Wer kaufte eigentlich die 1,885 Billionen US-Dollar an US-amerikanischen Staatspapieren, die im Fiskaljahr 2009 emittiert wurden?
Angesichts des ausufernden US-Defizits rätselt man an den Bondmärkten schon länger, wie es denn möglich sei, dass die US-Staatsanleihen nach wie vor so problemlos abgesetzt werden können.
So mutmaßte das Kanadische Investmentunternehmen "Sprott Asset Management" schon im Sommer, dass das US-Finanzministerium 2009 gut drei Mal so viele Staatsanleihen werde absetzen müssen wie im Vorjahr und fragte sich, welche der üblichen Käuferschichten wohl bereit sein würden, diese Mengen abzunehmen.
Da von den traditionellen Käufern aber weit und breit niemand die Kapazitäten zu haben schien, diese Papiere aufzunehmen, erwartete Sprott schon für die zweite Jahreshälfte schwere Absatzprobleme, die allerdings nicht eintraten:
Keine gescheiterten Auktionen, kein Downgrading, kein signifikanter Anstieg der Langfristzinsen (die sich spiegelbildlich zu den Anleihekursen verhalten), da müssen wir uns fragen, warum das so glatt gegangen ist.
Immerhin war es recht offensichtlich, dass nicht genug "normale" Kaufkraft vorhanden war, um die Auktionen unterzubringen.
Nach dem aktuellen Bericht des Finanzministeriums, dem Treasury Bulletin, wurden im Fiskaljahr 2009 tatsächlich 1,885 Billionen Dollar an Staatsschulden emittiert, wovon "ausländische und internationale Käufer" 697,5 Milliarden übernommen hatten, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von immerhin 23 Prozent ausmachte.
Die Federal Reserve hatte mit offiziell 286 Mrd. sogar um fast 60 Prozent mehr abgenommen, während lokale öffentliche Körperschaften ihre Bestände netto abbauten und jene der Pensions- und andere Fonds praktisch stagnierten.
Laut dem Treasury Bulletin war es dann auch vor allem die Kategorie "andere Investoren", die nach 90,1 Mrd. im Vorjahr in den ersten 3 Quartalen 2009 satte 510,1 Mrd. Dollar gekauft hatten, auf das Gesamtjahr hochgerechnet also gut das Siebenfache.
Damit verlieren sich freilich die Spuren von gut einem Drittel der Jahresemission, denn das Treasury Bulletin identifiziert die "Other Investors" einfach als das, was in den weiteren Kategorien nicht genannt wird, also etwa alle Einzelpersonen, Government-Sponsored Enterprises (GSE) wie die im Vorjahr verstaatlichten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac, Brokers and Dealers, Unternehmen, so wie alle möglichen sonstigen privaten wie öffentlichen Investoren.
Da keine dieser Gruppen aber den Anschein erweckt, über die Mittel zu so massiven Käufen zu verfügen, stöberte Sprott in den offiziellen "Flow of Funds"-Daten der Federal Reserve, die detailliert über die Eigentümer von US-Staatsanleihen Aufschluss geben sollten.
Hier finden sich die GSEs mit Zukäufen von 5 Milliarden, Broker and Dealers hatten netto rund $80 Mrd. verkauft, während Kommerzbanken ebensoviel gekauft hatten.
Unternehmen hatten weitere Staatspapiere für netto 11,6 Milliarden übernommen, wodurch sich für alle zusammen gerade einmal bescheidene 16,1 Mrd. Dollar an Nettokäufen ergaben.
Den Löwenanteil von 528,7 Mrd. Dollar hatten laut Flow of Funds die "Haushalte" übernommen, die im Jahr zuvor allerdings Staatspapiere für gerade einmal 15 Mrd. Dollar gekauft hatten.
Angesichts der eher gedrückten Einkommenssituation drängt sich die Frage auf, wie die Haushalte plötzlich die 35fache Vorjahresmenge hätten abnehmen sollen, noch dazu, da Kategorien wie Money Market Funds, Mutual Funds, ETFs, Lebensversicherungen und Pensions- sowie Investmentfonds eigenen Kategorien zugezählt und extra angegeben werden.
Auch hier gibt ein Blick in die Methodik Aufschluss, den statistisch umfassen die "Haushalte" nicht nur deren private Investitionen, sondern neuerlich einfach alles, was sonst nirgendwo zugeordnet wurde.
Für Sprott, die vor Jahren mit einem sehr schlüssigen Nachweis von Manipulationen des Goldmarktes durch die Notenbanken bekannt wurde, ist damit klar, dass nur ein einziger Investor übrig bleibt, und zwar die Fed selbst, die im Zuge ihres "Quantitative "Easings" im 2. Quartal fast die Hälfte und im 3. Quartal 30 Prozent der gesamten Staatsschuldenemissionen übernommen haben soll.
Offenbar war es nur noch mit buchhalterischen Tricks möglich, diese Summen aus den offiziellen Fed-Beständen herauszuhalten, etwa indem sie als Rückkaufvereinbarungen ("Repos") und nicht als direkte Käufe verbucht wurden.
Das ändert jedoch nichts daran, dass die USA die Notenpresse damit in noch höherem Maße angeworfen haben, als ohnehin bereits bekannt.
Denn dieses "Quantitative Easing" bedeutet nichts anderes, als dass die Fed ihre Bilanzsumme 2009 ungefähr verdreifacht hat, indem sie gegen selbstfabrizierte Dollars einfach Anleihen gekauft hat.
Das war wohl auch bitter nötig, denn die ausländischen Käufer und davon vor allem die ausländischen Notenbanken, dürften nicht bereit sein, die USA weiterhin so üppig zu finanzieren wie bisher.
So äußerte Zhu Min, Vizegouverneur der Chinesischen Notenbank, laut Shanghai-Daily zuletzt unverblümt, dass es für die USA aufgrund der weltweit rückgängigen Exportüberschüsse immer schwieriger werde, seine Staatsschulden abzusetzen.
"Die Vereinigten Staaten können die ausländischen Regierungen nicht dazu zwingen, ihre Bestände an US-Staatsanleihen zu erhöhen.
Diese Bestände zu verdoppeln ist definitiv unmöglich."
China werde zwar weiterhin zukaufen, aber nicht mehr in diesem Tempo:
Das Leistungsbilanzdefizit der USA geht zurück weil die Amerikaner mehr sparen.
Dadurch geht der Handel zurück, was bedeutet, dass weltweit weniger Dollars vorhanden sind, um Staatsanleihen zu kaufen.
Für Bill H. Gross, Managing Director vom Pimco, dem zur Allianz gehörigen weltgrößten Anleihefonds, ist das US-Finanzgebaren deshalb schon lange ein Ponzi-Scheme (so werden in den USA Pyramidenspiel-artige Finanzbetrügereien genannt, bei denen neue Investorengelder an bestehende Investoren ausgeschüttet werden, um neue Investoren anzulocken).
Er hat seinen Bestand an Treasuries zuletzt auf ein Mindestmass reduziert und hält hohe Cash-Bestände.
Allerdings geht Gross davon aus, dass die Privatinvestoren sich damit abfinden sollten, dass der einzige große Anleiheninvestor derzeit die USA selbst sind und dieses Spiel weiterspielen werden.
Während US-Staatsanleihen aber längst ausgereizt wären, sollten sich die Anleger auf Bonds konzentrieren, die künftig von der Fed gerettet werden.
Das könnten bald schon alle möglichen Arten von Anleihen sein, die auf Kreditkartenschulden oder KFZ- und Studentenkrediten basieren.
Besonders gute Chancen auf eine staatliche Stützungsaktion sieht er jedoch bei den Schulden der Städte oder Regionen, denen jetzt extrem schwierige Zeiten bevorstehen, die aber von der Regierung kaum in Konkurs geschickt werden würden.
www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31798/1.html