Mitten im Sommer wird ein spektakuläres Gerücht wahr: Der aggressive US-Hedgefonds Cerberus Capital steigt bei der Commerzbank ein und wird größter Privataktionär. Die Aktie läuft seit Monaten, obwohl das Geschäft der Bank schwer hinkt - doch jetzt dürfte es erst richtig losgehen. Am Ende könnte die Bank an die Schweizer UBS verkauft werden.
Die traditionsreiche Commerzbank wirkt dieser Tage wie ein Übernahme-Zockerpapier der Startup-Szene. Täglich überschlagen sich Gerüchte, wie es mit der Großbank weitergehen könnte. Vor allem New Yorker Großspekulanten wittern ihre Chance. Nach Black Rock ist nun auch die als wenig zimperlich bekannte Cerberus Capital Management bei der Commerzbank einsgestiegen. Die beiden amerikanischen Großkapitalisten sind nun nach nach der Bundesrepublik Deutschland (mit einem Anteil von über 15 Prozent) mit jeweils Fünf-Prozent-Paketen größte Einzelaktionäre geworden.
Die Investoren spekulieren nicht nur auf ein geschäftliches Turnaround bei der Commerzbank. Sie wetten zugleich auf einen strategischen Weiterverkauf. Denn der Bund will sich alsbald aus dem Engagement zurückziehen, das er in der Finanzkrise 2008 eingegangen war. Möglich ist, dass nach der Bundestagswahl im Herbst ein Staatsrückzug wieder auf die Tagesordnung kommt. Die Amerikaner könnten dann zugreifen und die Gestaltungsmehrheit von 25,1 Prozent an einen strategischen Investor - etwa aus China oder Arabien - weiterverkaufen. Als latenter Interessent gilt auch die Schweizer Großbank UBS.
Für diese Perspektive spricht, dass der neue Großaktionär Cerberus ganz gezielt möglichst viel Einfluss bei Deutschlands zweitgrößtem privaten Geldinstitut anstrebt. Dazu will der New Yorker Beteiligungskonzern einen eigenen Vertreter im Aufsichtsrat platzieren. Laut Süddeutscher Zeitung wollen die Amerikaner bereits im November in das Kontrollgremium einziehen. Dann könnte die Aktion „Braut aufhübschen" losgehen. Der Einstieg von Cerberus gilt in der Finanzbranche jedenfalls als ein Vertrauensbeweis für das Finanzinstitut und den Vorstandsvorsitzenden Martin Zielke. Weitere Großinvestoren könnten folgen. Der Aktienkurs könnte von dieser Perspektive weiter beflügelt werden. Dieser hat sich seit August 2016 von 5,16 auf über elf Euro bereits jetzt mehr als verdoppelt.
Wie Cerberus vorgeht kann man derzeit in Wien verfolgen. Die dortige Bawag ist unter dem Einfluß von Cerberus (52 Prozent des Aktienkapitals liegen bei den Amerikanern) grundsaniert worden und hat Millionenverluste, Krisen und riskante Spekulationsgeschäfte hinter sich gelassen. Das biedere Geschäft mit österreichischen Privatkunden ist konsequent kostenoptimiert worden. Dank rigoroser Sparsamkeit zählt die Bawag heute zu den profitabelsten Banken Europas. Im Herbst soll sie an die Börse gehen.
Cerberus ist nicht zufällig nach dem Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannt. Er bewacht das Tor zur Unterwelt und passt auf, dass keine Toten daraus entweichen. Im wirklichen Leben bewacht Cerberus keine Toten, aber die Gesellschaft kauft gerne Beteiligungen und Schulden von todkranken Unternehmen auf – mit dem Ziel, sie wieder zu neuem Leben zu erwecken. Das Institut gilt als aggressiv und als „scharfer Hund“. Der vom Amerikaner Steve Feinberg gegründete Finanzinvestor gilt als erfahren mit problematischen Banken.
Feinberg gibt keine Interviews, es gibt keine Fotos von ihm. Er will auch keine Öffentlichkeit seines Managements und warnt drastisch: „Wenn irgendeiner unserer Mitarbeiter sein Foto und das seiner Appartements in der Zeitung platziert, dann werden wir ihn nicht nur feuern. Wir werden ihn umbringen.“ Feinberg gründete die Firma 1992 mit 32 Jahren, heute liegen die Assets von Cerberus auf einem Bewertungsniveau von 30 Milliarden Dollar. Mit gewaltigen Spekulationen - etwa in der Krise der Autoindustrie - war er außerordentlich erfolgreich. Feinberg ist zugleich ein Großspender der republikanischen Partei - auch von Donald Trump, zu dem er enge Beraterbeziehungen pflegt. Zu Cerberus gehört auch die Freedom Group, der größte Handwaffenhersteller der USA.
So interessant der Einstieg für Investoren scheint, so unangenehm ist die Nachricht für Mitarbeiter der Commerzbank. Sie fürchten, dass Cerberus weitere harte Einsparungen fordern könnte, spätestens sobald die Firma im Aufsichtsrat vertreten ist. "Wir stellen uns da schon mal auf richtig harte Auseinandersetzungen ein", sagt ein Gewerkschafter.
Bankchef Martin Zielke hatte bereits im vergangenen Herbst ein groß angelegtes Sparprogramm angeschoben. Bis 2020 sollen insgesamt 9600 Vollzeitstellen gestrichen werden. Das Netz aus derzeit mehr als 1000 Filialen will die Bank im Zuge der Einsparungen dagegen nicht ausdünnen. Das aber dürfte den Amerikanern nicht reichen, zumal der Umbau der Bank offenbar intern nicht so gut läuft, wie es nach außen scheint.
Der Umbau hat bei der Commerzbank im zweiten Quartal ein tiefes Loch in die Bilanz gerissen. Auch das operative Geschäft läuft schlechter als ein Jahr zuvor. Unterm Strich fiel ein Verlust von 637 Millionen Euro an - nach einem Gewinn von neu ausgewiesenen 215 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.
Bis der tiefgreifende Konzernumbau sich auszahlt, dürften noch zwei Jahre vergehen. In diesem Jahr werden der Commerzbank nur Sondererträge von 390 Millionen Euro - vor allem aus dem Verkauf der Zentrale in Frankfurt - zu einem kleinen Gewinn verhelfen. Die Stellenabbau kostet erst einmal Geld: Genau 807 Millionen Euro stellte das Institut für Abfindungen und andere Kosten zurück.Trotz der Restrukturierungsaufwendungen liegt die harte Kernkapitalquote bei 13,0 Prozent. Noch im ersten Quartal dieses Jahres betrug diese Quote 12,5 Prozent. Aber auch das operative Geschäft läuft nicht wirklich rund. Mit 515 Millionen Euro lag der operative Gewinn um 19 Prozent unter Vorjahr. Das liege auch daran, dass die Bank mehr für die Kundengewinnung und die Digitalisierung des Geschäfts ausgegeben habe, hieß es in der Mitteilung. Seit dem Start des Umbaus im Oktober habe man mehr als eine halbe Million Kunden gewonnen, 100.000 steuerte die Tochter Comdirect mit der Übernahme des Online-Brokers Onvista bei. „Im Kundenwachstum liegen wir über Plan, auch weil wir investiert haben“, sagte Vorstandschef Martin Zielke. „Bis sich das in Ertragswachstum niederschlägt, wird aber noch etwas Zeit vergehen.“ Normalerweise lohnten sich solche Investitionen in etwa eineinhalb Jahren.
Vorangekommen ist die Bank beim Abbau ihrer Schiffskredite. Im ersten Halbjahr sei das Portfolio von fast fünf Milliarden auf 3,9 Milliarden Euro geschrumpft, bis zum Jahresende soll es nur noch drei Milliarden schwer sein. Dabei halbierte sich der Verlust in der Abbau-Sparte auf 115 (Vorjahr: 251) Millionen Euro.
Finanzvorstand Stephan Engels stellte für das Gesamtjahr ein „leicht positives“ Ergebnis in Aussicht. Dazu tragen allerdings Sondereffekte von 390 Millionen Euro bei. 220 Millionen Euro bringt allein der Verkauf des Commerzbank-Towers an den südkoreanischen Samsung-Konzern. Die Bank bleibt aber Mieter in dem höchsten Gebäude Deutschlands, das bisher einem Commerz-Real-Fonds gehörte. Mehr als 80 Millionen Euro erwartet die Bank aus der Auflösung des Ratenkredit-Joint-Ventures mit BNP Paribas. 90 Millionen Euro bringt der Verkauf der Anteile am Kartendienstleister Concardis an die Finanzinvestoren Bain Capital und Advent.
Fazit: Die Commerzbank kämpft immer noch mit Geschäft und schwachen Strukturen. Der Aktienkurs aber ist gewaltig in Fahrt gekommen. Seit einigen Monaten ist die Commerzbank sogar der beste Performer im Dax. Für leitgeplagte Aktionäre ein völlig neues Gefühl. Getrieben wird der Höhenflug aber nicht durch eine unsichere Turnaround-Geschichte und Sanierunsgstory, sondern durch ein großes Investorenmonopoly. Für spekulative Gemüter also eine heiße Konstellation.