fordert George Soros für die Bängster. Einen wichtigen Punkt hat er allerdings vergessen, dass man Händlern die Verbreitung von Analysen, mit denen sie die Märkte in ihrem Sinne zu manipulieren versuchen, verbietet. Wer handelt wie die Deutsche Bank, Goldman Sachs oder Morgan Stanley, hat gefälligst das Maul zu halten und nicht die Kleinanleger im Sinne ihrer Handelsabteilungen in die Scheisse zu reiten und das unänständige Märchen von spanischen Wänden wie Quark dauerhaft auseinanderzutreten.
Gastkommentar
Keine Lizenz zum Töten
Von George Soros 23. Juni 2009, 04:00 Uhr
Die Finanzmärkte müssen besser reguliert werden, um Krisen zu verhindern - vor allem der Derivatehandel
Vergangenes Jahr machten wir eine bemerkenswerte Erfahrung: Nach der Pleite von Lehman Brothers brachen die Finanzmärkte zusammen und mussten künstlich am Leben erhalten werden. Vergleichbares haben wir seit der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre nicht erlebt. Dieser Zusammenbruch ist so bemerkenswert, weil er nicht durch ein äußeres Ereignis ausgelöst wurde, sondern aus dem Finanzsystem selbst herrührte und auf die globale Ökonomie übergriff. Das kam fast vollkommen unerwartet, denn die herrschende Meinung war, dass sich Finanzmärkte selbst korrigieren.
Heute wissen wir, dass dies nicht der Fall ist. Doch nachdem wir bei der Deregulierung zu weit gegangen sind, sollten wir jetzt der natürlichen Versuchung widerstehen, in die andere Richtung überzureagieren. Märkte sind zwar unvollkommen, aber auch Regulatoren sind fehlerbehaftet und darüber hinaus bürokratisch und anfällig für politische Einflussnahme. Neue Regulierung muss mithin auf ein Minimum beschränkt bleiben.
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Die Reform sollte sich an drei Prinzipien orientieren. An erster Stelle müssen die Finanzbehörden Verantwortung dafür übernehmen, dass Spekulationsblasen nicht zu groß werden. Die Überwachung von Blasen erfordert zweitens nicht nur die Kontrolle der Geldmenge, sondern auch der Verfügbarkeit von Fremdkapital. Das bestbekannte Werkzeug dafür sind Einschusspflichten und Mindestkapitalanforderungen. Denkbar, dass die Regulatoren auch auf altbewährte Werkzeuge zurückgreifen müssen. Wir kannten keine Finanzkrisen, als Zentralbanken die Kreditinstitute anwiesen, Darlehen an überhitzte Wirtschaftszweige einzuschränken. Dem sind etwa chinesische Geschäftsbanken unterworfen.
In der Regel ist es eine Fülle von Fremdkapital, das eine Marktübertreibung anheizt, und Fremdkapital ist seiner Natur nach reflexiv. Steigt die Bereitschaft, Kredite zu vergeben, steigt meist auch der Wert der Sicherheiten, das lässt den Schuldner optisch besser dastehen und führt dazu, dass die Kriterien der Darlehensvergabe überstrapaziert werden. Zu Spekulationsblasen kommt es, weil dieses reflexive Verhältnis wiederholt ignoriert wird. Das bringt mich zu meinem dritten Punkt: Wir müssen uns die Bedeutung des Marktrisikos vergegenwärtigen. Gemäß der herkömmlichen Theorie tendieren Märkte zum Gleichgewicht und funktionieren ohne jegliche Diskontinuität der Preise. Abweichungen unterliegen dem Zufallsprinzip. Folglich können Marktrisiken mit den Risiken gleichgesetzt werden, wie sie einzelne Marktteilnehmer erfahren. Solange die Akteure ihre Risiken ordentlich verwalten, sollten Regulatoren zufrieden sein.
Doch Märkte unterliegen Ungleichgewichten, die Marktteilnehmer außer Acht lassen können, wenn sie denken, sie können ihre Positionen auf andere abwälzen. Regulatoren dürfen diese Ungleichgewichte nicht ignorieren. Wenn sich nämlich zu viele Teilnehmer auf einer Seite wiederfinden, können sie ihre Position nicht liquidieren ohne schlimmstenfalls einen Finanzkollaps hervorzurufen.
Es gibt also ein systemisches Marktrisiko und die unregulierte Verbriefung von Banken-Aktiva, die Hauptursache des jüngsten Zusammenbruchs war, kommt hinzu. Um eine Wiederholung zu vermeiden, müssen solche Wertpapiere in den Bilanzen künftig als weitaus riskanter eingestuft werden. Banken müssen für die implizite Garantie der Regierung zahlen, indem sie weniger Fremdkapital einsetzen und Beschränkungen darüber akzeptieren, wie sie die Einlagen ihrer Kunden investieren.
Minimum wäre, dass Eigenhandel nur mit Eigenkapital der Banken betrieben werden darf. Wenn eine Bank so groß ist, dass sie nicht bankrott gehen darf, sollten Regulatoren noch weiter gehen und die Bonuszahlungen der Händler regulieren, um zu gewährleisten, dass Risiko und Rendite im Verhältnis stehen. Hedgefonds und andere Großinvestoren müssen ebenfalls streng überwacht werden, damit sich keine gefährlichen Ungleichgewichte aufbauen können.
Schließlich sollten Derivate mindestens ebenso streng reguliert werden wie Aktien. Regulatoren sollten darauf pochen, dass die gehandelten Produkte homogen, standardisiert und transparent sind. Manche Derivate, vor allem Credit Default Swaps (CDS) sollten überhaupt nicht gehandelt werden.
Der Handel mit CDS ruinierte AIG und das führte zur Insolvenz von GM. In beiden Fällen besaßen Anleihegläubiger auch Kreditderivate und hatten mehr durch einen Bankrott der Firma zu gewinnen als durch eine Sanierung. Der Kauf von CDS ist wie der Erwerb einer Versicherung auf das Leben eines Menschen, den zu töten man das Recht hat. Es ist die Aufgabe der Regulatoren dafür zu sorgen, dass niemand diese Lizenz zum Töten hat.
George Soros ist Chairman von Soros Fund Management
www.welt.de/die-welt/article3978155/...-Lizenz-zum-Toeten.html