FOKUS: Denkzettel für freenet-Aufseher
Von Stefan Paul Mechnig
Dow Jones Newswires
DUESSELDORF (Dow Jones)--Auf der frisch fusionierten Freenet lasten nicht nur der verspätete Marktstart und die Unklarheit über die Unabhängigkeit und den Erhalt des Unternehmens. Zusätzlich muss der Hamburger Mobilfunk- und Internetanbieter damit klar kommen, dass seine Aktionäre nur mäßiges Vertrauen in den Aufsichtsrat haben. Der bekam auf der Hauptversammlung am späten Freitagabend einen Denkzettel: Offenbar wegen eines dicken Aktienprogramms für das Management sprach sich ein Drittel der anwesenden Anteilseigner gegen die Entlastung der Kontrolleure aus.
Großaktionär Drillisch, der als Mobilfunk-Dienstleister gleichzeitig scharfer Konkurrent der freenet AG ist, konnte sich mit seinem Antrag auf Nichtentlastung von Aufsichtsrat und Vorstand zwar nicht durchsetzen. Doch gab es während der Veranstaltung breiten Unmut über das Aktienwertsteigerungsprogramm, das die Aufseher im Mai abgesegnet hatten. Es sieht vor, dass der Vorstand und weitere Führungskräfte von freenet in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienkurses bis zu 50 Mio EUR erhalten können.
Das Volumen wurde als zu hoch, die Hürden als zu niedrig kritisiert. So muss zum Bezug der ersten Cash-Tranche der Kurs in einem Jahr nur um 5%zulegen. Für Aktionärsschützer Thomas Hechtfischer trägt das Programm Züge eines "Selbstbedienungsmodells", und auch die mit über 5% an der im TecDAX notierten freenet beteiligte britische Fondsgesellschaft Hermes äußerte auf dem Aktionärstreffen in Hamburg ihre Unzufriedenheit.
Die Quittung: Am Ende waren 21 Mio von 64 Mio abgegebenen Stimmen dafür, dem Aufsichtsrat die gelbe Karte zu zeigen. Da die Drillisch AG nur 7,7 Mio Stimmen hatte, haben mithin noch andere Großaktionäre gegen die Entlastung votiert. Auch der Vorschlag des Mobilfunkers, andere Kapitalvertreter in das Kontrollgremium zu wählen als die vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten, kam recht gut an: Für sie gab es immerhin zwischen 39% und 41% Ja-Stimmen.
Drillisch sah den alten Aufsichtsrat praktisch als Handlanger des Vorstands an und forderte neue Köpfe, die mehr Branchenwissen mitbrächten. Die Bewerber waren: Der frühere E-Plus-Chef Uwe Bergheim, der ehemalige Geschäftsführer von AOL-Deutschland, Charles Fränkl, und der Schweizer Geschäftsmann Markus Billeter. Der Drillisch-Vorstandsvorsitzende Paschalis Choulidis hatte sie nominiert, nachdem er den Anspruch, selbst in den Aufsichtsrat des Konkurrenzunternehmens einzuziehen, aufgegeben hatte.
Er ist für eine Aufspaltung von freenet, weil er meint, dass der Festnetz-und Internetbereich an Wert verlieren wird. Das Mobilfunksegment würde Choulidis dann gerne mit seinem Unternehmen zusammenführen. Fernziel ist für ihn erklärtermaßen weiterhin eine umfassende Branchenlösung - ein Zusammenschluss mit dem größten Service Provider debitel und der gerade erst von ihm übernommenem Talkline.
Einer Zerschlagung von freenet hat Unternehmenslenker Eckhard Spoerr - der just dann die Tribüne verließ, als die Drillisch-Vertreter sprachen - freilich auf der Hauptversammlung noch einmal eine Absage erteilt. Er lässt jetzt eine Übernahme des TecDAX-Unternehmens prüfen, ist aber auch weiter offen für Zukäufe. Dass ihm die nicht bislang gelungen sind, hat Choulidis ihm ebenfalls angekreidet.
Weil keine Übernahmeziele in Sicht sind, schüttet die freenet AG den größten Teil ihrer halben Milliarde an Barmitteln als Sonderdividende an die Aktionäre aus. Anträge, den Betrag von 5,50 EUR kräftig aufzustocken, kamen auf der Hauptversammlung nicht durch. Die Schreiben dazu waren auffälligerweise praktisch gleich lautend, und ein Teil stammte von Aktionären, die wiederum mit dem Drillisch-Gesellschafter und -Aufsichtsrat Nico Forster in Verbindung stehen.
Wie tief das Zerwürfnis zwischen dem Unternehmen aus Maintal bei Frankfurt und der freenet AG inzwischen ist, macht ein weiterer, ungewöhnlicher Schritt von Choulidis klar: Er stellte während der Hauptversammlung einen Antrag auf Sonderprüfung des Aktienprogramms. Anders als bei seinen Vorstößen in Richtung Aufsichtsrat fand sich hierfür aber praktisch keine Unterstützung: Für die Maßnahme gab es nur 13,7% Ja-Stimmen - das entspricht in etwa dem Stimmrechtsanteil von Drillisch.
Webseiten: www.freenet-ag.de
www.drillisch.de
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DJG/stm/hab