Sauberer Strom aus den Wüsten soll nicht die hiesigen erneuerbaren Energien ersetzen, sondern die fossilen und nuklearen Kraftwerke schneller ablösen.
Dr. Gerhard Knies von der Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) plädiert für einen schnellen Aufbau solarthermischer Kraftwerke, wie sie derzeit zum Beispiel in Spanien und Nevada gebaut werden.
Dr. Gerhard Knies Dr. Gerhard Knies
Um Europa beschleunigt mit preisgünstigem und sauberem Strom zu versorgen, sollen Anlagen mit der Technologie "Concentrating Solar Power (CSP)" in Nord-Afrika platziert und der Solarstrom per verlustarmer Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) an die Verbraucher in Europa geliefert werden. Der Solarserver stellte das Konzept im im Februar 2007 vor.
Auch der Chef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen, sieht das so. Ökostrom aus Nordafrika könnte seiner Meinung nach den Durchbruch zu einer klimafreundlichen Stromversorgung in Europa bringen, sagte Claassen der "Frankfurter Rundschau". Statt Windkraft und Photovoltaik "überzusubventionieren", solle das Geld vielmehr in Projekte zur Speicherung und zum Transport von Energie aus der Wüste fließen, so der EnBW-Chef.
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1. Der Solarserver: Nachdem Utz Claassen Ihr Konzept aufgegriffen hat, werden nun auch kritische Stimmen laut: Fabio Longo, Vorstandsmitglied der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien EUROSOLAR, sprach in einem Interview mit der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen von dem "technokratischen Monstrum" eines Super-Verbundnetzes zwischen Europa und Afrika, der "dem Kartell der großen Energiekonzerne langfristig seinen Einfluss absichern" solle. Wie stehen Sie zu diesem Einwand?
Dr. Knies: Ich bin seit über 15 Jahren Mitglied von EUROSOLAR. Es gibt dort viele Mitglieder, auch Vorstandsmitglieder, die das TREC Konzept positiv bewerten und auch aktiv an dessen Entwicklung mitgearbeitet haben. Herr Longo spricht hier also nicht für die gesamte Organisation.
Wir sehen in diesem Super-Verbundnetz eine wertvolle Infrastruktur zur Nachhaltigkeit, die uns im Kampf gegen den Klimawandel entscheidende Vorteile bringen wird. Und wenn die Großkonzerne beim dringend nötigen Klimaschutz mitwirken wollen, sehen wir keinen Grund sie auszugrenzen. Im Unterschied zu Herrn Claassen fordert TREC jedoch nicht, dass die Wind- und Photovoltaik-Förderung reduziert werden soll. Ganz im Gegenteil: das TREC Konzept baut auch auf Beiträge von Wind, Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik zur Gesamtversorgung. Allerdings ist man bei TREC der Meinung, dass die Erschließung der weltweiten Solarpotentiale der Wüsten durch solarthermische Kraftwerke für unsere Energie- und Klimasicherheit bisher sträflich vernachlässigt worden ist.
2. Der Solarserver: Kann beziehungsweise soll der Wüsten-Strom die Nutzung erneuerbarer Energien hierzulande ersetzen?
Dr. Knies: Sauberer Strom aus den Wüsten soll nicht die hiesigen erneuerbaren Energien ersetzen, sondern die fossilen und nuklearen. Hierzu ist Strom aus solarthermischen Kraftwerken besonders geeignet, da er dank thermischer Speicherung der Solarenergie nach Bedarf erzeugt werden kann: auch nachts. Wir erwarten, dass Wüsten-Strom in Europa bis 2050 einen Anteil von 10 bis 25 Prozent haben könnte. So ähnlich scheint Herr Claassen das auch zu sehen.
3. Der Solarserver: Fabio Longo argumentiert, das Wüstenstromkonzept könne benutzt werden als "Hebel gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)", das den vielen kleinen Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen in Deutschland eine feste Vergütung garantiert. Die Stromkonzerne würden nur dann in der Wüste investieren, wenn die Förderung für Sonnen- und Windenergie in Deutschland abgeschafft wird - also das EEG wegfalle. Teilen Sie diese Befürchtung?
Dr. Knies: Herr Claassens Vorschlag der Umleitung von PV- und Wind-Förderung in die Erforschung fehlender Speicher- und Übertragungstechnologien ist überflüssig, da es diese Technologien bereits gibt. Herr Claassen hat außerdem mit keinem Wort geäußert, dass eine Abschaffung des EEG Vorraussetzung für ein Engagement der EVU für Strom aus Nordafrika ist. Zur Beschleunigung der Erschließung der Wüsten zur sauberen Stromerzeugung schlagen wir sogar Einspeisevergütungen nach dem Vorbild des EEG in Nordafrika vor.
4. Der Solarserver: Mit dem EEG sorgte Deutschland für einen Boom, der in erster Linie der mittelständischen Wirtschaft zum Aufschwung verhalf (z.B. Solarbranche, Windenergie, Bioenergie). Longo erwartet zum Beispiel, dass die "vielen kleinen Solar-Wechselrichter, wie SMA sie weltweit exportiert, kaum noch gebraucht würden, weil kleine und mittelgroße Solaranlagen auf Dächern viel seltener gebaut würden." Beschäftigung für heimische Handwerker, die Solaranlagen installieren und warten, würde durch den Import von Wüstenstrom zerstört; die Chancen regionaler Wertschöpfung von der Landwirtschaft bis hin zu mittelständischen Solarbetrieben zunichte gemacht. Können Sie diese Sorge nachvollziehen?
Dr. Knies: Die Kollektoren für solarthermische Kraftwerke sind in Deutschland von kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickelt worden. Sowohl in Europa als auch in den Standortländern können sie von mittelständischen Unternehmen produziert werden. Und der deutsche Photovoltaikmarkt ist schon deshalb nicht gefährdet, weil Wüsten-Strom nicht vor 2020 importiert werden wird und der Photovoltaikmarkt bis dahin nicht mehr auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein dürfte. Landwirtschaftlich erzeugte Biomasse ist aus unserer Sicht ebenfalls nicht gefährdet: sie ist zur Verstromung zu schade und viel besser als Ersatz fossiler Treibstoffe geeignet.
5. Der Solarserver: Last not least ist in dem Longo-Interview die Rede von einem "technokratischen Welt- und Menschenbild mit kolonialem Einschlag" das den Afrikanern vorschreibt, wie sie Energie erzeugen sollen. Wie passt das zusammen mit den Vorstellungen des Club of Rome, auf dessen Initiative TREC entstand?
Knies: Im Unterschied zu EUROSOLAR kommt bei TREC etwa die Hälfte der Mitglieder aus Nordafrika und dem Nahen Osten, und der Präsident des Club of Rome ist Jordanier. In der nachkolonialen Welt entscheiden diese Regionen selbst was sie wollen: tatsächlich wollen sie ihre Wüsten zur Überwindung ihrer katastrophalen Energie- und Trinkwasserversorgung nutzen und außerdem sauberen Strom als hochwertiges Exportgut erzeugen. Das ist für diese Länder eine der ganz wenigen Möglichkeiten eine nachhaltige Volkswirtschaft und regionale Arbeitsplätze zu schaffen . Dazu suchen sie aktiv die Unterstützung der Europäer.
Dezentrale Stromerzeugung durch importierte Solarzellen brächte dort viel weniger Arbeitsplätze. Auch konzentriert sich die Bevölkerung überwiegend in großen Städten, in denen eine dezentrale Stromversorgung teurer und schwieriger als eine Netzversorgung wäre. Zudem kann die Abwärme der solarthermischen Kraftwerke als billige Energie zur dringend benötigten Meerwasserentsalzung dienen.
Der Solarserver: Herr Dr. Knies, wir danken für dieses Gespräch.
Das Solar-Interview führte Rolf Hug