Aus der FTD 26.1.05
Exklusiv: Osten muss um Beihilfen fürchten
Von Christine Mai, Brüssel
Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes plant eine grundlegende Reform der europäischen Beihilferegeln. Das könnte vor allem Ostdeutschland treffen. "Wir brauchen weniger und bessere staatliche Hilfen", sagte Kroes der FTD. Vor allem rückständigen Regionen in reichen EU-Mitgliedsstaaten - etwa Ostdeutschland - drohen Einbußen. Kroes: "Wir müssen uns fragen, ob wir die armen Gebiete in einem reichen Land weiter fördern."
Die Kommissarin will Subventionen verstärkt auf Firmen lenken, die sich in den wirtschaftlich schwächsten Regionen der EU ansiedeln. Dabei soll künftig die Wirtschaftskraft eines Mitgliedsstaats berücksichtigt werden. Den Plänen zufolge würden kleine und mittlere Unternehmen in Wachstumssektoren mehr Unterstützung erhalten. Die Beihilferegeln sollen zudem vereinfacht und die Prüfungen durch die Kommission schneller abgewickelt werden.
Sollte Kroes ihr Vorhaben durchsetzen, wären große EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Frankreich wohl die Verlierer. Besonders die fünf neuen Bundesländer müssen um Zuschüsse fürchten. Bislang erlaubt Brüssel oft auch reichen EU-Staaten Beihilfen, wenn sie zur Entwicklung von Regionen mit sehr niedrigem Lebensstandard oder hoher Arbeitslosigkeit dienen. Die Wirtschaftskraft eines Landes spielt dabei keine Rolle.
Kroes scheut keine Konflikte
Subventionen für Firmen, die sich in Ostdeutschland ansiedeln, hat die Kommission bisher großzügig behandelt. Anfang 2004 etwa billigte die EU-Behörde Hilfen von rund 540 Mio. Euro für ein zweites Werk des US-Chipkonzerns AMD in Dresden. Auch der Bau von Fabriken der Autohersteller BMW und VW in Leipzig beziehungsweise Dresden durfte unterstützt werden.
Konflikte mit den Regierungen scheut Kroes offensichtlich nicht. "Wir müssen eine harte Sprache sprechen. Das wird den Mitgliedsstaaten, die an die alten Beihilfen gewöhnt sind, manchmal wehtun. Aber das ist kein großes Problem für mich." Kroes will detailliertere Reformpläne bis zum Sommer vorstellen. Unklar ist noch die rechtliche Umsetzung.
Im Jahr 2002 genehmigte die Kommission den damals noch 15 Mitgliedsstaaten insgesamt 49 Mrd. Euro an Beihilfen. Deutschland schüttete mit 13 Mrd. Euro die meisten Subventionen aus - vor Frankreich mit 10 Mrd. Euro und Italien mit 6 Mrd. Euro.
Harter Kurs
Staatliche Beihilfen haben in den vergangenen Jahren häufig zu Spannungen zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten geführt. Die Wettbewerbshüter gingen hart gegen Regierungen vor, die marode Unternehmen mit Zuschüssen aufpäppelten. Streit entzündete sich etwa an den Hilfen für einige deutsche Landesbanken und einem Rettungspaket für den französischen Alstom-Konzern.>
Diesen harten Kurs will Kroes fortführen. Dies sei ihr Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Europas Industrie, dem Kernziel der Kommission, sagte Kroes: "Subventionen für ´lame ducks´ ohne Eigeninitiative, ohne Forschung helfen nur kurzfristig. Sie sind kein Mittel, um unser Ziel zu erreichen."
Forderungen des deutschen Industriekommissars Günter Verheugen, Großfusionen europäischer Unternehmen zu Branchenführern zu erleichtern, bügelte Kroes ab. "Die Fusionskontrolle muss nicht verändert werden. Sie basiert auf einwandfreien ökonomischen Prinzipien", sagte die Politikerin. "Günter Verheugen ist ein netter Kollege. Er ist der Industriekommissar. Und das ist alles."