Etwas weniger Staat: Die Swiss-Mutter Lufthansa gewinnt ein Stück Freiheit zurück
Der deutsche Staat senkt seinen Anteil an der Airline-Gruppe in den nächsten Wochen um einen Viertel auf 15%. Entscheidend für eine Erholung bleibt, dass die USA sich für Europäer wieder öffnen.
Christoph Eisenring
17.08.2021, 05.30 Uhr
In Berlin hat man aus dem Debakel mit der Commerzbank gelernt. So hatte Deutschland bereits beim Lufthansa-Einstieg angekündigt, man wolle vor Ende 2023 den Staatsanteil wieder verkaufen.
In Berlin hat man aus dem Debakel mit der Commerzbank gelernt. So hatte Deutschland bereits beim Lufthansa-Einstieg angekündigt, man wolle vor Ende 2023 den Staatsanteil wieder verkaufen.
Marcel Lorenz / Imago
In der Corona-Krise war der Einstieg des Staates bei grossen Konzernen eine der umstrittensten Massnahmen gewesen. Berlin zum Beispiel hat vor 14 Monaten 20% am Lufthansa-Konzern übernommen, auch um die Firma vor einer «unfreundlichen» Übernahme zu schützen. Während der Corona-Krise war der Aktienkurs eingebrochen.
Eine staatliche Beteiligung ist letztlich protektionistisch und schützt Eigentümer und Fremdkapitalgeber vor Verlusten. Es ist jedenfalls nicht so einfach, Gründe dafür zu finden, dass man eine Fluggesellschaft retten soll – wenn es um essenzielle Infrastruktur geht, trifft dies eher auf Flughäfen zu als auf einzelne Airlines.
Aus dem Debakel Commerzbank gelernt
Immerhin hatte Deutschland schon beim Einstieg erklärt, man wolle sich vor Ende 2023 von den Aktien wieder trennen. Am Montag kündigte die Regierung nun an, die ersten 5% in den nächsten Wochen zu veräussern. Man hat in Berlin offenbar aus dem Debakel bei der Commerzbank gelernt. Dieses immer noch schwachbrüstige Institut wurde in der Finanzkrise teilverstaatlicht; 13 Jahre später hält der Bund immer noch gut 15% an der Bank. Der Verlust für den Steuerzahler beträgt bei den jetzigen Aktienkursen mehrere Milliarden Euro.
Deutschland hat für eine Lufthansa-Aktie beim Einstieg € 2.56 bezahlt. Am Montagnachmittag notierte sie bei rund 9 €, womit allein aus dem Verkauf dieses ersten Pakets für den Steuerzahler ein Gewinn von rund 190 Mio. € resultieren dürfte.
Der Teilrückzug des Staates ist für die Lufthansa-Gruppe mit ihrer Tochter Swiss eine gute Meldung. Berlin ist offenbar der Ansicht, dass sich die Lage bei den Airlines langsam stabilisiert. Die Lufthansa-Führung plant auch eine Kapitalerhöhung, um Hilfen zurückzuzahlen, die sich für den gesamten Konzern auf 9 Mrd. € belaufen.
Im zweiten Quartal konnte die Lufthansa-Gruppe den Mittelabfluss stoppen. Das hat auch damit zu tun, dass sich der Konzern bereits von 30 000 Mitarbeitern getrennt hat – um die verbleibenden 100 000 Stellen zu retten.
Dickes Liquiditätspolster
Auch die Swiss muss sparen. Bis zur Krise war sie die Perle im Konzern, nun wird sie ihre Belegschaft um 2000 Personen verkleinern müssen, im Juni wurde bereits 550 Mitarbeitenden gekündigt. Im Gegensatz zu Deutschland bei der Lufthansa hat sich die Schweiz aber nicht an der Swiss beteiligt. Vielmehr wurde ein Bankkredit über 1,5 Mrd. Fr. vom Bund zu 85% garantiert. Dieser wird mit rund 3% verzinst und hat eine Laufzeit von fünf Jahren.
Die Swiss hatte anlässlich des Quartalsergebnisses erklärt, man rechne damit, nicht mehr als die Hälfte des Bankenkredits in Anspruch nehmen zu müssen. Derzeit liege man deutlich darunter. Insgesamt verfügt der Lufthansa-Konzern über 11 Mrd. € an flüssigen Mitteln und ungezogenen Kreditlinien.
Damit sollte auch eine vorübergehende Verschärfung der Situation durch die Delta-Variante des Coronavirus zu meistern sein, ohne dass man noch einmal beim Staat anklopfen muss. Entscheidend für die Erholung wird eine Normalisierung bei den Interkontinentalflügen sein – und dies gilt ganz besonders für die Swiss. Hier stechen die Routen in die USA heraus. Washington überlegt derzeit, ob geimpften Europäern die Einreise wieder gestattet werden soll. Doch wann ein solcher Entscheid fallen wird, steht in den Sternen.
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