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Überall ist’s zu lesen: Das Abendland versinkt in einem dunklen Schlund aus Staatsschulden, Staatsschulden und nochmehr Staatsschulden. Aus, vorbei, Thema durch, Zukunft verspielt, 80% Staatsschuldenquote am BIP, demnächst vielleicht sogar noch mehr – way too much, am besten, wir wandern alle gleich Montag früh 8:00 geschlossen aus. Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern: Die Pleite ist nah. Daher: Leute, kauft Ravioli-Dosen und Erbseneintopf mit langer Haltbarkeitsdauer, solange es noch geht! Und Gold, na klar, Gold muss auf jeden Fall sein. Findige Entrepreneurs hätten eigentlich längst den Eintopf im Grossgebinde gemeinsam mit ein, zwei Philharmonikern im Bundle als “Survival-Paket” vermarkten sollen – dass noch niemand auf diese innovative Idee gekommen ist, bestätigt ja wohl, wie traurig es um den Kapitalismus bereits bestellt ist.
Mit einem Wort: Alles ganz furchtbar! – Oder vielleicht doch nicht?
Der eine oder andere wird sich vielleicht noch an diesen Beitrag erinnern: “Dunkle Materie, schwarze Magie oder was?“, in dem ich mich mit einer volkswirtschaftlichen Kenngröße namens “NIIP” beschäftigt habe. Die NIIP heißt mit voller Berufsbezeichnung “Net International Investment Position”, was diejenigen unter Euch sicherlich wissen werden, die ab und an im Blog von US Ökonom und Roubini-Intimus Brad Setser mitgelesen haben; denn der beschäftigte sich gerne und häufig mit der amerikanischen NIIP.
Was ist so spannend an der NIIP? Das will ich Euch gerne verraten: Sie ist für alle, die sich seriös über Staatschulden unterhalten wollen, ohne den Alltagshysterien irgendwelcher “Experten” in den Medien oder dem Lager der professionellen Talkshow-Ökonomie hinterherzulaufen, die einzig akzeptable Referenzgröße. Warum? Ganz einfach: Weil – wie jeder BWLer im 2. Semester kapiert, im Unterschied zu vorgenannten “Experten” – die reine Betrachtung der Schuldenseite einer Bilanz keinerlei Informationsgehalt bereithält. Das sprichwörtliche Milchmädchen und die Ökonomen der INSM mögen sich an solchen Werten ergötzen, darüberhinaus vielleicht noch der eine oder andere Leichtgläubige, und hernach ihr übliches “Sparen, Sparen, Sparen!” in die Welt posaunen, stets verbunden mit der lieblich-naiven Frage: “Wie sollen wir all diese Schulden jemals wieder zurückbezahlen?”.
Weil wir in diesem Blog aber den süßen Kindertagen bereits entwachsen sind, wollen wir uns mit dem Thema ernsthaft beschäftigen. Daher sehen wir uns jetzt gleich mal ein Portraitfoto der bundesdeutschen NIIP an, aufgenommen von den freundlichen Fotografen der Bundesbank:
Da schaut sie Euch an: Sieht sie nicht phantastisch aus, unsere NIIP? Zum Verlieben!
Den Profis unter den Lesern wird vor allem diese grüne Kurve ins Auge stechen, die aktuell an der schlanken Billion Euro kratzt, aber sich auch in der Vergangenheit beharrlich weigerte, die Nulllinie zu unterschreiten. Was besagt sie? Na?
OK: Wir wollen die INSM-Experten und Talkshow-Ökonomen nicht unnötig auf die Folter spannen: Diese grüne Kurve besagt schlicht und ergreifend nichts anderes, als dass Deutschland seit mindestens 1994 überhaupt nie verschuldet war! Kapisch? Nix Schuldner – Gläubiger, Herrschaften! Wir sind auf dieser schönen, weiten Welt ein Nettogläubiger.
Und wer sich darüberhinaus mal diese Tabelle zu Gemüte führen möchte, wird feststellen, dass die Öffentlichen Haushalte in toto gerade einmal 900Mrd an Schulden gegenüber dem Ausland aufweisen, was unter 40% des BIP ausmacht.
Mein persönliches Fazit daher: Die deutsche Staatsschuld ist eine der größten Nebensächlichkeiten der Welt. Eher im Gegenteil: Wir sollten dringend zusehen, dass wir von dieser Gläubigerposition wieder runterkommen; und wenn sich die Privaten dazu nicht durchringen können, dann soll das meinetwegen der Staat für sie tun, indem er sich stärker verschuldet, als bislang. Die Welt wird davon keinesfalls untergehen – sie wird allenfalls besser und vor allem finanziell stabiler.
Was der Staat darüberhinaus machen sollte, ist, die Zinsen auf den nationalen Anteil der Staatsschuld stärker zu besteuern. Die 25%-ige Abgeltungssteuer muss diesbezüglich als eine der größten Fehlentscheidungen aller Zeiten angesehen werden, insbesondere dann, wenn man sich als Partei auf die Fahnen schreibt, die “Leistungsbereitschaft” steigern und das reale Wirtschaftswachstum fördern zu wollen. Stattdessen bewirkt die Abgeltungssteuer das genaue Gegenteil: die Förderung des passiven Rentierseinkommens und damit die “Verrentung” der Republik.
Aber wie dem auch sei: Der nationale Anteil der Staatsschuld ist kein Solvenz- sondern ein reines Verteilungsproblem. Und der Auslandsanteil befindet sich tief im grünen Bereich. Da brennt garantiert nichts an.
quelle www.weissgarnix.de/2009/11/21/vergesst-die-staatsschulden/