@jgfreeman
Sie bereichern das Forum jeden Tag mit neuen Informationen aus Ihrem offensichtlich reichen Erfahrungsschatz. Das finde ich grundsätzlich prima. Danke.
Allerdings würde ich mir wünschen, dass Sie bei kritischen Aussagen wie etwa zur Behandlung von Anleiherückkäufen durch Ratingagenturen nicht wesentliche Informationen unterschlagen.
Im Fall der Beurteilung von Anleiherückkäufen durch Ratingagenturen kommt es ganz entscheidend auf die Ursache des Kursverfalls der Anleihen an. Im hier vorliegenden Fall war dies ein vom Unternehmen nicht beeinflussbarer inflationsbedingter Zinsanstieg und nicht etwa eine wesentliche Verschlechterung der Bonität des Unternehmens.
Der aus der Abzinsung niedrig verzinster Anleihen mit einem durch signifikante Erhöhung des kurzfristigen risikolosen Zinssatzes (-> EZB Leitzins) gestiegenen Kalkulationszinssatz resultierenden Kursverluste darf Aroundtown wie jedes andere Unternehmen selbstverständlich zur Schuldenoptimierung nutzen.
Der inflationsbedingte Zinsanstieg kann also NIEMALS ein Grund sein, Anleiherückkäufe als Kreditausfall zu beurteilen!
Sie verwechseln offensichtlich die durch Betrug und Bilanzmanipulation verursachten Bonitätsverluste bei Adler und Corestate mit im wesentlichen inflationsbedingten Anleihekursverlusten bei Aroundtown, GCP, Vonovia und Co.
Selbstverständlich darf AT1 im Fall eines durch Makro-Entwicklungen verursachten Rückgangs der Anleihekurse uneingeschränkt Anleihen zurückkaufen. Es steht jedem Anleiheinhaber frei, die Anleihen nicht anzudienen und bis zur Fälligkeit zu halten, wenn er den inneren Wert der Anleihe als im aktuellen Marktpreis unzutreffend abgebildet ansieht.
Die Anleiherückkäufe sind für Anleiheinhaber sogar durch und durch positiv, da sie die Nachfrageseite stärken und mithin den Anleihepreis tendenziell erhöhen. Gleiches Prinzip wie bei Aktienrückkäufen.
Im Ergebnis erachte ich die vom Grundsatz her zutreffende Aussage, dass Anleiherückkäufe von Ratingagenturen streng beobachtet werden, im hier vorliegenden Fall für irreführend, da Aroundtown in keinster Weise von selbst verursachten Anleihekursverlusten profitiert, sondern im Gegenteil auf der Kreditnachfrageseite selbst - unverschuldet - durch inflationsbedingt deutlich gestiegene Refinanzierungskosten beeinträchtigt ist.
Nachdem die Bonität eines Unternehmens in hohem Maße von der Anpassungsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens / Geschäftsmodells an geänderte Rahmenbedingungen beeinflusst wird, bin ich sicher, dass die Ratingagenturen den unübersehbaren Willen und die Fähigkeit des Unternehmens zu einer signifikanten Reduktion der Verschuldung im Wege von Immobilienverkäufen und Anleiherückkäufen positiv beurteilen.
Das von Ihnen bereits mehrfach in Aussicht gestellte Szenario eines zur Insolvenzvermeidung notwendigen Debt Restructuring (analog Adler und Corestate) sehe ich bei Aroundtown auf Sicht der nächsten drei Jahre als nicht im Ansatz wahrscheinlich an.
Angesichts der ultrakurzfristigen Einstellung von Tradern und Shortsellern, zu denen Sie sich bei Aroundtown ja offenbar selbst zählen, finde ich es schon einigermaßen verwunderlich, dass hier mit Szenarien argumentiert wird, die in Anbetracht von mehr als 3 MRD verfügbarer Liquidität und eines bislang von keiner Ratingagentur auch nur ansatzweise in Frage gestellten Potenzials zur Liquiditätsbeschaffung in Multi-Milliardenhöhe durch Immobilienverkäufe (-> Innenfinanzierung) oder Aufnahme besicherter Darlehen (-> Fremdfinanzierung) auf Sicht der nächsten drei Jahre völlig abwegig und ausgeschlossen erscheinen.
Immobilienverkäufe wie der Hotelverkauf in Dresden zeigen doch klar und eindeutig, dass es sich bei Aroundtowns Immobilienvermögen nicht um irgendwelche Luftbuchungen für im Konzernkreis mehrfach hin-und her verkaufte Entwicklungsprojekte a la Adler Group handelt, sondern um werthaltige Immobilien, die step by step - ohne vorhergehende Abwertungen von 20% oder gar 40% - liquidiert, d.h. in zur Schuldentilgung verwendbares CASH umgewandelt werden können.
Es liegt in der Natur des langfristen Geschäftsmodells von Immobilienunternehmen, dass MRD-Portfolien nicht innerhalb wenigen Tage sondern nur binnen mehererer Jahre liquidiert werden können. Aber solange der Immobilienmarkt nicht crasht, so dass die bilanzierten Buchwerte der Aktiva unter den Wert des Fremdkapitals fallen, hat das Unternehmen einen durch den Marktwert der Aktiva abzüglich Marktwert der Passiva definierten positiven Substanzwert.
Der Umstand, dass der Kapitalmarkt seit mehr als einem Jahrzehnt, die teilweise exorbitant über den aktuellen Börsenwerten liegenden Substanzwerte deutscher Industrieunternehmen (Bsp. VW, K+S, ThyssenKrupp) oder Banken (Bsp. Dt. Bank, CoBa) seit mehr als einem Jahrzehnt konsequent ignoriert und sich die Börsenwerte in einer immer stärker werdenen Fokussierung auf kurzfristige Trends und Markttechnik von betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen immer weiter entfernen, sollte nicht dahingehend interpretiert werden, dass fundamentale Grundsätze der Betriebswirtschaftslehre und Grundsätze zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes außer Kraft gesetzt sind!
Auf Grundlage der heute bekannten Risiken (u.a. Zinsentwicklung; Immobilienpreise) und Chancen (u.a. Mietpreisentwicklung; Einbruch der Neubautätigkeit) liegt der objektivierte Unternehmenswert von Aroundtown m.E. aktuell in etwa zwischen 4 und 6 MRD EUR und mithin deutlich oberhalb der aktuellen MKAP i.H.v. 1,1 MRD €.
Der innere Wert bestehender Shortpositionen ist nach meinem Dafürhalten deutlich NEGATIV, was in einem Zockermarkt aber nicht heißt, dass die Shorties dank extremer Vola kurzfristig nicht weiter Geld verdienen können.
Auf Sicht von 12 Monaten sehe ich das Potenzial für einen deutlich positiven Newsflow, geprägt von einer weiter deutlich fallenden Inflationsrate in Dtl. und Europa (-> Basiseffekt insbes. in AUG - Okt mit energiepreisbedingter Rekordinflation im Vorjahr), dem Ende des Zinserhöhungszyklus der EZB im Sommer (Leitzins 4,0 - 4,25%), einem deutlich anziehenden Wirtschaftswachstum der chinesischen Volkswirtschaft im 2. Halbjahr und einer damit einhergehenden Wiederbelebung der deutschen Exportwirtschaft. Spätestens mit Bekanntgabe der September-Inflationsdaten, die dank des Basiseffekts und eines im Vorjahresvergleich extremen Rückgangs der Energiepreise (Erdgas - 80%; Öl - 40%; Strom - 40%), der Transportkosten (Charterraten - 50%) und der Rohstoffpreise (-> Eisenerz - 50%; Platin, Palladium - 30%; Kali - 50%) m.E. einen Rückgang auf unter 4% zeigen sollten (sich ausgehend vom Mai-Niveau bei 6,2% binnen 4 Monaten also nahezu halbieren werden), rechne ich mit einem Ende des Preisverfalls am Immobilienmarkt, insbesondere auch bei den für Aroundtown maßgeblichen Preisen der Gewerbeimmobilien.
Einen durch Home-Office bedingten massiven Exodus aus Büroimmobilien kann ich zumindest in der für mich täglich sichtbaren bayerischen Realität nicht erkennen. Im Gegenteil sehe ich bei meinen Außendienstterminen in diversen Unternehmen starke Bestrebungen, die Präsenz in den Büros wieder deutlich zu erhöhen. Vielleicht keine vollständige Rolle rückwärts, aber mindestens seitwärts.