Squeeze-out - restlos ausgequetscht
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Stand: 21.03.2019 06:46 Uhr
Die englische Sprache ist bisweilen recht plakativ: Squeeze out heißt auspressen, herausquetschen. Im Wirtschaftsleben nennt man so ein Verfahren, bei dem ein großer Aktionär die vielen kleinen Aktionäre aus dem Unternehmen drängt.
Von Bettina Seidl, boerse.ARD.de
Weg mit den ungeliebten Minderheitsaktionären: Wenn der Großaktionär frei schalten und walten will, kann er keine Quertreiber brauchen. Das Aktiengesetz eilt ihm zu Hilfe: Sofern einem Aktionär bereits 95 Prozent an einer Gesellschaft gehören, kann er die restlichen Minderheitsaktionäre ausschließen. Squeeze-out heißt also quasi Enteignung. Der Großaktionär muss den kleineren Anteilseignern dafür eine angemessene Barabfindung zahlen.
Kampf gegen die Räuber
Warum will ein Großaktionär einen Squeeze-out? Kleinaktionäre können sehr unangenehm sein. Zwar hat der Großaktionär mit einer so großen Mehrheit das Sagen. Er kann quasi jeden Beschluss auf der Hauptversammlung durchdrücken, so zum Beispiel eine Kapitalerhöhung oder eine Dividendenausschüttung. Doch de facto haben die kleinen Aktionäre ihn in der Hand. Sie können jeden Beschluss blockieren, selbst mit nur fünf Prozent Beteiligung: Indem sie dagegen klagen. Dann muss der Großaktionär sein Vorhaben gerichtlich erkämpfen. Ein langwieriges Unterfangen. Wichtige Entscheidungen werden dadurch auf die lange Bank geschoben.
Anfang der 80er Jahre kamen solche Querulanten regelrecht in Mode. Sie störten Hauptversammlungen, provozierten die Vorstände zu Beleidigungen, zogen die Treffen unnötig in die Länge - all das nur, um die Beschlüsse später anfechten zu können. Man nannte sie "Berufsaktionäre" oder auch "räuberische Aktionäre".
Mittlerweile hat der Gesetzgeber die Klagerechte der "räuberischen Aktionäre" deutlich eingeschränkt, doch auch heute noch kann es betriebswirtschaftlich geboten sein, sich von unliebsamen Miteignern per Squeeze-out zu trennen.
Kleine Aktionäre sind teuer
Außerdem lohnt sich ein Squeeze-out aus finanzieller Sicht. So müssen die übrigen Aktionäre nicht mehr aufwändig zur Hauptversammlung geladen werden. Ist die Gesellschaft vollständig in einer Hand, kann der Großaktionär die Aktie von der Börse nehmen. Damit entfallen wiederum Pflichten wie die Veröffentlichung von Geschäftsberichten. Alles in allem heißt das: Der Verwaltungsaufwand wird geringer. Die Kosten sinken.
Was ist angemessen?
Wie läuft der Squeeze-out ab? Der Großaktionär macht einen entsprechenden Vorschlag auf der Hauptversammlung und die Aktionäre stimmen darüber ab. Das heißt: Da der Hauptanteilseigner mit seiner gewaltigen Stimmenmehrheit bereits Herr im Haus ist, beschließt er den Rauswurf der anderen selbst.
Er legt auch die Höhe der Barabfindung fest. Allerdings nicht willkürlich: Wie hoch diese Zahlung ist, richtet sich nach dem Wert des Unternehmens. Und den stellen Wirtschaftsprüfer nach einem Blick in die Bilanzen fest. In der Regel stellen sie eine Ertragswertberechnung an, wobei zukünftige Erträge prognostiziert und abgezinst werden. Zunehmend kommt auch das Discounted Cash-Flow-Modell zum Einsatz.
Spekulieren auf einen Nachschlag
In trockenen Tüchern ist der Rauswurf mit dem HV-Beschluss aber längst nicht. Die Minderheitsaktionäre versuchen in der Regel, einen höheren Preis rauszuschlagen. Sie drücken das freilich galanter aus und sprechen von Fairness: "Freiwillig gibt mir niemand den wahren Wert meiner Aktien bei einem Squeeze-out", erklärte ein Investor, der regelmäßig entsprechende Anfechtungsklagen betrieben hat.
Häufig wird im Streit um die Abfindungshöhe ein Spruchstellenverfahren angestrengt. Das kann sich aus Renditesicht lohnen: Nachbesserungen in zweistelliger Höhe sind keine Seltenheit.
Zwei Varianten des Squeeze-out
Der Squeeze-out ist seit 2002 im Aktienrecht geregelt (§§ 327a bis f AktG). Davor konnte ein Großaktionär in Deutschland die anderen Aktionäre nur über Umwege herausdrängen. Das Verfahren war mit Nachteilen verbunden. Bisweilen gelang es auch nicht, die Minderheitsaktionäre vollständig rauszuwerfen.
Neben diesem aktienrechtlichen Squeeze-out gibt es noch eine übernahmerechtliche Variante. Mitte 2006 wurde sie im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (§§ 39a bis c WpÜG) geregelt. Zwei Dinge charakterisieren diese Art des Rauswurfs. Das Verfahren muss unmittelbar auf ein Übernahmeangebot oder Pflichtangebot folgen - das heißt: spätestens drei Monate, nachdem die Annahmefrist der Offerte beendet ist. Und zweitens: Der Großaktionär lässt darüber nicht auf der Hauptversammlung entscheiden. Er beantragt den Squeeze-out vielmehr beim Gericht.
Gehören ihm mindestens 95 Prozent der stimmberechtigten Aktien, kann er verlangen, dass ihm alle stimmberechtigten Aktien übertragen werden. Gehören ihm 95 Prozent des gesamten Grundkapitals, kann er außerdem die nicht stimmberechtigten Aktien einfordern. Auch hier muss er wieder eine angemessene Abfindung zahlen. Als angemessen gilt die Höhe der Übernahmeofferte, wenn sich bereits 90 Prozent der Aktionäre darauf eingelassen haben.
Anlagestrategie Squeeze-out
Anleger haben den Squeeze-out als eine lukrative Anlagestrategie entdeckt. Denn ein Nachschlag war bisher recht wahrscheinlich. Selbst wenn bereits ein Abfindungsangebot vorliegt, ist es noch nicht zu spät, einzusteigen. Zwar ist eine mögliche Zusatzrendite schon eingepreist. Aber die Option auf ein wenig mehr besteht. Außerdem ist der Investor nach unten abgesichert: denn das ursprüngliche Abfindungsangebot gilt weiter.
Allerdings ist es kein schnell verdientes Geld: Im Schnitt dauert es anderthalb Jahre von der Ankündigung eines Squeeze-out bis zur endgültigen Einigung.