FTD, 20.01.2011
Zuschläge für Passagiere , Airlines fürchten Ölpreisschock
Die Rohstoffpreise lassen Fluggesellschaften zittern: Trotz steigender Passagierzahlen sind die Margen der Unternehmen in Gefahr. Unter anderem bitten die Lufthansa und Air Berlin ihre Kunden deshalb zur Kasse. von Jennifer Lachman
Der steigende Ölpreis lässt Fluggesellschaften weltweit wieder um ihre ohnehin schmalen Margen fürchten. Easyjet rechnet damit, dass sich der Vorsteuerverlust im ersten Halbjahr (bis Ende März) wegen höherer Kerosinkosten auf bis zu 160 Mio. Pfund (189 Mio. Euro) verdoppeln könnte, gab der britische Billigflieger am Donnerstag bekannt. Beim größten US-Low-Cost-Anbieter Southwest Airlines stiegen die Ausgaben für Treibstoff im abgelaufenen Quartal um 18,4 Prozent auf 940 Mio. Dollar (700 Mio. Euro), teilte er mit. Zuvor hatte schon Delta Airlines, die zweitgrößte US-Fluggesellschaft, die geplante Aufstockung ihres Sitzangebots unter Vorbehalt gestellt.
Eine Ölhausse ist für die Fluggesellschaften eine zweischneidige Entwicklung: Einerseits ist sie ein Indikator dafür, dass die Konjunktur wieder anzieht - was sich für die Konzerne in einer höheren Nachfrage, vor allem seitens der Geschäftsreisenden, niederschlägt. So stieg nach den aktuellsten Zahlen des Weltluftfahrtverbands IATA die Zahl der von Passagieren geflogenen Kilometer zuletzt erneut um 8,2 Prozent.
Auf der anderen Seite gehören die Kosten für Kerosin jedoch zu den größten Ausgabenblocks der Fluglinien. So verbraucht allein die Lufthansa jährlich über acht Millionen Tonnen Kerosin, was ungefähr dem Ölbedarf Irlands entspricht. Traditionell entfallen daher zwischen einem Viertel und einem Drittel aller Ausgaben einer Fluglinie auf Treibstoff. Aktuell kostet ein Fass (159 Liter) Öl der Sorte Brent 98,68 Dollar - und damit 16 Prozent mehr als noch vor zwei Monaten. Mit dem Rohstoff handeln zudem viele Spekulanten, die den Preis künstlich in die Höhe treiben.
Um ihre Margen zumindest zu stabilisieren, versuchen die Fluggesellschaften nun gegenzusteuern. Die Lufthansa werde ab kommendem Dienstag auf Strecken innerhalb Deutschlands und Europas den Kerosinzuschlag um 2 Euro erhöhen und dann jeweils 26 Euro verlangen, sagte ein Sprecher von Europas größter Fluggesellschaft auf Anfrage. Auf der Langstrecke werden 10 Euro mehr und damit insgesamt zwischen 92 Euro und 107 Euro fällig. Auch Air Berlin hat die Zuschläge einer Sprecherin zufolge seit Donnerstag erhöht, und zwar pro Strecke um 3 bis 5 Euro. Jetzt müssen die Passagiere von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft, je nach Strecke, zwischen 30 Euro und 92 Euro zahlen. Auch der Chef der australischen Qantas , Alan Joyce, denkt derzeit über eine Erhöhung nach, wie er sagte.
Dem Lufthansa-Sprecher zufolge holt sich die Fluggesellschaft über die Zuschläge aber nur einen Teil der höheren Kosten zurück. Wie viel Prozent, bezifferte er nicht. Finanzvorstand Stephan Gemkow hatte erst kürzlich seine Schätzungen für die Treibstoffkosten im laufenden Jahr auf 6,5 Mrd. Euro beziffert: Das wären 500 Mio. Euro mehr als bislang angenommen.
An ihrer Einkaufspolitik für Treibstoff will zumindest die Lufthansa derzeit nichts ändern. Um sich vor den extremen Schwankungen zu schützen, kaufen die meisten Fluggesellschaften einen Teil ihrer Vorräte frühzeitig zu einem festen Preis ein (Hedging). So hat sich die Lufthansa schon 68 Prozent ihres Treibstoffs für 2011 gesichert. Bei Air Berlin liegt der Wert für das laufende Quartal bis Ende März bei durchschnittlich 72 Prozent. Ob die Fluglinie bei ihrer Hedging-Strategie auf die Ölhausse reagiere, wollte eine Sprecherin nicht sagen.
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