Die Schulden vieler Staaten steigen ins Uferlose – und nähren die Angst vor einer Hyperinflation. Kann nur eine goldgedeckte Währung ein Desaster verhindern?
Rumms, das saß: Die Rating-Agentur Fitch stufte vor Kurzem die langfristigen Anleihen des US-Bundesstaats Kalifornien herunter. Im Tempo eines Fallbeils ging es von „A-“ auf „BBB“. Die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt – in den Augen internationaler Geldgeber geschrumpft zum unsicheren Kantonisten. Nur eine Handbreit trennt die Anleihen noch vom Status „non-investmentgrade“ – Ramsch.
Kaliforniens Malaise ist der jüngste Höhepunkt einer Krisenwelle, die selbst Staaten mit einem vormals tadellosen Ruf in die Knie zwingen kann. Im Zuge der Finanzkrise explodieren die Staatsschulden fast überall – und wie nie zuvor gerät das globale Geld- und Währungssystem ins Wanken. Die Leitwährung Dollar steht auf der Kippe.
Allen voran die aufstrebenden Schwellenländer China und Russland rufen nach einer neuen starken Weltwährung. In den Chor der Kritiker mischen sich Stimmen, die noch einen Schritt weiter gehen. Sie wollen einen längst verblassten Mythos wiederbeleben. Sie wollen das Comeback des Goldstandards – Geld soll stets durch Gold gedeckt sein.
Die Vorboten der Inflation
„Das Geldsystem steht vor großen Veränderungen“, prophezeit Thorsten Polleit. Der Chefvolkswirt von Barclays Capital ist sich sicher, dass die Kreditkrise nur der Vorbote der großen Inflation ist. „Das Eigenkapital im Bankensektor reicht vermutlich nicht mehr aus, das bisherige Kredit- und Geldmengenangebot aufrechtzuerhalten“, warnt der Ökonom. Die Geldproduktion via Bankenkredit werde dann nicht mehr funktionieren.
„Währungsgeschichtlich betrachtet, ist das staatliche Papiergeldsystem nicht der Normalfall“, sagt Polleit. Üblich war, dass das Geld einem werthaltigen, nicht beliebig vermehrbaren Gut entsprach. Zum Beispiel Gold. „Weil auch das Geldsystem sich weiterentwickeln wird, erscheint mir das Wiederanknüpfen an den Normalfall durchaus plausibel“, folgert der Barclays-Capital-Mann.
Im staatlichen Kreditsystem wird der Marktzins künstlich gesenkt und stößt so Investitionen an, die ohne die Herabsenkung nicht getätigt worden wären. Deren Erfolg hängt zudem davon ab, dass immer mehr Kredite und Geld in Umlauf gebracht und die Zinsen immer weiter gesenkt werden. Das führt in die Überschuldung. Polleit rät zur Privatisierung des Geldsystems. „Vermutlich würde der Markt Gold, vielleicht zusätzlich auch Silber und Platin Geldfunktion zuweisen“, sagt er.
„Eines Tages wird es eine Krise geben – dann ist das gesamte System bankrott“, malt auch Marc Faber schwarz. Der Herausgeber des „The Gloom, Boom & Doom Report“ hält es für möglich, „dass wir dann wieder zu einem Goldstandard zurückgehen.“
Gold als hinterlegte Sicherheit hat große Tradition. Krösus, der König der Lyder in Kleinasien, ließ im Jahr 650 vor Christus erstmals Goldmünzen prägen, die dann offizielles Zahlungsmittel wurden. Länder mit einer Goldwährung zählten zu denen, die am längsten existierten. Mit der Einführung der Goldmünzenwährung bewahrte Julius Cäsar Rom vor einem 400 Jahre früheren Untergang.
Der historische Goldstandard trat seinen Siegeszug von England aus im 19. Jahrhundert an. Bei ihm wurde ein staatlich festgelegter Umtauschkurs vereinbart. Der aufgedruckte Wert des Papiergelds war zu einem vorgeschriebenen Prozentsatz in Gold hinterlegt und konnte jederzeit in Gold zurückgetauscht werden. Beides zusammen verhinderte inflationäres Gelddrucken.
Die Tücken des Goldes
Ein wesentliches Manko blieb allerdings: Weil die Goldproduktion und damit die Geldmengenentwicklung damals mit dem florierenden Welthandel nicht Schritt halten konnte, kam es zu Deflationstendenzen: Die Preise sanken, weil zu wenig Gold verfügbar war. Erst als 1890 die südafrikanischen Minen in Produktion genommen wurden, wurde die Wirtschaft wieder mit genügend Liquidität versorgt.
Als am Ende des Zweiten Weltkriegs nur noch die USA über ausreichend Goldreserven verfügten, trat an Stelle des Goldstandards der Gold-Dollar-Standard. Alle Währungen wiesen einen festen Kurs zum Dollar auf, der seinerseits gegen 0,89 Gramm Gold eingetauscht werden konnte. Die Feinunze Gold kostete damals 35 Dollar. Nun war es an den Amerikanern, den Welthandel mit Liquidität zu versorgen. Weil sie immer mehr Dollar zur Verfügung stellen mussten, schwand das Vertrauen in die amerikanische Devise. 1971 zerbrach das System.
Bis heute ist der Greenback in der Bredouille. Die Amerikaner hielten den Motor der Weltwirtschaft am Laufen. Ihr exzessiver Konsum führte weltweit zum wirtschaftlichen Aufschwung. Mit den bekannten Folgen, dem gigantischen US-Leistungsbilanzdefizit sowie dem überbordenden US-Haushaltsdefizit.
Muss Gold ein Comeback erleben?
Ein neuer Goldstandard würde das Dilemma beheben. Mit welcher Parität der neue Goldstandard theoretisch eingeführt werden könnte, ergibt sich aus einer einfachen Arithmetik. Man teilt die vorhandenen Staatsschulden durch den vorhandenen Goldbestand. Im Falle der USA entstünde bei einer Verschuldung von 5,6 Billionen Dollar und einem US-Goldbestand von gerundet 8000 Tonnen die neue Goldparität bei einer Unze Gold zu 21 770 Dollar. Das entspräche einer Aufwertung des Goldes auf das 78-Fache.
Papiergeld-Geld hingegen würde verlieren. „Die gesamte Geldmenge würde einmalig durch die Umstellung ansteigen und damit auch die Güterpreise“, beschreibt Polleit den Systemwechsel, „doch die Verluste für die Halter des Papiergeld-Geldes sind ohnehin bereits unwiderruflich vorhanden“.
Mit einem Goldstandard mache man sich abhängig vom Goldmarkt, halten Kritiker den Befürwortern eines goldhinterlegten Geldstandards entgegen. „Wenn wir einen Minenstreik in Südafrika haben oder die Goldfunde ausbleiben, müssen wir die Geldpolitik an diesen Problemen ausrichten“, gibt etwa Dirk Schumacher zu bedenken. So könne man keine vernünftige Geldpolitik betreiben, stellt der Chefvolkswirt von Goldman Sachs Deutschland fest.
In der Tat handelt es sich auch bei Gold um eine endliche, wenngleich nicht erschöpfte Ressource. In vielen Ländern ist die Hauptförderung längst überschritten. Wird Gold knapp, steigt der Wert. Dann müsste bei einem Goldstandard auch die Geldpolitik angepasst werden. Als „ökonomischen Unfug“ weist Goldstandard-Befürworter Polleit das Knappheitsargument zurück. Seiner Meinung nach hätte ein steigender Goldpreis sinkende Güterpreise (ausgedrückt in Gold) zur Folge. Damit wäre wieder ein neues Marktgleichgewicht erreicht.
Noch sind vor allem die Politiker nicht bereit, die Argumente für oder wider ein neues wertgedecktes Geldsystem zu erwägen. Beim G-8-Gipfel vergangene Woche kippten die USA und Europa schlicht die Debatte über den Dollar – ein Affront gegen Russland und China, beide Länder wollten die Bühne für diese Diskussion nutzen.
Gelassen bleiben Nostalgiker – sie haben dieser Tage Grund zu feiern. Die Konferenz von Bretton Woods, 1944 Ausgangspunkt der golddominierten Währungsordnung, jährt sich zum 65. Mal. Das „Mount Washington Resort“, damaliger Konferenzort, lädt am 25. Juli zum Jubiläumstreff. Besucher nächtigen zwei Tage zum Sonderpreis von 194 Dollar – Sachwerte wie Frühstück, Dinner und Überraschungsgeschenk sind im „Gold-Standard-Package“ inbegriffen.
q: focus.de
Prof. DDr. Dr. mult. habil. e. h. med. vet. anomal. ES