von Andrea Cünnen und Peter Köhler
Die deutschen Banken haben eine eigene Art, die Finanzkrise zu bewältigen: In der Hoffnung auf bessere Zeiten beschaffen sich die Kreditinstitute kurzfristiges Geld. Eine riskante Wette. Denn diese Strategie könnte in einigen Jahren erneute Turbulenzen auslösen.
FRANKFURT. Viele Banken gehen nach Expertenansicht bei der Refinanzierung große Risiken ein: Sie finanzieren sich immer kurzfristiger und häufig auch kleinteiliger. Dadurch werde die Liquiditätsbeschaffung der Institute zunehmend intransparent und unkalkulierbar, warnen die Fachleute.
Angesichts der allgemeinen Unsicherheit in der seit über einem Jahr dauernden Finanzkrise sind Investoren kaum bereit, den Banken langfristig Geld zu leihen. Ein weiterer Grund dafür ist die sogenannte flache Zinskurve, bei der es kaum Renditeunterschiede zwischen lang- und kurzlaufenden Anleihen gibt.
Deshalb refinanzieren die Institute auch langlaufende Kredite kurzfristig. "Ein Großteil der öffentlichen platzierten Anleihen hat eine Laufzeit von nur zwei oder drei Jahren, während vor der Krise fünf und zehnjährige Laufzeiten dominierten", sagt Christian Enger, Kreditanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Hinzu kommt, dass die Banken im Zuge der Finanzmarktkrise weniger große Anleihen öffentlich platzieren, mit denen sie sich auf einen Schlag oft eine Mrd. Euro und mehr beschaffen. Stattdessen gibt es mehr Privatplatzierungen. Dabei schreiben die Banken die Emissionen nicht öffentlich aus, sondern gehen gezielt auf einzelne Investoren wie Versicherer, Sparkassen, Fonds oder andere Banken zu. Ihnen verkaufen sie Anleihen oder Schuldscheine über oft nur zehn Mill. bis 50 Mill. Euro. "Zahlen zum Markt für Privatplatzierungen gibt es nicht, aber die diskreten Deals mit Investoren werden als Refinanzierungsquelle wichtiger", sagt Alexander Plenk, Analyst für Bankenanleihen bei Unicredit.
"Der Trend, dass sich Banken verstärkt über oftmals strukturierte, kleinteilige Privatplatzierungen refinanzieren, hat im Zuge der Krise noch zugenommen", sagt auch Stefan Best, Bankenexperte bei der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P). "Unsere Sorge dabei ist, dass dadurch die strukturellen Ungleichgewichte in den Laufzeiten zwischen der Kredit- und der Einlagenseite kontinuierlich zunehmen werden, und so die Refinanzierungsprobleme in die Zukunft verlagert werden", ergänzt Best.
Wenn die Banken so weitermachten, baue sich eine Welle auf, meint ein Branchenbeobachter. Wenn beispielsweise ein Kredit auf fünf Jahre prolongiert werde, die Refinanzierung aber nur über zwei Jahre laufe, werde die Kalkulation immer schwieriger. Manche Banken wüssten im Moment gar nicht, ob sie im Kreditgeschäft Geld verdienten oder am Ende drauflegten, weil die Refinanzierung so unsicher sei. "Die kurzfristigen Zinsänderungsrisiken und die Inkongruenz zwischen Aktiv- und Passivgeschäft sind einfach nur schlecht", sagt ein Insider.
Außerdem haben sich die Bonitätsnoten - bis auf wenige Ausnahmen - verschlechtert, was die Mittelbeschaffung zusätzlich verteuert. "Die Banken müssen heute deutlich mehr zahlen, aber durch die Privatplatzierungen über 20 Mill. oder 50 Mill. Euro gibt es keine Transparenz über die gesamten höheren Belastungen", sagt ein Bankfachmann. Im Juli 2007 habe man bei fünfjähriger Laufzeit bei einem öffentlich-rechtlichen Institut noch den Interbankensatz Euribor plus 15 Basispunkte gezahlt, heute betrage der Aufschlag 60 Basispunkte. Bei Privatbanken sei die Lage noch dramatischer. Dabei litten gerade Banken, die ohne Einlagengeschäft ganz auf den Kapitalmarkt angewiesen seien, unter erhöhtem Margendruck, betont auch Katharina Barten, Analystin bei der Ratingagentur Moody?s.
Etwas besser stehen Banken da, die mit Hypotheken oder Staatskrediten gedeckte Pfandbriefe begeben können, für die Investoren weniger Rendite als für ungesicherte Bonds verlangen. "Der Pfandbrief ist für uns ein extrem wichtiges Instrument zur Refinanzierung", sagt Horst Bertram, Investor-Relations-Chef der Bayerischen Landesbank. "Pfandbrief-Emittenten haben durch die stabileren und attraktiveren Refinanzierungskosten gegenüber anderen Banken einen gewissen Wettbewerbsvorteil, sagt auch Analystin Barten.
Ein anderer Bankenexperte ist skeptischer: Pfandbriefe linderten zwar die Schmerzen. Trotzdem zeichne sich für viele Institute ab, dass die Kombination aus kurzatmiger Kapitalbeschaffung bei tendenziell schlechteren Ratings "unheilvoll" sei.
Notendruck
Hohe Abschreibungen, die schwächere Konjunktur und eine schwierigere Refinanzierung bringen die Bonitätsnoten vieler Banken unter Druck. Die meisten deutschen Institute haben zwar von der bei Banken kritischsten Ratingagentur S&P Noten im Bereich "Einfach-A" - entsprechend guter Bonität. Seit Juni 2007 hat S&P aber die Ausblicke für die Ratings von Dresdner Bank, WestLB , BayernLB und HSH Nordbank auf negativ gesenkt. Auch die Deutsche Bank - das einzige deutsche Institut mit dem viertbesten Rating "AA-" von S&P - bekam einen negativen Ratingausblick. Noch härter traf es US-Banken. Im Juni stufte S&P die Ratings von Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley herab und beließ es bei negativen Ausblicken.
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Mit freundl. Grüßen TraderonTour