Interview mit Dr. Marc Faber:
„Meilensteine an den Finanzmärkten“
14.06.2002
Bloß nicht alles auf Aktien setzen, rät der inter national bekannte Anlagestratege Dr. Marc Faber. Er bleibt für Aktienanlagen generell pessimistisch und sieht die Rohstoffmärkte und Immobilienanlagen in den Emerging Markets vor einer großen Zukunft.
Manch einem gilt er als Untergangsprophet der etablierten Wertpapiermärkte. In seinem monatlich erscheinenden Newsletter „Gloom, Boom and Doom Report“ (www.gloomboomdoom.com) nimmt der in Hongkong ansässige Marktstratege Marc Faber zumindest kein Blatt vor den Mund. Und auch jetzt, da viele Marktstrategen schon wieder das Hohe Lied vom neuen Aufschwung anstimmen, lässt sich Faber nicht beirren. FONDS professionell sprach mit ihm über die Aussichten der Kapitalmärkte.
Schon seit geraumer Zeit äußern Sie sich sehr skeptisch über die Entwicklung der Kapitalmärkte in den Industrieländern. Was macht Ihnen Sorgen?
Wenn Sie sich beispielsweise die Entwicklung des amerikanischen Aktienmarktes ansehen, dann fällt ja schon auf, dass mit der jüngsten Rezession die längste Expansionsphase in der Geschichte der USA zu Ende gegangen ist. Dabei war das, was wir bisher gesehen haben, lediglich eine sehr milde Rezession, die sich vor allem im Investitionsgütersektor bemerkbar macht. Die Investitionen wurden gedrosselt, aber der Konsum wurde aufrecht erhalten. Aber auch nur deshalb, weil die amerikanische Notenbank die Zinsen massiv gesenkt und damit die Geldmenge extrem nach oben getrieben hat.
Aber es ist doch nicht zu verkennen, dass die Wirtschaftsdaten sich seit einiger Zeit wieder deutlich verbessern?
Zugegeben, seit Februar sieht es schon wieder etwas besser aus. Allerdings bin ich zum Teil sehr skeptisch, was die tatsächliche Aussagekraft der Statistiken zur amerikanischen Wirtschaftsentwicklung angeht. Da passiert ja schon einiges an Schönfärberei.
Was meinen Sie damit?
Angenommen, Sie verkaufen in einem Jahr 1000 Computer zu 1000 Dollar, also in einem Gesamtwert von einer Million. Im nächsten Jahr verkaufen Sie 2000 Computer zu 500 Dollar. Dann stellt sich doch die Frage, hat hier tatsächlich ein Wirtschaftswachstum stattgefunden? Für das Unternehmen wächst der Umsatz nicht, aber die Regierung neigt in einem solchen Fall dazu, das Ganze in den Zahlen, die sie veröffentlicht, etwas anders darzustellen. Es gibt eine Unmenge von Bereinigungen in den Statistiken, bei denen man sich fragt, ob die so eigentlich berechtigt sind.
Und als nächstes befürchten Sie jetzt ein Einbrechen des Konsums?
Bisher haben die Konsumenten ja munter weitergekauft. Das war aber, wie gesagt, nur durch die rasant gesenkten Zinsen möglich. Nun stellt sich die Frage: Wie steht es eigentlich, wenn eines Tages die Zinsen wieder steigen werden? Und das vor allem vor dem Hintergrund, dass die jetzige Rezessionsphase in ihrem Verlauf sehr untypisch ist. Bisher war es jedenfalls so, dass die Zinssätze im wirtschaftlichen Abschwung relativ langsam gefallen sind und ihre Talfahrt sogar noch weit in die jeweilige Erholungsphase fortgesetzt haben. In der jetzigen Situation ist das meiner Ansicht nach völlig undenkbar.
Reicht das denn aus, um eine Fortsetzung der Rezession vorherzusagen?
Es kommen ja noch weitere Punkte hinzu. Wir haben seit 1980 eine Baisse an den Rohstoffmärkten erlebt. Die Preise für Kupfer, Aluminium und Gold, aber auch für Weizen beispielsweise sind eigentlich ständig gefallen. In Kombination mit einer stark erhöhten Geldmenge besteht nun die Gefahr, dass die Preise gerade im Rohstoffsektor deutlich anziehen werden. Nach dem, was die amerikanische Regierung derzeit publiziert, beträgt die Konsumgüterinflation etwa 2,5 Prozent. Im Rohstoffsektor fallen die Preise sogar noch weiter. Wenn sich das eines Tages ändert – und im Dienstleistungssektor haben wir in den USA bereits eine jährliche Inflationsrate von fünf Prozent –, dann könnten wir relativ schnell mit Inflationsraten von vier bis fünf Prozent konfrontiert sein. Das wäre das Ende der Kauflust beim Verbraucher. Und auch der Refinanzierungsboom, wie wir ihn bei US-Immobilien gesehen haben, käme zu einem Ende. Damit aber wären wir mitten in der nächsten Phase der Rezession, die dann eben vom Konsum ausgehen wird.
Phasenweise aber schert sich die Börse erstaunlich wenig um die Entwicklung der realen Wirtschaft.
Das ist richtig. Wirtschaft und Börse können sich natürlich sehr unterschiedlich entwickeln. Aber auch was die börsentechnische Situation angeht, habe ich keine große Hoffnung. Zum einen sind sehr viele US-Aktien immer noch sehr hoch bewertet. Zum anderen sieht die Gewinnsituation nicht gerade so aus, dass sich dieses Niveau rechtfertigen ließe. Das können Sie doch ganz einfach messen. Der durchschnittliche Gewinn pro Aktie im S&P-Index lag im Jahr 2000 bei rund 56 Dollar. Heute bewegt sich diese Kennzahl bei einer jährlichen Rate von rund 25 Dollar – weniger als die Hälfte. Wir hatten schließlich einen gewaltigen Gewinneinbruch. Meiner Meinung nach ist es praktisch unmöglich, in den nächsten zwei bis drei Jahren auf das frühere Niveau zurückzukommen.
Und wo suchen Sie dann nach günstigen Anlagemöglichkeiten?
In Asien finden wir derzeit eine Konstellation vor, in der die Bewertungen wesentlich günstiger ausfallen als in Amerika. Und das bei einem gleichzeitig eher positiven Ausblick für die konjunkturelle Entwicklung.
Da werden Ihnen viele entgegenhalten, wenn es Amerika schlecht geht, geht es auch den Emerging Markets schlecht?
Dem stimme ich ja im Wesentlichen sogar zu, aber Sie müssen schon sehen, dass die Wirtschaft in einem Land wie beispielsweise Indonesien von vielen Faktoren abhängt, die ein deutlich größeres Gewicht haben als die amerikanische Wirtschaft. Für Indonesien sind nicht die Exporte nach Amerika der wichtigste Faktor. Viel bedeutender ist die Frage, ob der Ölpreis sich auf dem jetzigen Niveau hält und ob die Preise für Holz, Kaffee und Kautschuk weiter steigen. Aber selbst wenn Sie annehmen, dass wir in eine große globale Rezession abgleiten: Dann wird meiner Ansicht nach die amerikanische Börse stärker fallen als die asiatischen Aktienmärkte. Und selbst wenn es dann irgendwann wieder zu einer Wirtschaftserholung kommt, dann werden sich die asiatischen Börsen besser entwickeln als Amerika. Relativ gesehen sollte man Asien also eher übergewichten.
Das hört sich ja fast nach einem Paradigmenwechsel an?
Ich glaube, dass man als Anleger einfach realisieren muss, dass es von Zeit zu Zeit so etwas wie Meilensteine an den Finanzmärkten gibt, an denen sich die Spielregeln ändern. Schauen Sie doch einfach zurück in die Vergangenheit. Mit drei sehr einfachen Anlageentscheidungen hätten Sie in den letzten 30 Jahren ein sehr gutes Ergebnis erzielt: Gold kaufen im Jahr 1970, Gold verkaufen 1980 und in Japan einsteigen. Dann 1990 Japan wieder verkaufen und in den amerikanischen Nasdaq investieren, um dann im Jahr 2000 wieder auszusteigen. Die Frage ist, welches Segment das nächste ist, das laufen wird.
Nach wie vor glauben aber viele Experten, dass die Wertpapiermärkte in Amerika und auch Europa zu den Spitzenreitern gehören werden?
Ich bin da anderer Ansicht. Ich gehe davon aus, dass Rohstoffe inklusive Gold zu den besten Anlagen gehören werden. Es gibt Leute, die sagen, der Goldpreis geht in Richtung 800 Dollar, und glauben, damit eine gewagte Prognose abgegeben zu haben. Wenn er aber bis 800 Dollar geht, dann hat er meines Erachtens sogar Platz bis 3.000 Dollar. Denn man muss schon sehen, dass es im Vergleich zur Geldmenge im Grunde nur ganz wenig Gold gibt in der Welt. Und wenn erst einmal eine Hausse so richtig in Gang kommt, dann springen viele große Marktteilnehmer auf den Zug auf. Und eines kommt noch hinzu: Die Notenbanken sind zu jeder Zeit bereit, Geld zu drucken, wenn es irgendwo ein Problem gibt. Das gilt vor allem für die amerikanische Notenbank, weniger für die europäischen. Das wird unweigerlich früher oder später zu einer Krise führen. Denn Papiergeld ist nur so lange gut, so lange die Leute Vertrauen dazu haben. Das haben wir gerade erst wieder in Argentinien gesehen.
Waren also die 90er Jahre atypisch?
Auf jeden Fall. In dem Sinne, dass wir kein synchrones Wachstum in der Welt hatten. Wir hatten in Asien diese grauenhafte Wirtschaftskrise, kein Wachstum in Japan, in Europa ein geringes und in Amerika ein sehr starkes. Selbst wenn nun die Optimisten Recht behielten und wir in eine Phase eines synchronen Wachstums hineinlaufen, dann würde natürlich die Nachfrage nach Rohstoffen enorm steigen. Wenn also einer optimistisch ist – und ich bin es, wie gesagt, selbst nicht –, dann müsste er aber sehr negativ sein für Anleihen hinsichtlich der Zinsentwicklung und sehr positiv für die Rohstoffentwicklung.
Wo sind für Sie in den nächsten drei bis fünf Jahren die Verlierer, wo die Gewinner?
Grundsätzlich bin ich für Amerika negativ eingestellt sowohl was die Währung, aber auch was Anleihen und Aktien angeht. Und zwar nicht zu knapp. Wenn der S&P 500 auf 600 oder 700 Punkte fallen würde, der Dow Jones auf rund 6.000 Punkte, dann würde mich das nicht besonders wundern. Dann wären die Bewertungen eher wieder normal. Der Dollar dürfte rund 20 Prozent gegenüber dem Euro fallen. Ich bin sehr pessimistisch hinsichtlich der gesamten Finanzstruktur, dem Verschuldungsgrad der Unternehmen und der privaten Haushalte. Und ich bin sehr skeptisch gegenüber der Zentralbankpolitik, die einfach um jeden Preis, sobald ein Problem auftaucht, Geld druckt. Langfristig ist das eine selbstmörderische Geldpolitik.
Wie sieht es in Europa aus?
In Europa finden Sie die besten Anlagechancen im Osten. Sowohl was Aktien angeht, vor allem aber auch im Immobiliensektor. In Serbien, Kroatien, Rumänien, Polen, Russland und der Ukraine, da können Sie immer noch extrem preiswerte Immobilien erwerben. Und in zehn Jahren wird es dort zu Westeuropa keinen großen Unterschied mehr geben, was einen immensen Wertzuwachs darstellen würde. In Asien würde ich China bevorzugen und ein Land wie Vietnam. Über Vietnam hat man zwar in den vergangenen Jahren recht wenig gesprochen. Es ist aber meiner Ansicht nach das einzige Land, das mit China konkurrieren kann. Das kann sich meines Erachtens ganz gewaltig entwickeln.
Und die Industrienationen bleiben Ihrer Meinung nach in ihrer eigenen Wirtschaftsschwäche stecken?
Meiner Ansicht nach ist das, was wir bis jetzt an Weltrezession gesehen haben, nur eine Art Vorspeise zu etwas sehr viel Größerem, was entweder schon Ende dieses Jahres, vielleicht auch erst in den Jahren 2003 oder 2004 kommen wird. Aber wenn es zu dieser Entwicklung kommt, dann wird sich das Vertrauen in den guten alten Greenspan und das gesamte System erheblich verringern. Wenn es dann zu einer erneuten Abschwächung der Wirtschaft kommen wird, dann dürfte diese Phase erheblich unangenehmer ausfallen, allein schon, weil die Geldpolitik dann kaum noch Bewegungsfreiheit hat.
Ihre Empfehlung an die Anleger?
Als Anleger würde ich schon darauf achten, möglichst breit zu diversifizieren. Alles auf Aktien zu setzen ist dabei sicher nicht die richtige Strategie.
Wir danken für das Gespräch.
Wer ist Dr. Marc Faber?
Marc Faber ist neben seiner Tätigkeit als Berater und Autor auch auf internationalen Finanzkongressen und ähnlichen Veranstaltungen ein viel beschäftigter Vortragender.
Der Schweizer Dr. Marc Faber studierte in Genf und Zürich Wirtschaft und arbeitete in den 70er Jahren für White Weld & Company Limited in New York, Zürich und Hongkong.
Seit 1973 lebt Faber in Hongkong. Von 1978 bis 1990 war er Managing Director von Drexel Burnham Lambert (HK) Ltd., das Unternehmen ging infolge der Junkbond-Krise Ende der 80er Jahre unter. Seit Juni 1990 arbeitet Faber mit seiner MARC FABER LIMITED selbstständig, er agiert dabei als Fondsmanager, Broker und Anlageberater. Faber publiziert monatlich den stark beachteten „The Gloom Boom & Doom Report“, der sich vor allem mit ungewöhnlichen Anlagekonzepten beschäftigt. Faber ist auch als Sachbuchautor („The great Money Illusion – the Confusion of the Confusion“, 1988) international erfolgreich. Über Faber selbst wurde von Nury Vittache im Jahr 1998 das Buch „Riding the Millennium Storm“ verfasst. Faber publiziert daneben in einer Reihe international renommierter Zeitungen und Magazine und ist auch ein viel beschäftigter Vortragender bei Kongressen und Seminaren zu Investmentthemen. Er gilt dabei als Vertreter des „Contrarian“-Stils, also jener Anlagemethode, die bewusst versucht, nicht blind den Massentrends zu folgen.
Quelle: FONDS professionell
Beim Gold bin ich mit ihm ja einer Meinung. Den DOW sehe ich wesentlich tiefer. Hätte ich aber mitte August eine Überschrift "DOW 3000, Gold 2000 $" gewählt hätte niemand auch nur einen Klick verschwendet. Einen DOW von 5000 bis 6000 tausend sehen wir noch DIESEN Winter. Gold 400 $ auch. Gold 2000 $ kann noch ein paar Jahre dauern.
Aber es kommt.