Der Rubel stürzt ab, Investoren ziehen Milliarden ab, russische Firmen kommen kaum an Geld und der niedrige Ölpreis reißt Löcher in die Staatskasse. Wie lange kann Russland das noch durchhalten?
Nach außen gibt sich der russische Präsident Wladimir Putin gelassen. Der Absturz des Rubels habe „absolut“ nichts mit der wirtschaftlichen Lage des Landes zu tun, sagte er Anfang der Woche. Es handele sich lediglich um Angriffe von Spekulanten. Doch was der Kremlchef nicht sagt oder nicht wahrhaben will: Die russische Wirtschaft befindet sich in kritischem Zustand.
Der frühere Chef der Investmentgesellschaft Pimco, Mohamed El-Erian, stellt die Frage, wie nah Russland am Rande einer Finanzkrise steht. „Irgendwas wird in den nächsten Wochen passieren“, schreibt er in einem Gastbeitrag für Bloomberg. Entweder könnte der Wechselkurs außer Kontrolle geraten oder die russischen Behörden seien zu drastischen Zinserhöhungen und Ausgabenkürzungen gezwungen. Beides hätte eine schwere Wirtschaftskrise zur Folge.
Die russische Notenbank reagiert hektisch: Ende Oktober hat sie den Leitzins um 1,5 Prozentpunkte auf 9,5 Prozent angehoben. Mit diesem Schritt will sie den Verfall des Rubels stoppen. Seit Jahresbeginn ist die russische Währung im Vergleich zum US-Dollar um 40 Prozent eingebrochen. Das macht Importe nach Russland auf einen Schlag teurer. Schon jetzt liegt die Inflation bei acht Prozent. Preisanstiege bei Lebensmitteln sind politisch sensibel, weil sie die ärmere Bevölkerung hart treffen. Wenn Brot, Fleisch oder Milch teurer werden, könnte das auf lange Sicht zu Unruhen führen.
Noch ist die Popularität Putins groß, dennoch muss er sich erste kritische Stimmen anhören: „Warum schweigen Sie?“, fragt die Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“ auf ihrer Titelseite. Die Bevölkerung sei angesichts von Rubel-Verfall und Inflation zunehmend besorgt