Wie die EZB für Ansgar Belke ihre Politik verbessern könnte und warum Zypern doch eine Blaupause für die Probleme in der Eurozone ist
Standard: Die japanische Zentralbank wird künftig die Geldschleusen öffnen, um die Jahrzehnte niedrigen Wachstums hinter sich zu lassen. Ist lockere Geldpolitik die Lösung für das Land?
Belke: Japan versucht den Ritt auf der Klinge. Wenn man sich Länder ansieht, die in einer Deflation (eine Phase fallender Preise; Anm.) stecken, erkennt man, dass man nur langsam wieder zu Inflation kommt. In zwei Jahren eine Teuerung von zwei Prozent in Japan zu erreichen ist sehr ambitioniert. Das könnte zu einer Explosion werden, wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder geraten. Die Gefahr ist, dass zu hoch dosiert wird.
Standard: Aber wird die Geldpolitik das Wachstum anstoßen?
Belke: Nicht unbedingt. Japan hat eine Reihe von strukturellen Schwächen, etwa die demografische Entwicklung. Gleichzeitig werden etwa Frauen unzureichend in den Arbeitsmarkt integriert. Geldpolitik kann solche Mängel nicht beseitigen.
Standard: Aber Japan hofft auch auf die positiven Effekte eines schwächeren Yen für die Exporte.
Belke: Auch hier kommt es auf die Dosis an. Eine massive Inflationierung könnte den Yen so schwächen, dass die Schmerzgrenze für den Industriesektor, der stark von importierten Rohstoffen abhängt, deutlich überschritten wäre. Die japanische Wirtschaft wäre damit ins Mark getroffen.
Standard: Trifft das japanische Geld-Experiment auch uns?
Belke: Die G-20 (Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer; Anm.) hat die Japaner vor Monaten schon zu Recht vor der Initiierung eines Währungskriegs gewarnt. Dieser dürfte spätestens durch die aktuellen massiven Maßnahmen eingeleitet worden sein, die den Dollar und den Euro tendenziell aufwerten lassen. Wegen der strategischen Interaktion der Notenbanken untereinander dürfte die Antwort der US-Notenbank Fed und verzögert dann auch die der Europäschen Zentralbank nicht lange auf sich warten lassen.
Standard: Trotz Interventionen der EZB sind die Kreditmärkte in Europa unter Spannung, Unternehmen kommen kaum an Finanzierungen. Sollte die EZB mehr machen?
Belke: Bisherige Maßnahmen waren der falsche Weg. Bei den LTROs (langfristige Kredite an europäische Geldinstitute; Anm.) überließ die EZB den Banken, was sie mit dem Geld machen. Und damit hat man Zombiebanken in Europa geschaffen. Ein direkter Ankauf von Unternehmensanleihen wäre zielgerichteter, besser als das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen OMT. Aber auch bei direkten Käufen von Unternehmenspapieren gibt es offene Fragen. Wie verhindert die EZB, dass nur große Unternehmen und nicht die KMU, bei denen die Finanzierungsprobleme bestehen, profitieren? Und wollen wir die EZB überhaupt als wohlmeinenden Diktator, der entscheiden soll, welche sind marode Unternehmen und welche nicht?
Standard: Sie warnen davor, dass die Unabhängigkeit der EZB in Gefahr ist. Im Rettungsfall Zyperns hat Jörg Asmussen aber offen ausgerichtet, dass die EZB dem Land den Geldhahn zudrehen könnte.
Belke: Dabei ging es um die Notversorgung mit Liquidität ELA. Über diesen Kanal kann die EZB entscheiden, ob ein Land aus der Eurozone austritt oder nicht. Das steht zwar in den europäischen Verträgen nicht drin. Aber das ist der Hebel, den man hat. Jörg Asmussen hat eine sehr interessante Rolle. Er soll die deutsche Bevölkerung beruhigen, so wie Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Asmussen verhandelt, als Außenminister der EZB, die Rettungspakete, und dafür ist er der richtige Mann. Etwa als es bei Zypern um die Gasvorkommen, die Notliquiditätsversorgung oder die Militärhäfen ging. Das ist weit weg von Geldpolitik, aber ein Zeichen der Zeit. Da dreht sich jedem Geldtheoretiker der Magen um.
derstandard.at/1363707107700/...Europa-Zombiebanken-geschaffen
DER STANDARD; 6.4.2013
Ansgar Belke (48) ist Jean-Monnet-Professor für Makroökonomik an der Universität Duisburg-Essen. Er ist Mitglied des "Monetary Experts Panel" des Europäischen Parlaments.