29. März 2002 Das Erschrecken in der Union war groß. Da hatte man zunächst den Erfolg des Kanzlers bei der Abstimmung im Bundesrat über die Zuwanderung zum Pyrrhus-Sieg werden lassen. Dann kam wenige Tage später der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, und sprach von einem „legitimen Theater“ der Opposition in der Länderkammer.
Der Applaus des Publikums verwandelte sich unversehens in ungläubiges Staunen ob dieser Offenheit. Allerdings verwunderte nur die darob geäußerte Empörung wirklich. Denn welchem interessierten Zuschauer war nicht entgangen, dass im Bundesrat zwei genau geplante Drehbücher zur Aufführung gekommen waren: Bundesratpräsident Klaus Wowereit, der für die SPD eine tragende Rolle spielte, war von der ersten Sekunde der Sitzung die Konzentration auf das Finale anzumerken.
„Darstellungskunst auf der politischen Bühne“
Müllers Beitrag über „Darstellungskunst auf der politischen Bühne“ hängt der Union aber ungeachtet seines nachfolgenden Rückziehers (“Natürlich ist mir ein Fehler passiert“) immer noch nach. Die bei der Inszenierung ebenso engagierten Sozialdemokraten meinen hingegen, sich schadlos halten zu können.
Bundeskanzler Gerhard Schröder - bestimmt ein begnadeter Selbstdarsteller - sieht sich in seiner Rolle bestätigt: „Ich war an dem Theater, das da aufgeführt worden ist, nicht beteiligt“, resümierte er eine Woche später den Ablauf des Dramas. Seinen Unionsherausforderer Edmund Stoiber tadelte er statt dessen für die „schlechte Regie“. Wer dagegen gute Regie geführt hat, dürfte angesichts der bestens präparierten Soufleure Wowereits kaum in Frage stehen.
Deus ex machina für das Drama der Konsensdemokratie
„Ist Politik also Theater? Ja, Politik ist Theater“, hatte Müller in seiner Rede festgestellt, die nur zu einem sehr geringen Teil auf Vorgänge im Bundesrat einging, wohl aber auf die Bühne des Politischen insgesamt abhob. „Aber auch dieser Umstand ist weder gut noch schlecht“, fuhr Müller fort. „So lange das politische Theater einen Beitrag dazu leistet, Aufmerksamkeit zu erreichen für die vertretenen Inhalte, ist das politische Theater gut. Es ist schlecht, wenn dadurch von den Inhalten abgelenkt werden soll. Ohne Theater kann in dieser Gesellschaft keine erfolgreiche Politik gestaltet werden.“
Und damit sind wir dann doch wieder beim Kanzler. In kritischen Kommentaren ist zwar nun sogar von „Manipulationen“ die Rede und selbstverständlich auch von dem „schmutzigen Geschäft“ der Politik. Aber müssen wir Gerhard Schröder nicht dankbar sein? Der Deus ex machina ist eine stehende Figur des Theaters, der für das Finale furioso für die dramatische Wende sorgt. Schröder hat dieses Mal den Deus ex machina für die Konsensdemokratie gegeben.
Abwendung vom Overkill-Konsens
Die Wende in der deutschen Außenpolitik ist uns allen seit 1989 in dramatischen Szenen immer wieder vor Augengeführt worden. Seitdem haben wir auf diesem Feld den Konsens der Overkill-Weltunordnung verlassen. Die Mittelmacht Deutschland muss nun lernen ihre Interessen zunächst zu definieren und dann wenn möglich auch durchzusetzen.
In der Innenpolitik dagegen endeten die so genannten Partikularinteressen bislang sehr oft am Overkill-Konsens. Ein Berliner Regierungschef hat dieses Mal im Bundesrat seine Handlungsfähigkeit und Durchsetzungskraft bis zum Letzten ausgereizt. Er hat den Interessen seiner Regierung unumstrittene Priorität verordnet und Vorrang vor dem Konsens eingeräumt. Insofern kann der Beschluss der Länderkammer wohl wirklich als historisch, als richtungsweisend bezeichnet werden. Die Exekutive hat sich als solche in der Tat bewiesen. Die sich nun anschließende Debatte über ein Re-Engineering der Strukturen der deutschen Politik ist diesem - wie wahr und wie richtig - „legitimen Theater“ geschuldet.
www.faznet.de/IN/INtemplates/faznet/inc/in/...6}&mode=picture" style="max-width:560px" >
Der Applaus des Publikums verwandelte sich unversehens in ungläubiges Staunen ob dieser Offenheit. Allerdings verwunderte nur die darob geäußerte Empörung wirklich. Denn welchem interessierten Zuschauer war nicht entgangen, dass im Bundesrat zwei genau geplante Drehbücher zur Aufführung gekommen waren: Bundesratpräsident Klaus Wowereit, der für die SPD eine tragende Rolle spielte, war von der ersten Sekunde der Sitzung die Konzentration auf das Finale anzumerken.
„Darstellungskunst auf der politischen Bühne“
Müllers Beitrag über „Darstellungskunst auf der politischen Bühne“ hängt der Union aber ungeachtet seines nachfolgenden Rückziehers (“Natürlich ist mir ein Fehler passiert“) immer noch nach. Die bei der Inszenierung ebenso engagierten Sozialdemokraten meinen hingegen, sich schadlos halten zu können.
Bundeskanzler Gerhard Schröder - bestimmt ein begnadeter Selbstdarsteller - sieht sich in seiner Rolle bestätigt: „Ich war an dem Theater, das da aufgeführt worden ist, nicht beteiligt“, resümierte er eine Woche später den Ablauf des Dramas. Seinen Unionsherausforderer Edmund Stoiber tadelte er statt dessen für die „schlechte Regie“. Wer dagegen gute Regie geführt hat, dürfte angesichts der bestens präparierten Soufleure Wowereits kaum in Frage stehen.
Deus ex machina für das Drama der Konsensdemokratie
„Ist Politik also Theater? Ja, Politik ist Theater“, hatte Müller in seiner Rede festgestellt, die nur zu einem sehr geringen Teil auf Vorgänge im Bundesrat einging, wohl aber auf die Bühne des Politischen insgesamt abhob. „Aber auch dieser Umstand ist weder gut noch schlecht“, fuhr Müller fort. „So lange das politische Theater einen Beitrag dazu leistet, Aufmerksamkeit zu erreichen für die vertretenen Inhalte, ist das politische Theater gut. Es ist schlecht, wenn dadurch von den Inhalten abgelenkt werden soll. Ohne Theater kann in dieser Gesellschaft keine erfolgreiche Politik gestaltet werden.“
Und damit sind wir dann doch wieder beim Kanzler. In kritischen Kommentaren ist zwar nun sogar von „Manipulationen“ die Rede und selbstverständlich auch von dem „schmutzigen Geschäft“ der Politik. Aber müssen wir Gerhard Schröder nicht dankbar sein? Der Deus ex machina ist eine stehende Figur des Theaters, der für das Finale furioso für die dramatische Wende sorgt. Schröder hat dieses Mal den Deus ex machina für die Konsensdemokratie gegeben.
Abwendung vom Overkill-Konsens
Die Wende in der deutschen Außenpolitik ist uns allen seit 1989 in dramatischen Szenen immer wieder vor Augengeführt worden. Seitdem haben wir auf diesem Feld den Konsens der Overkill-Weltunordnung verlassen. Die Mittelmacht Deutschland muss nun lernen ihre Interessen zunächst zu definieren und dann wenn möglich auch durchzusetzen.
In der Innenpolitik dagegen endeten die so genannten Partikularinteressen bislang sehr oft am Overkill-Konsens. Ein Berliner Regierungschef hat dieses Mal im Bundesrat seine Handlungsfähigkeit und Durchsetzungskraft bis zum Letzten ausgereizt. Er hat den Interessen seiner Regierung unumstrittene Priorität verordnet und Vorrang vor dem Konsens eingeräumt. Insofern kann der Beschluss der Länderkammer wohl wirklich als historisch, als richtungsweisend bezeichnet werden. Die Exekutive hat sich als solche in der Tat bewiesen. Die sich nun anschließende Debatte über ein Re-Engineering der Strukturen der deutschen Politik ist diesem - wie wahr und wie richtig - „legitimen Theater“ geschuldet.
www.faznet.de/IN/INtemplates/faznet/inc/in/...6}&mode=picture" style="max-width:560px" >