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Verwaltung von Steuerfluchtgeldern: Eine Schweizer Spezialität (17.11.08)
Das eigentliche Spezialgebiet der Schweizer Banken ist die Vermögensverwaltung für ausländische Kundinnen und Kunden.
Wird Vermögen ausserhalb des Herkunftslandes des Kunden verwaltet, spricht man von «Offshore Private Banking». Darin hat die Schweiz weltweit eine dominierende Stellung. Ungefähr ein Drittel der grenzüberschreitend angelegten Privatvermögen werden von der Schweiz aus verwaltet.
Vermögen, das ausserhalb des Herkunftslandes verwaltet wird, befindet sich meist auch ausserhalb der Reichweite der Steuerbehörden. In der Schweiz sind diese Vermögen sicher, weil hier nur Steuerbetrug, nicht aber Steuerhinterziehung ein strafrechtlich relevantes Delikt ist.
Über die in der Schweiz angelegten ausländischen Privatvermögen gibt es keine genauen Zahlen. Die Nationalbank weist in ihrer Statistik über alle Banken in der Schweiz Wertschriftenbestände in Kundendepots von ausländischen Privatkunden aus (1’109 Mia. Fr.) Verpflichtungen aus Treuhandgeschäften ( 364 Mia. Fr.) betreffen ebenfalls ausländische Privatkunden. Auch von den «bilanzierten Verpflichtungen gegenüber ausländischen Kunden» (725 Mia. Fr.), dürfte ein grosser Teil Privatpersonen betreffen, total also 2198 Mia. Fr.
Nimmt man aber Schätzungen über den Umfang des Offshore Private Banking und den postulierten Marktanteil der Schweiz von einem Drittel als Ausgangspunkt der Berechnung, erhält man höhere Werte als die 2198 Mia. der Nationalbank. Dies deshalb, weil ein Teil der ausländischen Privatvermögen in der Statistik der Nationalbank nicht als solche erscheinen. So werden beispielsweise Domizilgesellschaften («Briefkastenfirmen») von Ausländern als inländische Kunden erfasst.
Ausländisches Vermögen in der Schweiz
Der Weltreichtumsbericht (World Wealth Report) von Merrill Lynch/Cap Gemini von 1998 schätzte, dass ein Drittel des Vermögens von so genannten High Net Worth Individuals (HNWI, «Individuen von hohem Nettowert») Offshore gehalten wird. Dieser Anteil wird auch in neueren Schätzungen verwendet. Nach dem aktuellen World Wealth-Bericht beträgt das Vermögen der «High Net Worth Individuals» 40’700 Mia. US-Dollar. Die Summe der Offshore verwalteten Vermögen beträgt bei den geschätzten 30 Prozent 13’500 Mia. US-$. Der Schweizer Anteil daran – ein Drittel - ergibt eine Summe von 4’500 Mia. US-Dollar oder etwa 5’000 Mia. Franken.
Nach Berechnungen der Bosten Consulting Group ist die Summe etwas kleiner. Das Beratungsbüro schätzte 2007 den Offshore Private Banking Markt auf 7'300 Mia. US-Dollar. Nimmt man auch hiervon einen Drittel für den Marktanteil der Schweiz, so ergibt dies einen Betrag von 2’740 Mia. Franken. Es ist angesichts dieser Berechnungen sicher nicht zu hoch gegriffen, die ausländischen Privatvermögen, die von der Schweiz aus verwaltet werden, auf 2500 – 4000 Milliarden Franken anzusetzen.
Welcher Teil ist schwarz?
Ein Bericht einer französischen Parlamentarierdelegation von 2001 (Montebourg-Bericht) schätzt den Anteil des unversteuerten ausländischen Vermögens in der Schweiz, unter Berufung auf Genfer Bankenkreise, auf 90 Prozent. Die Deutsche Bank geht von 70 Prozent aus. Schweizer Quellen zu dieser Frage machen sich rar. Die bankenfreundliche Wirtschaftszeitung «Cash» schätzte den Anteil auf 30 bis 80 Prozent. Konrad Hummler, Teilhaber der St. Galler Privatbank Wegelin, ist einer der wenigen Stimmen aus der Branche, die Klartext reden: «Die grosse Mehrheit der ausländischen Anleger, die ihr Geld in der Schweiz parkiert haben, umgehen die Steuerpflicht.» Ein politisches, moralisches oder ethisches Problem sieht Hummler dabei nicht.
50 bis 90 Prozent von 2’500 bis 4’000 Mia. Franken ergibt eine plausible Bandbreite für das Schwarzgeld in der Schweiz von 1250 bis 3600 Milliarden Franken.
Was kommt aus dem Süden?
Die Entwicklungsländer erleiden einen Fünftel aller Verluste, die durch die Steuerflucht von reichen Personen entstanden– so das Netzwerk Steuergerechtigkeit. Dies entspricht dem Anteil der Entwicklungsländer an der Weltproduktion von Gütern und Dienstleistungen. Eine erste grobe Schätzung würde also den Anteil unversteuerter Gelder aus Entwicklungsländern auf 250 bis 720 Milliarden ansetzen.
Eine etwas feinere Berechnung nimmt die Länderstatistik der Nationalbank zum Ausgangspunkt. Im bankenstatistischen Jahrbuch «Die Banken in der Schweiz» werden die bilanzierten Guthaben und Verpflichtungen sowie die Treuhandgeschäfte nach Ländern aufgeschlüsselt. Treuhandgeschäfte macht die Bank in ihrem eigenen Namen, jedoch auf Rechnung und Risiko ihres Kunden. Der Kunde tritt nach aussen nicht in Erscheinung. Treuhandgelder sind also eine ideale Form steuerhinterzogene Gelder zu verwalten. Die englische Wirtschaftszeitung Financial Times nennt sie denn auch eine «Geheimwaffe» der Schweiz, die reiche Personen anziehe, «welche im eigenen Land Steuern hinterziehen wollen».
Folgende Tabelle schätzt die Anteile der Steuerfluchtgelder aus Entwicklungsländern, indem für einzelne Länder und Regionen die Prozentsätze der «bilanzierten Verpflichtungen» und der „Treuhandgelder“ verwendet werden.
Demnach liegen je nach Kontinent Steuerfluchtgelder in Höhe von 132 und 606 Milliarden Franken auf Schweizer Banken.
Auffällig ist der grosse Anteil der Gelder in der Schweiz, der von Offshore-Finanzplätzen kommt. Und das, obwohl die Nationalbank nicht alle Steueroasen in der Kategorie «Offshore Finanzplätze» erfasst. Diese sind nur Durchgangsstationen. Dies bedeutet, dass ein Teil der Gelder aus Offshore Finanzplätzen ebenfalls aus Entwicklungsländern stammt. Traditionellerweise verlassen Steuerfluchtgelder Lateinamerika über karibische Steueroasen. Der Anteil Lateinamerikas dürfte also beträchtlich höher sein. Damit lassen sich auch die relativ niedrigen Zahlen für Asien zum Teil erklären. Asiatische Steuerfluchtgelder werden aber auch im grossen Stil auf den spezialisierten Finanzplätzen von Singapur und Dubai verwaltet. Diese bieten ähnliche Vorzüge wie die Schweiz und die Schweizer Banken haben dort eine starke Präsenz.
Ist die Schätzung, dass die Hälfte der Gelder aus Offshore-Finanzplätzen ursprünglich aus Entwicklungsländern stammt, plausibel, betragen die Steuerfluchtgelder aus Entwicklungsländern in der Schweiz insgesamt zwischen 362 und 1467 Milliarden Franken.
Steuerfluchtsgeld vs. Entwicklungsgelder
Die Entwicklungsländer verlieren durch Steuerflucht in der Schweiz gemäss unserer Rechnung jährlich zwischen 5,4 Milliarden und 22 Milliarden Franken**. In jedem Fall betragen die Steuerverluste ein Vielfaches der 1,26 Milliarden Entwicklungshilfe Schweiz (Deza und Seco 2007, ohne Europa). Für Pakistan, Peru und Südafrika sind die Steuerverluste beinahe so gross wie die Entwicklungshilfe der Schweiz, für Indien sind sie gar grösser.
Paradiesische Zustände für Multis in Zug
Hongkong (10,5)
Obwalden (11,5)
Zug (13,7)
Dublin (14,1)
Nidwalden (14,8)
Singapur (15,7)
St. Gallen (16,2)
Bratislava (16,3)
Luzern (16,3)
Schwyz (17,0)
Warschau (17,0)
Zürich (18,3)
Diese Auflistung ist die Liste jener Städte und Regionen mit der weltweit niedrigsten Besteuerung von Unternehmen (Steuersätze in Prozent). Die Schweiz dominiert auch hier. Sehr günstige Steuerregime führen zu Unternehmensverlagerung und setzten die übrigen Länder unter Druck. Dies zeigt ein Blick auf die effektiven Sätze in anderen Städten: Brüssel (24,7 %), Luxemburg (25,2 %), London (28,6 %), Boston (35,8 %).
Heizt die Schweiz schon bei den regulären Steuersätzen die Steuerkonkurrenz an, so gilt dies erst recht für die Sonderregeln. Zug ist ein klassisches Beispiel hierfür. Holdings, Domizilgesellschaften und gemischte Gesellschaften profitieren in Zug bei der Kapitalsteuer von sehr niedrigen Sätzen und werden vollständig von der Gewinnsteuer befreit.
Holdinggesellschaften sind Unternehmen, die Beteiligungen an anderen Unternehmen verwalten und die in der Schweiz keine eigene Geschäftstätigkeit ausüben. Domizilgesellschaften sind Unternehmen, die in der Schweiz nur eine Verwaltungs-, aber keine Geschäftstätigkeit ausüben. Eine reine Domizilgesellschaft ist der vornehme Ausdruck für eine Briefkastenfirma. Gemischte Gesellschaften schliesslich sind Unternehmen oder Niederlassungen von ausländischen Konzernen, die vorwiegend im Ausland geschäftlich tätig sind und in der Schweiz nur eine untergeordnete Geschäftstätigkeit ausüben. Diese Unternehmenskonstruktionen müssen in Zug lediglich eine Kapitalsteuer von 0,075 Promille entrichten. Für die Holdinggesellschaften wurde dieser Satz 2007 sogar noch auf 0,02 Promille gesenkt. Inzwischen hat Zug Konkurrenz erhalten von Kantonen wie Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Schwyz, die ähnliche Sonderregeln haben.
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