergrund der schon eingepreisten hohen Erwartungen zuletzt keine Stütze. In der neuen Woche kommen nun wegweisende Zahlen aus dem US-Technologiesektor mit Alphabet
Aber auch hierzulande nimmt die Berichtssaison der Unternehmen in den kommenden Tagen Fahrt auf. Vor allem am Mittwoch, unter anderem mit Quartalsberichten der Deutschen Bank
Konjunkturell dürften die Anleger ihre Blicke zu Wochenbeginn auf den Ifo-Geschäftsklimaindex richten, bei dem die Dekabank dank der brummenden Industrie von einem merklichen Anstieg ausgeht. Außerdem stehen am Donnerstag beziehungsweise Freitag auf beiden Seiten des Atlantiks frische Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und der Inflation auf der Agenda. Der Commerzbank-Anlagestratege Chris-Oliver Schickentanz sieht beim BIP "die Schere zwischen den USA und Europa weiter aufgehen".
Auf großes politisches Echo dürfte laut Schickentanz auch eine zur Wochenmitte erwartete Ansprache von Joe Biden vor den beiden Kammern des US-Kongresses stoßen. Der Donnerstag (MEZ) wird dann der hundertste Amtstag des Präsidenten. Spekuliert wird neuerdings über seine Pläne, Kapitalerträge deutlich höher zu besteuern. Der Commerzbank-Experte sieht darin eine mögliche Antwort auf die Frage, wie die immensen Staatshilfen in der Corona-Krise refinanziert werden sollen.
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Schickentanz glaubt denn auch, dass die Aktienmärkte angesichts der Diskussion über eine Rückführung der Covid-Notfall-Maßnahmen vor einer Zeit erhöhter Schwankungen stehen. "Von daher dürfte das jüngste Auf und Ab eher zur Regel werden - ohne dass deswegen der langfristige Aufwärtstrend bei Aktien schon zu Ende wäre", sagte der Experte./tih/la/he
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---
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