BONN/FRANKFURT (Dow Jones)--Die Bayer-Aktionäre haben der Chefetage des Konzerns wegen der unkalkulierbaren Monsanto-Risiken das Vertrauen entzogen. Auf der diesjährigen Hauptversammlung wurden Vorstand und Aufsichtsrat für ihre Tätigkeit im vergangenen Jahr nicht entlastet, ein wohl einmaliger Vorgang in Deutschland bei noch amtierenden Managern.
Für Vorstandschef Werner Baumann und den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning ist das ein massives Misstrauensvotum, auch wenn es rechtlich keine Konsequenzen hat. Die Manager sind damit erheblich geschwächt. Bei der Deutschen Bank hatten vor vier Jahren die damaligen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ihren Rückzug erklärt, kurz nachdem sie bei der Abstimmung über ihre Tätigkeit ein verheerendes Ergebnis eingefahren hatten.
Rücktrittsforderungen für die Bayer-Führung gab es auf der Hauptversammlung allerdings nicht. Im Gegenteil: Dekabank-Fondsmanager Ingo Speich warnte davor, die Führungsriege zum aktuellen Zeitpunkt auszutauschen. "Bei der Komplexität des Unternehmens würde Bayer wichtige Zeit verlieren, wenn sich ein neues Management einarbeiten müsste", sagte er. "Niemand kann wollen, dass neben all dem Chaos auch noch das Tagesgeschäft brachliegt."
DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler hatte der Bayer-Führung in der Aussprache gar empfohlen, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat auf die nächste Hauptversammlung zu verschieben, um die Gräben zwischen Konzernführung und Aktionären nicht noch weiter zu vertiefen. Aufsichtsratschef Wenning war dem Vorschlag allerdings nicht gefolgt.
Die Aktionäre lasten Vorstand und Aufsichtsrat an, die Rechtsrisiken zum Unkrautvernichter Glyphosat, den der Konzern mit dem Agrarkonzern Monsanto eingekauft hat, massiv unterschätzt zu haben. Der Bayer-Kurs ist seit August vergangenen Jahres mehr als 30 Prozent eingebrochen.
Der Konzern sieht sich in den USA einer kontinuierlich wachsenden Zahl von Schadensersatzklagen ausgesetzt: 13.400 Menschen machen das Mittel für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. In zwei Fällen ist der Konzern in erster Instanz zu Schadensersatzzahlungen von jeweils rund 80 Milliarden Dollar verurteilt worden. Bayer geht dagegen vor und ist überzeugt, die Prozesse in höheren Instanzen zu gewinnen. Konzernchef Baumann räumte allerdings ein, es könne noch Jahre dauern, bis die Aktionäre Klarheit hätten, wie der Glyphosat-Komplex insgesamt ausgeht.
Schon vor der Hauptversammlung hatte sich angedeutet, dass es für die Konzernführung eng werden könnte. So empfahlen die großen angelsächsischen Aktionärsberater ISS und Glass Lewis ihren Kunden eine Nichtentlastung.