46 Prozent Plus: Warum zwei Vermögensberater in der Oberpfalz den Erfolg haben, von dem Broker an der Wall Street und im Frankfurter Bankenviertel derzeit nicht mal zu träumen wagen
Ein Musterdepot ist eine Vermögensanlage, die von den meisten größeren Banken eingerichtet wird, um Kunden
vorzumachen, was aus ihren Vermögen werden würde, wenn. Also in letzter Zeit meistens: nichts. Aber das geht allen so im Moment, kein Grund zur Panik, sagen die Bankberater, die Blase, ihr Platzen, der 11. September, die ganzen Skandale.
Vor einem Jahr haben auch die Vereinigten Sparkassen Eschenbach i. d. Opf., Neustadt a. d. Waldnaab,
Vohenstrauß ein solches Musterdepot angelegt, nicht weil die Nachfrage so groß gewesen wäre, sondern weil der neue Leiter der dortigen Vermögensverwaltung etwas beweisen wollte. Dass man auch in diesen Zeiten mit Aktien »a Göd« verdienen kann.
Wenn man also sein letztes Geld zu Beginn dieses Jahres zu Uwe Bergold in der Filiale Neustadt, Öffnungszeiten 8
bis 16.45, Donnerstag bis 18 Uhr, getragen hätte, dann wäre es jetzt fast schon anderthalb mal so viel. In Ziffern: +
43,5 Prozent.
So steht es sparkassenrot umrahmt in einem Schaukasten gleich neben dem Eingang. »Renditeerfolg in turbulenten
So steht es auch auf der Pappe, die Bergold in seinem Büro an die Wand gelehnt hat, darauf ein vergrößerter
Artikel von der Aufschlagseite des Finanzmarkts der FAZ vom 20. Juli: »Die Arche Noah in katastrophalen
Börsenzeiten«. Ansonsten ist die Seite an diesem Tag voll mit Bergketten, nach rechts abfallend, der Dax, der
Standard & Poors-500, der Nasdaq, der Dow Jones. Am Tag darauf wird WorldCom Konkurs anmelden und die
Preise weiter zusammenbrechen lassen.
Nur den Aktien im Depot von Herrn Bergold geht es unverändert gut.
Das ist auch schon die Geschichte. Wie der Vermögensverwalter einer Sparkasse (und sein bester Freund) eines der erfolgreichsten Musterdepots in Deutschland herangezüchtet haben. Erfolgreicher als das der Jungs in den
Nadelstreifen, »drom in Fronkfurt«, »drunt in München«, »drim in New York«, wie Bergold das sieht.
Er trägt übrigens auch einen Anzug mit kreidigen Nadelstreifen und eine sportliche Glatze und legt Wert auf die Feststellung, dass er auch schon in der Stadt gelebt hat, in Regensburg, in München, und freiwillig in die
Oberpfalz zurückgekehrt ist.
Aber was heißt freiwillig? Wenn man von da kommt, die Freunde da leben, wenn man nirgendwo so gut
Mountainbiken kann wie in dieser schönen Natur. Er deutet auf den dampfenden Waldrand gleich hinter seinem
Büro, eine zunächst ansteigende, dann leicht abfallende Kurve übrigens, einen Geldmarktfonds nachahmend,
davor ein Baum, in seiner Krone vergleichbar mit, sagen wir, dem Verlauf einer gewissen Aktie von South Sea
Pacific (damals, 1720) oder auch dem von EM-TV. Das ist seine Obsession. Dass er Kurven sieht, wo andere die
Landschaft genießen.
Als auch die letzten Deutschen Aktien in ihren Besitz nahmen, war Bergold Fahrrad fahren auf Mallorca. Da stand
er mit seinem Radl vor einem Berg, und was er sah, war, dass es auf der anderen Seite steil bergab ging. Bergold
rief seinen besten Freund an. »Der Berg hier vor mir schaut aus wie der neue Markt.« Im Frühling 2000 war das,
kurz vor dem Crash. Und vor ihm lag die Zukunft, wie die Kurven sich entwickeln würden. Ach was, Kurven. Die Welt!
»Geschichte wiederholt sich«, sagt Christian Wolf, der Mann, der die meiste Zeit still neben ihm sitzt. Sie kennen
sich seit dem gemeinsamen Studium an der Fachhochschule Weiden. Verblüffende Parallelen: zwei Realschüler, die
erst bei der Bundeswehr ihr Abitur gemacht haben, Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Ende 20, ein Faible
für Aktiengeschichte. Die Geschichte der Börse ist ein Teilgebiet der Technischen Analyse:
Wenn man nicht
zuerst darauf schaut, welcher Wert in den einzelnen Unternehmen steckt, sondern wie die Psychologie der Massen
die Kurse beeinflusst, schon immer beeinflusst hat. »Der Antrieb des Menschen ändert sich ja nicht: Gier und
Angst.« Steigt die Angst, sagt Bergold, fallen die Kurse. »Sie müssen mit einer extremen Korrektur nach unten
rechnen.« Ganz steil im Herbst. Danach die Mühen der Ebene, eine lange Durststrecke.
So war das nach 1929, so
war das in den sechziger Jahren, so war es 1990 in Japan. So war das sogar schon 1637 nach der Amsterdamer
Tulpenkrise, als auch das letzte Dienstmädchen sich an Tulpenzwiebeln verspekulierte. Und irgendwann geht es natürlich auch wieder bergauf.
Also abwarten?
»Das hängt von der Restlaufzeit des Investors ab.« An Bergolds Wand hängt ein Poster mit den amerikanischen
Kursverläufen seit 1896. Eine Coca-Cola-Aktie, die nach dem Boom der fünfziger Jahre fiel, brauchte immerhin zwölf
Jahre, bis sie wieder die alte war.
Und diesmal?
Vielleicht in 20 Jahren oder so.
Bis dahin?
Edelmetalle. Das Musterdepot besteht vor allem aus Aktien von Gold- und Silberminen und, zugegeben, der
amerikanischen Rüstungsindustrie. Der Goldpreis und die Aktien der Minengesellschaften stehen in umgekehrter
Korrelation zum amerikanischen Börsenkurs. Schon immer.Sicher?
»Der liebe Gott bin ich auch nicht«, sagt Bergold.
Sondern Dozent an der Fachhochschule in Weiden, Spezialgebiet Finanz- und Investitionswirtschaft. Einer, der
überall Signale empfängt, auf ntv, beim Zeitunglesen, nach Feierabend, die ihm bedeuten, wie die Kurven sich
entwickeln werden.
Was die Analysten in den Geldmetropolen natürlich auch könnten, aber sich vielleicht nicht trauen, weil sie dann
zu ganz pessimistischen Prognosen kommen würden, die durchzuhalten es einen Abstand braucht und einen Chef,
der einen machen lässt. Das ungefähr sind die Arbeitsbedingungen bei der Sparkasse Neustadt. Neben dem
Landschaftlichen und dem Familiären. Zu Vorstellungsgesprächen in Frankfurt sind die beiden nach dem
Abschluss ihres Studiums erst gar nicht mehr hingefahren. Stattdessen haben sie vor anderthalb Jahren bei der
Vereinigten Sparkasse zwei Nachbarbüros bezogen.
Weil man, wenn man in einer expertenarmen Gegend lebt, ein besserer Experte ist. »Herdentrieb« nennt Bergold die
Krankheit der anderen mit grollendem R. Er schreibt gerade ein Buch darüber, zusammen mit einem Professor für
Wirtschaftspsychologie von der FH Weiden.
Die These ist ganz einfach: dass die Analysten, selbst wenn sie gut ausgebildet sind (und es gab in den letzten
Jahren viele Quereinsteiger) und nicht korrupt (wie ein gewisser Analyst von Merryl Lynch, der Kleinanlegern
schlechte Aktien empfahl, weil es den Großkunden seiner Bank half), dass also selbst gute Analysten genau das
tun, was alle tun.
»Unter solchen Bedingungen«, sagt Wolf, »könnten wir beide nicht arbeiten.« Und Bergold: »Man hat dann,
psychologisch begründbar, den Zwang, sich der Allgemeinheit anzupassen. Wenn überall Experten sind, bildet
man eine Einheitsmeinung, und dann lässt sich da oben halt viel leichter leben.«
Und im Moment meinen eben alle, das wird schon wieder.
Uwe Bergold hat bereits im November 1999 (in der Fachhochschulzeitung) einen Millennium-Crash angekündigt
und musste sich dafür nicht nur einmal einen Spinner nennen lassen.
Vielleicht liegt es daran, dass er gar nicht wie ein Sieger lächelt, wenn er über sein Vorzeigedepot spricht oder die
Tatsache, dass seine Abteilung im letzten Jahr im Vergleich aller bayerischen Sparkassen von Platz 78 auf Platz
eins gesegelt ist. Er redet, ohne zu lächeln, von seinem Erfolg, wie ein Einwechselspieler, der nach dem Tor die
Faust zeigt, drim, drunt und drom in Frankfurt, wo sie ihn nicht ernst genommen haben. Wolf hat das genau
beobachtet. Der hat für so was ein Auge, er war in seiner ersten Karriere bei der Kriminalpolizei, speziell geschult in Verhörtechniken.
Leicht anzuwenden bei ihrem Besuch in Frankfurt bei der Kapitalanlagegesellschaft der Sparkasse. Wolf hat es
sofort gesehen, die nehmen sie nicht ernst. Einen »Querdenker« haben sie Bergold genannt, weil er behauptet hat, dass Dutzende von Analysten mit ihrem Optimismus falsch lägen. Und dass er deshalb gerne einen eigenen Fonds
hätte, was natürlich nicht geht, denn Fonds werden von Experten gemanagt, aber niemals von Sparkassenangestellten. Die sollen sie nur verkaufen.
Zurück in die Oberpfalz in Wolfs BMW.
»Da werden Milliarden von Kundengeldern demnächst verbrannt«, soll Bergold auf der Heimfahrt gesagt haben.
In Deutschland wurden im Verlauf des Jahres 2001 in Aktienfonds Privatvermögen in Höhe von 94 Milliarden Euro
vernichtet.
Am 25. Juli titelt die Oberpfälzer Regionalzeitung Der neue Tag: Auf und Ab an der Börse erschreckt die Anleger.
Andere Themen, die die Leute im Landkreis Neustadt, Autokennzeichen »NEW«, bewegen: Ein junger Mann ist an
Leukämie erkrankt und braucht eine Knochenmarkspende, Sparkassenvorstandsmitglied Hans Dirschedl überreicht
einen überdimensionierten Scheck über 1000 Euro.
Endlich begonnen wurde mit dem Bau einer Umgehungsstraße, die die Hauptstraße vom zunehmenden Güterverkehr entlasten soll.
Im Lokalteil geht es um einen Infoabend, in dessen Verlauf Wolf und Bergold 300 Besucher darüber informiert
haben, dass alles noch viel schlimmer kommen wird.
»Ich will nicht sagen, dass ich ihm hörig bin«, sagt Erwin Ott, der als dienstältester Mitarbeiter in der Abteilung
Asset Management und Research arbeitet. Vormals: Sachbearbeitung Wertpapiere.
»Aber der Bergold hat hier ein Feuerwerk abgebrannt. Ich bin jetzt 32 Jahre bei der Sparkasse und seit 21 Jahren
bei den Wertpapieren, und ich bin fasziniert, dass ich so was in einem Betrieb mal erleben darf. Ich muss also
sagen: Die beiden Herren sind absolute Profis.« Haben als erste Amtshandlung die besserwisserischen
Börsenbriefe ortsfremder Experten abgeschafft und die fünf Mitarbeiter aus der Sachbearbeitung Wertpapiere von
ihrem Dasein als »reine Vertriebsmaschinen« erlöst. Ott: »Was die in Frankfurt vorgegeben haben an Meinung,
das haben wir damals so übernommen, weil wir gesagt habe: Dort sind die Experten.«
Und was hat er jetzt davon?
Kürzlich ist eine Bekannte bei Herrn Ott vorstellig geworden, »eine ganz eine nette Frau und sparsam«, die ihm vor Jahren ihr Geld anvertraut hatte. Nach dem Crash ist es nur noch die Hälfte wert.
So sind die Leute, sagt Bergold, so war das auch schon vor 200 Jahren. Erst hatten sie Gier in den Augen, seit
einiger Zeit sieht er nur noch Angst. Kürzlich ist in den neuen schönen Räumlichkeiten der Sparkasse sogar eine
Dame zusammengebrochen, deren Vermögen zu einem Nichts geworden war. Auch ihr Mann hatte Tränen in den Augen.
Bergold bleibt da kühl. Er mag das nicht. Er mag, sagt er, das Göd überhaupt nicht so gerne, hat selbst gar nicht so
viel davon, hat sich schon seit Jahren nichts mehr gekauft, worauf er geil gewesen wäre. »An schönen Anzug
vielleicht«, souffliert sein Freund, der Verhörspezialist, aber Bergold reagiert gar nicht darauf. Er fahre immer noch
dasselbe Auto wie in Studentenzeiten (einen Porsche). Obwohl er, 36 Jahre alt, in der Zwischenzeit geheiratet hat.
Noch keine Kinder. Demnächst vielleicht mal ein Haus. Schließlich will er hierbleiben. In schlechten wie in sehr
schlechten Zeiten.
»Wir stehen in einer Baisse, die durchaus eine Jahrhundertabwärtsbewegung ist, und wenn man mal von den
kurzfristigen Erholungsphasen absieht, dann ändert sich nichts an unserem Szenario:
Alles, was Angst indiziert,
also Gold, Silber, Edelmetallaktien, sind eher auf dem Weg nach oben, und die klassischen Aktienmärkte werden
eher nach unten gehen. Auch wenn den Schafen im Moment was anderes gesagt wird.«
Im Landkreis Neustadt konnten schon 70 von ihnen gerettet werden. Sie werden jetzt von der Vermögensverwaltung der Vereinigten Sparkasse betreut. Und seit die Zeitungen über Bergolds Vorzeigedepot schreiben, haben manche Leute schon wieder Gier in der Stimme.
»Also wenn Sie den Tipp mitnehmen, dann haben Sie den besten Tipp Ihres Lebens«, flüstert Bergold zum Ende des Interviews, »achten Sie nur auf die Ratio zwischen Aktienindex und Goldpreisen. Denken Sie an meine Worte.
Lassen Sie Ihr Gold so lange liegen, bis dieser Faktor wieder unter eins ist. Dann kaufen Sie erst wieder Aktien.«home.houston.rr.com/intelligentbear/dj-au-ratio-lt.gif" style="max-width:560px" >