Wäre gut, wenn Du immer die Quelle nennst (FTD "Das Kapital", 19.12.06).
Solche pessimistischen Dollar-Analysen kommen meist nach starken Kursbewegungen. So stieg EUR/USD seit Anfang Nov. von 1,27 auf bis 1,3380 (aktuell: 1,31). Das sind 5,35 % in sieben Wochen. Der Panik-Ton in der Journaille (auch der "Economist" hatte Anfang Dez. ein entsprechendes Titelbild [unten] - meist ein perfekter Kontraindikator) suggeriert, dass der Dollar-Verfall sich nun in diesem Tempo fortsetzt. Auf's Jahr hoch gerechnet wäre das eine Abwertung um 40 % - entsprechend EUR/USD = 1,82.
Die genannten Fakten waren aber ausnahmslos schon beim Kurs von 1,27 bekannt. Was den Euro in erster Linie hievte, war eine Serie schwacher US-Daten (u. a. ISM unter 50) und die inverse Zinskurve, in der sich die pessimistische Wirtschafts-Sicht des Bondmarktes widerspiegelte (er rechnete mit Zinssenkungen um 0,75 % wegen Wirtschaftsschwäche in 2007). Da reichte bereits ein kleiner Anstieg auf 1,29 mit folgendem Bruch der "magischen 1,30", um alle Hedgefonds und Momentum-Geier dieser Welt - die zurzeit wahllos auf Alles schießen, was sich bewegt - auf den Zug aufzuspringen zu lassen und die Bewegung stark nach oben zu übertreiben [siehe COT-Daten zu den EUR/USD-Futures].
Dass jetzt eine Korrektur nach unten stattfinden muss, wie die FTD richtig feststellt, ist eine Rückabwicklung der stark überkauften Lage, die charttechnisch bedingt ist, aber durch einige positive US-Wirtschaftsdaten von letzter Woche (u. a. Anstieg der Einzelhandelsumsätze um 1 %) zusätzlich begünstigt wurde. Die gleichen positiven Daten sorgten übrigens auch für einen Bond-Abverkauf (und eine Aktien-Rallye), der die Zinskurve anschließend etwas weniger tief durchhängen ließ. Zurzeit ist nur noch eine US-Zinssenkung von 0,25 für Mai 2007 eingepreist.
Was können WIR nun mit einer solchen Dollar-Analyse wie der aus FTD "Das Kapital" anfangen? Nicht viel, glaube ich. Es ist fraglos zutreffend, dass der Dollar langfristig abwerten muss. Doch man sollte sich ein realistisches Bild vom TEMPO dieser Abwertung machen. Realistisch finde ich etwa die Erwartung von Markus Stadlmann, Chief Investment Officer der Liechtensteiner VP Bank,...
http://www.ariva.de/board/255969?pnr=2961070#jump2961070wonach der Dollar in den nächsten 10 Jahren (!) um insgesamt 5 % (!) zum Euro abwertet. Wenn wir die starken Schwankungen der letzten zwei Jahre "wegmitteln" (EUR/USD schwankte zwischen 1,165 im Nov. 2005 und 1,3650 im Jan. 2005), kommen wir für die letzten Jahre auf einen mittleren EUR/USD-Kurs von rund 1,2650. Addieren wir die 5 %, die der Euro in den nächsten 10 Jahren nach Stadlmann zum Dollar steigen soll, hinzu, kommen wir für 2016 auf einen EUR/USD-Kurs von 1,3280. Das ist gegenüber dem aktuellen Stand von 1,31 gerade mal ein Plus von 1,37 %.
1,37 % ab dem aktuellem Kurs über die nächsten 10 Jahre verteilt wird wohl kaum jemand ernsthaft als "Dollar-Kollaps" bezweichnen wollen.
Man könnte die Kurs-Mittelung auch, was sogar angemessener wäre, über die letzten 6 Jahre vornehmen. 2000 stand EUR/USD bei 0,825 im Tief, 2005 in der Spitze bei 1,3650. Der Mittelwert davon ist in etwa die Kaufpreis-Parität von 1,10. Rechnet man DARAUF die 5 % Anstieg über die nächsten 10 Jahre, kommt man für 2016 auf einen EUR/USD-Kurs von 1,1550. Dann wäre der Dollar zum jetzigen Kurs von 1,31 geradezu ein Schnäppchen, zumal er im Mittel 2 % mehr Zinsen pro Jahr abwirft als der Euro.
Daran ändert sich auch nichts, wenn Hedgefonds EUR/USD jetzt kurzfristig auf 1,45 hochkatapultieren sollten. Da stand EUR/USD auch schon im März 1995 (USD/DM = 1,35). Das damalige Dollar-Tief von 1,45 in 1995 hinderte den Dollar nicht, bis Nov. 2000 wieder auf EUR/USD = 0,8250 zu steigen.
Am Dollar-Hoch in Nov. 2000 war die Journaille voll von dem, was Euro-Pessimisten damals von sich gaben: Der Euro werde weiter fallen auf 0,75. Europa sei ein unflexible, technologisch rückständige Bürokraten-Hochburg mit spätmittelalterlich erstarrten Strukturen, in der Entscheidungsfindungen durch die babylonische Sprachverwirrung der beteiligten Staaten erschwert wird. Jeder Finanzminister behauptet was anderes, verstehen könnten es die anderen eh nicht. Griechenland erschwindelte sich die EU-Mitgliedschaft durch falsche Angaben zu den Staatsschulden, Italien durch eine mafiose (rückzahlbare) Euro-Sondersteuer, die das Staatsdefizit im Beitrittsjahr EINMALIG unter die EZB-Schwelle senkte. Portugal, das Armenhaus, bleibt ein ewig rückständiger Bettelknabe, der mit durchgezogen werden muss. Und bei den stark unterschiedlichen Wachstumsraten in den EU-Mitgliedsstaaten sei eine Feinsteuerung der Gesamtwirtschaft über die EZB ohnehin reine Utopie.
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