[09:45, 12.04.07]
Es hätte ein ruhiger und entspannter Osterspaziergang werden können. Einigen Investoren müsste die jüngste DAX®-Rally die Feiertagsstimmung jedoch gründlich vermiest haben. Allerdings war der Schmerz über die verpasste Bewegung nicht so stark, dass die Bären kapituliert hätten. Denn auch unsere aktuelle Erhebung zeigt praktisch keine Reaktion der Teilnehmer unseres Panels auf den deutlichen Anstieg des Börsenbarometers. Die Stimmung ist gemessen am Bull/Bear-Index im Vergleich zur Vorwoche fast unverändert geblieben. Immerhin kam es auch nicht zu einer Kaufpanik.
Also muss auch die vergangene Osterwoche unter dem Motto entgangener Gewinne verbucht werden. Diesmal haben ein großer Teil der Akteure 1,6 Prozent Kursgewinn verpasst. Entgangene Gewinne, die mental wie Verluste wiegen. Aber eben nicht so stark wie echte Verluste. Denn viele Akteure können sich mit der Entschuldigung begnügen, man müsse bei einer Hausse nicht um jeden Preis mitmachen, die womöglich nur ins Verderben führt – man zitiert hier gerne das Jahr 2000 und die damalige Euphorie.
Wer sich indes am DAX als Benchmark messen lassen muss, für den wirken die entgangenen Gewinne wie echte Verluste, die man anscheinend derzeit nicht realisieren möchte. Viele hoffen weiter auf eine erneute Korrektur, von der sich die Zeichen verdichten, dass sie nicht zustande kommen wird. Zumindest nicht in dem Ausmaß, das den abwartenden Händlern gefallen würde. Um Letztere nämlich noch zu ansprechenden Kursen in den Markt zu bringen, müsste das Börsenbarometer sehr deutlich fallen, und zwar mindestens 5 Prozent von den Höchstständen gerechnet. Das hat es in diesem Jahr schon einmal gegeben, allerdings als Schockerlebnis. Nicht so, wie sich das viele Anleger wünschen, nämlich langsam und somit scheinbar risikoarm.
Wer sich also Gewinnmitnahmen wünscht, die nachhaltig den Aufwärtstrend der deutschen Standardwerte abbremsen oder gar eine deutliche Korrektur hervorrufen, sollte sich folgerichtig die Frage stellen, wer diese Gewinne überhaupt gemacht haben kann. Viele kurzfristig agierende Händler haben sich vermutlich schon vor Ostern verabschiedet und ihre Gewinne realisiert – nach der Devise, sich vor dem Urlaub lieber glattzustellen. Bei den mittelfristig ausgerichteten Investoren gibt es immerhin eine optimistische Mehrheit, die schon seit einiger Zeit an dem bullishen Treiben teilhat. Aber offenbar sind die Profite in diesem Lager nicht groß genug, dass man sich schon den Mund abputzen könnte.
Bleiben noch die langfristig orientierten Marktteilnehmer, die – mit Blick auf den starken Euro vor allem aus dem Ausland – an der jüngsten Rally maßgeblich beteiligt gewesen sein könnten. Hier sind wahrscheinlich die größten Gewinne angefallen. Doch das Hauptproblem liegt bei dieser Gruppe darin, dass ihr Handeln fast unberechenbar ist, wie die Februarkorrektur beim DAX zeigt. Werden hier also Gewinne realisiert, dann würde der DAX deutlich, aber nicht unbedingt ins Bodenlose fallen. Denn eher früher als später würde die Nachfrage der fast schon starrsinnigen mittelfristig blickenden Bären einen starken Kursverfall abbremsen. Und wenn’s weiter hoch geht, könnten diese Baissiers nicht nur aufgrund frühlingshafter Temperaturen weiter ins Schwitzen kommen.
Autor: Joachim Goldberg, cognitrend
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