Sonntag, 14. November 2010
Stevia der neue Süss-Stoff Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
In wenigen Monaten wird ein neues Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde erwartet. Sollte dieses Gutachten positiv ausfallen, dann wird die EU-Kommission eine Zulassung erteilen. Dies ist dann die Generalprobe für die neue Zusatzstoff-Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, deren wesentliche Bestimmungen am 20. Januar 2010 in Kraft traten,. Mit dieser Neuregelung steht erstmals der Nutzen für den Verbraucher im Vordergrund: „Lebensmittelzusatzstoffe werden nur in die Gemeinschaftslisten .... aufgenommen, wenn sie für den Verbraucher Vorteile bringen ".
Wer glaubt, daß in der EU später einmal Steviolglykoside als natürliche Süßstoffe beworben werden können, der wird sich täuschen. In der Schweiz ist folgendes seitens der Behörde festgelegt: "Steviol-Glyko-side werden chemisch gewonnen und haben mit der ursprüngli¬chen, natürlichen Pflanze nichts zu tun. Daher ist jeder Hinweis auf Natürlichkeit als Täuschung anzusehen ...". Eine solche Position ist in der EU mehr als wahrscheinlich, zumal die Herstel¬lungsverfahren einen erheblichen Einsatz von Chemikalien vorsehen. Nachhaltig und umweltfreundlich sind diese Herstellungsverfahren auch nicht. Man kann also davon ausgehen, dass die Auslobung sehr sachlich bleiben wird, z.B.: „Gesüßt mit Steviolglykosiden" oder „E960".
man ja wie so etwas geht. Ein engagierter Stevia-Händler hat sich erst vor kurzem sich so geäußert: „Bio-Zertifikate aus manchen Ländern sind eine sehr komplexe Angelegenheit". Angebote für Bio-Stevia-Süßstoffe sind also mit äußerster Vorsicht zu genießen. Von solchen Anbietern sollte man sich fernhalten. Bio-Angebote für Stevia-Blätter sind selten und in der Regel mit dem gleichen Mangel versehen. Wer ganz sicher gehen will, für den gibt es nur eine Quelle und zwar mit Schweizer Bio-Siegel: info@tangotee.ch. Die Ware wird in Argentinien fernab der großen Verkehrswege von einer Genossenschah Mate-Teebauern erzeugt und ist ausschließlich über die Schweiz erhältlich. Selbst wenn der Rohstoff „Stevia-Blätter" ein Bio-Zertifikat hat, sind die daraus hergestellten Steviolglykoside noch lange keine Bio-Ware schon alleine wegen den chemischen Herstellungsverfahren, die ein-gesetzt werden.
Jede Zulassung für einen Lebensmittelzusatzstoff ist an eine bestimm-te Spezifikation gebunden. Der JECFA-Ausschuß hat einen Mindest-reinheitsgehalt von 95 Prozent Steviolglykoside vorgeschrieben. Dieser Empfehlung folgte die Schweiz. In Frankreich wurde jedoch eine Spezifikation von 97 Prozent Rebaudiosid A festgelegt. Das ist deutlich unterschiedlich zur Schweiz. Was die Europäische Lebens-mittelbehörde empfiehlt, kann man momentan noch nicht sagen. Ist die Spezifikation aber noch genauer als in Frankreich, dann kann man jetzt schon sagen, dass die Anzahl der Anbieter sehr übersichtlich sein wird. Seit ca. 2 Jahren bekommt man Steviolglykoside angeboten, die angeblich die JECFA-Spezifikationen einzuhalten vorgeben. Häufig halten diese Behauptungen einer analytischen Nachprüfung nicht stand. Dies bringt gewisse Herausforderungen an die Lebensmittelin¬dustrie, die hier sehr genaue Eingangskontrollen durchführen muss, damit ihre Produkte auch verkehrsfähig bleiben, wenn sie Steviol¬glykosid zur Süßung einsetzen wollen.
Einsetzbare Höchstmengen in Lebensmitteln
Hier hat Frankreich eine Liste vorgelegt, welche Höchstmengen für bestimmte Lebensmittelkategorien festlegt. Diese Liste wurde vor kur¬zem nochmals überarbeitet. In der Schweiz geht man dagegen einen anderen Weg. Hier wurde als Ausgangspunkt die maximale tägliche Höchstdosis (ADI-Wert) gewählt und dann auf Kinder bezogen. So ergibt sich eine Höchsteinsatzmenge von ca. 180-216mg Steviol-glykosid je Liter verzehrfähiges Getränk. Solange die Hersteller unter diesen Höchstwerten bleiben (z.B. Coca Cola 175 mg/Liter in „Sprite Verdia„), müssen keine Warnhinweise auf dem Etikett angegeben werden. Folgen die Hersteller den Empfehlungen der Schweizer Gesundheitsbehörde nicht, und haben deutlich höhere Gehalte in den Getränken, müssen Warnhinweise auf dem Etikett angebracht werden: „Für Kinder nicht geeignet". Allerdings muss man hier feststellen, dass eine Dosierung von nur ca. 180 mg Steviolglykosid pro Liter nicht aus¬reicht, um ein Getränk ausschließlich nur mit Steviolglykosid zu süßen. Hier werden noch andere Süßungsmittel benötigt, z.B. Zucker. Auch in den USA, wo einige Antragsteller, den sogenannten „Notified GRAS (General Recognized as Safe)" Status für Ihre Steviolglykoside erreicht haben, bleiben die Getränkegiganten Coca-Cola und Pepsi-Cola äußerst vorsichtig mit dem
Einsatz in ihren Softdrinks Dies hat einen guten Grund, der sich aber nur dem Kenner der Materie erschließt. Für die Verkaufsgenehmigung in den USA (hier von „Zulassung" im Sinne der europäischen Lebensmittelgesetzgebung hier zu reden wäre eine Täuschung des
2 Dies ist festgelegt im sogenannten "Redbook" der FDA.
Lesers) wurden nur wenige neue Studien durchgeführt, die für eine regelgerechte Zulassung nach Lebensmittelzusatzstoffgesetzgebung in den USA nicht ausreichend wären. Es gibt aber auch die Möglichkeit, die gesundheitliche Unbedenklichkeit für einen Lebensmittel¬zusatzstoff auf der Grundlage einer 90 Tage Studie an Ratten festzustel¬len. Allerdings wird dann ein Sicherheitsfaktor von 1000 angewandte. Das bedeutet, dass die tägliche Höchstmenge nur den 1/1000 Teil betragen darf, der bei einer Studie an den Ratten eingesetzt wurde. Dies bedeutet in den USA ca. 4 Milligramm pro Kilogramm Körper¬gewicht und bezogen auf eine 60 kg schwere Person eine maximale Tagedosis von 240 mg Steviolglykosid. Wenn man Getränke von Pepsi¬Cola und Coca-Cola untersucht, die in den USA auf dem Markt und mit Steviolglykosid gesüßt sind, dann erfüllen diese genau diese Vorgabe und liegen weit unter der so berechneten Höchstmenge. Warum? Würden die beiden Getränkegiganten Limonaden auf den Markt bringen, die nur mit Steviolglykosid gesüßt sind, dann benöti¬gen sie ca. 540 - 750 mg Steviolglykosid pro Liter. Wenn man die Verhältnisse in den USA kennt, ist sehr leicht auszumalen, dass das betreffende Getränkeunternehmen wegen der lnverkehrbringung eines unsicheren Lebensmittelszusatzstoffes sehr schnell eine Klage am Hals hätte. Das wäre der Image-Gau schlecht hin.
Gesundheitliche Unbedenklichkeit der Steviolglykoside
Ob Steviolglykoside unbedenklich für die menschliche Gesundheit sind, darüber wurde in der Vergangenheit kräftig gestritten. Bis heute ist dieser Streit nicht beigelegt. Schon allei¬ne deswegen, weil die sogenannte „Stevia-Industrie" bislang nicht bereit war, aussage¬kräftige Langzeitstudien vorzulegen. Langzeitstudien sollen das Krebsrisiko durch die lebenslange Einnahme einer Substanz abklären. Niemand wird behaup¬ten können, dass Steviolglykoside krebser¬regend seien, aber aus Gründen des Verbraucherschutzes muss die Abwesen¬heit eines Risikos dargelegt werden. Fast alle bisherigen Süßstoffe leben mit dem Vorwurf, dass sie krebserregend seien. Bei den bisherigen Zulassungen für Acesulfam¬K, Aspartame, Sucralose etc. haben die Hersteller Langzeituntersuchungen an Ratten durchgeführt und die Ergebnisse vorgelegt. Nur gerade bei Steviolglykosi¬den soll dies nicht notwendig sein? Gewor¬ben wird mit der Natürlichkeit der Produkte und dass Stevia schon seit alters her von den in Paraguay ansässigen Guarani-Indianern verwen¬det wurden. Doch diese verwendeten - wenn überhaupt - nur Stevia¬Blätter, aber keine Steviolglykoside. Dem Verbraucher wird verschwie
gen, dass zwischen dem Rohstoff (Stevia-Blättern) und dem daraus gewonnen weißen Süßstoff-Pulver ein komplexer Herstellungsprozess liegt, bei dem Artefakte und Isomere entstehen können. Zum ersten Mal wurde die Bildung von Steviolglykosid-lsomere 2008 beschrie¬ben,. Seit der „GRAS Notifizierung" verschiedener Steviolglykoside in den USA gibt es Aufschluss über die Struktur der Verunreinigungen4,5. Eine Reihe dieser Verbindungen schmecken ebenfalls süß und könnten als künstliche Süßstoffe bezeichnet werden. Der Gesetzgeber, der für die Zulassung zuständig ist, steht vor der schwierigen Aufgabe die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Steviolglykoside für den Verbraucher zu gewährleisten.
Die Schweiz hat ein Einzelantragverfahren gewählt, bei dem jeder
— Anwender sein Lebensmittel, dass er mit Steviolglykosiden süßen möchte, einzeln anmelden muss. In den USA muss jeder Steviol-glykosid-Anbieter, der eine „GRAS-Notifizierung" einreichen möchte, eine Beurteilung seines Produktes zusammen mit der Beschreibung der Herstellung vorzulegen. Hat die FDA keine Einwände, erhält der
— Antragsteller einen sogenannten „No-Objection-Letter" und kann mit der Vermarktung beginnen. Die EU-Kommission könnte eventuell jedem Antragsteller den Beleg für die gesundheitliche Unbedenk¬lichkeit seines Produktes auferlegen. Auch dies würde die Anzahl der Steviolglykosid-Anbieter deutlich eingrenzen. Frankreich wählte für
- die vorläufige Zulassung eine sehr enge Spezifikation. Auch eine sol
che Verfahrenweise könnte die EU-Kommission wählen.
Anbietet
In der Zwischenzeit sprießen die Stevia Internetshops - obwohl bisher
- keine Zulassung erteilt wurde - aus dem Nichts und jeder verspricht,
das beste Angebot zu haben. Allen ist nur eines gemeinsam, der Verbraucher wird hier richtig abgezockt. Was in China für 50 $/kg zu haben ist, wird hier in Europa gerne mal für 600 bis 1000 €/kg an den Verbraucher weitergegeben. Auch ganz abgesehen von den angebo¬tenen Qualitäten. Die sind teilweise so schlecht, dass man schon
fast von nachhaltiger Geschäftsschädigung Dritter sprechen könnte. Die Anzahl der Hersteller mit standardisierter Produktion und mehr als 200 Jahrestonnen Produktion ist aber bislang weltweit recht beschaulich geblieben. Geschätzt gibt es in China ca. 10-15 Hersteller, in Brasilien gibt es bislang einen Hersteller, in Paraguay sind es drei Hersteller und in Argentinien soll es bald auch drei Hersteller geben. Dazu kommen zwei Hersteller in den USA und dann zwei ganz große Unternehmen, die Firmen GLG mit Sitz in Vancouver und PureCircle mit Sitz auf den Bermudas. Beide Unternehmen wollen jeweils 4000 Jahrestonnen produzieren
können. Cargill und Coca-Cola haben zur Entwicklung der
Steviolglykoside eine strategische Allianz geschlossen, wobei Coca- Cola weltweit das Erstnutzungsrecht für ihre Produkte besitzt. Mit der Firma GLG hat Cargill einen exklusiven Belieferungsvertrag bis zum Jahr 2030 abgeschlossen. Hier wird in großem Umfang vorgeplant, zumal verschiedentlich berichtet wurde, dass bis zum Jahr 2020 circa 20-25 Prozent des Weltzuckermarktes mit Steviolglykosiden bedient werden soll, was nach heutigen Preisen ein Umsatzvolumen von 10 Mrd. US-$ bedeutet. Zum Vergleich wäre dies eine Menge von ca. 37,5 Millionen Tonnen Zucker, der durch 187.000 Tonnen Steviolglykoside ersetzt werden könnte. Theoretisch sind hier gewaltige Wachstumsmärkte in Aussicht. Auch Nischenanbieter hätten hier eine gute Chance. Eine Steviolglykosid-Produktion solchen Ausmaßes würde aber eine erhebliche Belastung für die weltweiten Zuckerunternehmen bedeuten, mit der Konsequenz, dass viele dieser Firmen unter die Rentabilitäts-schwelle rutschen würden. Deswegen kann man davon ausgehen, dass in Zukunft alle Zuckerhersteller in die Produktion von Steviolglykosiden einsteigen werden. Auch in Deutschland ist diese Tendenz unübersehbar. Inwieweit dann die spe¬zialisierten Unternehmen der Steviolglykosid-Herstellung in Asien und Südamerika überleben werden, ist fraglich.
andere bekannte Süßstoffe, während Rebaudiosid A 97 Prozent teurer ist als der Zuckerpreis in den USA, wenn man die Zuckerequi-valenzpreise vergleicht. Allerdings sind im Januar 2010 die Preise ins Rutschen gekommen. Der Grund dafür ist noch nicht eindeutig. Dies kann durchaus an einer derzeit schlechten Nachfrage liegen. So wird von einigen Anbietern aus China in der Zwischenzeit nur noch 167 $/kg für Rebaudiosid A 97 Prozent Reinheit verlangt. Weitere Preisabschläge sind insbesondere dann zu erwarten, wenn der Verbraucher nicht so anspringt, wie man sich dies so vorgestellt hat. In der Schweiz, die schon seit 2008 Produkte mit Steviolglykosid auf dem Markt hat, scheinen sie keine großen Renner zu sein.
Verbraucher
Der große Unbekannte und alles Entscheidende ist der Verbraucher. Tatsächlich ist es so, dass die Verbraucher über den Ausgang des Steviolglykosid-Abenteuers entscheiden. Es scheint unbestritten zu sein, dass die Verbraucher einem natürlichen Süßstoff den Vorzug vor jeder synthetischen Variante geben würden. Der Verbraucher wird aus Sicht des Autors Produkte mit Steviolglykosid aber nur dann akzeptie-ren, wenn er deutlichen Zusatznutzen erwarten kann. Ein Zusatz-nutzen wäre zum Beispiel die durch Studien belegte gesundheitliche Unbedenklichkeit, wobei es selbstverständlich ist, dass die Studien der Prüfung
durch die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) auch standhalten. Vor kurzem erreichte den Autor eine Anfrage aus Berlin von einer wachen Journalistin und Privatdozentin: "Warum ist es für mich als Konsumentin positiv, wenn irgendwer damit Milliarden Umsätze macht?". Man kann dieser Frage eigentlich nichts mehr hin
zufügen. Wenn es sich dann auch noch herumspricht, dass bei manchen Steviolgylkosid-Anbietern die Gentechnologie im Gepäck mit dabei ist, dann besteht die Gefahr, dass die Chancen für ein gutes Produkt vertan werden und der Markteinstieg in der EU verpatzt wird.
Wenn die Verbraucher den geistigen Klimmzug „Steviolglykosid = natürliche Süßstoffe" nicht mitmachen, sondern tatsächlich der natür-lichen Alternative - nämlich naturbelassene Produkte aus Stevia rebaudiana - den Vorzug geben, erst dann haben Süßungsmittel aus Stevia rebaudiana eine richtige Chance. Dazu sind aber noch erhebli¬che Investitionen erforderlich, z.B. entsprechende Untersuchungen zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit, die für die Beantragung Vorschrift sind. Dies bedarf aber innovationsfreudiger Köpfe, deren Blick wesentlich weiter reichen muss, als bis zur nächsten Bilanz.
Ausblick:
Es gibt ein klassisches Produkt an dem sich das Schicksal jeden Süßungsmittels entscheidet: Limonade auf Cola-Basis. Wer in der Lage ist, ein Süßungsmittel aus Stevia rebaudiana herzustellen, das ohne Probleme in der klassischen „Cola" zu 100% eingesetzt werden kann, ohne den Zusatz von weiteren Süßungsmitteln oder Geschmacks-modifizierern bzw. -verstärkern hat die Chance für den großen Durchbruch. Coca-Cola selbst hat es bis heute nicht geschafft und arbeitet doch daran - mit Unterbrechungen seit 1983.
Wir leben in einer Ernährungs- und Genusskultur, in der eine Substanz eine alles entscheidende Rolle spielt: Zucker. Wenn wir über die Qualität von Lebensmitteln und gesunde Ernährung reden, dann hat das fast immer mit dem Thema Zucker zu tun. Und wenn wir darüber klagen, dass Menschen mit Herz-Kreislauf¬Erkrankungen und anderen so genannten Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Fettsucht unsere Gesundheitssysteme zum Kollabieren gebracht haben, dann hängt das nicht zuletzt auch mit unserem Umgang mit der süßen Verheißung Zucker zusammen. Längst ist auch beim letzten Verbraucher angekom¬men: Zucker gilt als einer der schlimmsten Krankmacher unserer Zeit. Ein übermäßiger Konsum kann schon im Kindesalter zu Karies, Ubergewicht oder gar Diabetes führen (s. Cashkurs Trends Ausgabe „Diabetes"). Das Tückische an diesem süßen Nahrungsmittel: Sein Konsum lässt sich nur schwer kontrollieren. Denn die Liste der Lebensmittel und Getränke, in denen Zucker enthalten ist, ist schier endlos.
Zu bedenken ist hier:
n Zukunftsmärkte entstehen häufig dort, wo sich Lebensgewohnheiten auf dramatische Weise verändern - oder verändern sollten.
n Das sprunghafte Ansteigen der so genannten Zivilisationskrankheiten und die chronische Uberla-stung der Gesundheitssysteme in der ganzen Welt verlangt in den nächsten zehn Jahren umfas-sende gegensteuernde Maßnahmen. Märkte, die einen Ausweg aus diesem Dilemma aufzei¬gen, werden zu den Gewinnern der nächsten Jahre gehören.
n Es ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass es groß angelegte Kampagnen von WHO (World Health Organization) oder wem auch immer geben wird (so wie momentan in den USA den Feldzug gegen den Salzkonsum), die auch gegen die mächtigen Lobbygruppen um den Zucker agieren werden und nach einer Exit¬Strategie verlangen werden. Wer hier eine Alternative im Portfolio hat, der braucht sich um seine Zukunft nicht zu sorgen. Der Gesundheitsmarkt ist ein Schlüsselmarkt der Zukunft. Viele Akteure, vom Endverbraucher (der proaktiv und nachhaltig Gesundheit herstellen möchte und muss), über die Industrien (die sich definitiv neuen Anforderungen seitens der Gesetzgebung werden stellen müs¬sen), bis zum Staat selbst (für den steigende Gesundheitskosten eine Schlüsselfragen in der Zukunft sein werden) - alle suchen nach Marktalternativen.
Das Vertrackte an der Zucker-Story: Den größten Teil des Zuckerkonsums nehmen wir nicht einmal bewusst, sondern indirekt durch den Verzehr anderer Lebensmittel auf. So konsumiert jeder Deutsche pro Jahr etwa 35 Kilogramm Zucker. Nach Angaben des Vereins der Zuckerindustrie betrug der Zuckerkonsum jedes EU-Bürgers im Wirtschaftsjahr 2008/2009 durchschnittlich 38,2 Kilogramm, mehr als dreimal so viel wie in China, wo der Pro-Kopf-Konsum 11,9 Kilogramm beträgt. Für diesen Mengenunterschied gibt es eine einfache Erklärung. In China gibt es mit dem Naturprodukt Stevia, eine gesunde alternative zum Zucker, die seit mehr als zehn Jahren offizielle Marktberechtigung hat. Künstliche Alternativen, wie der Süßstoff aus dem Labor, sind dagegen verboten. Ursprünglich stammt Stevia aus Paraguay, die
Herstellung findet derzeit aber vor allem in China statt, das etwa 85 % des weltweiten Stevia-Bedarfs deckt. Die Anbauflächen wachsen stetig weiter, nicht zuletzt weil immer mehr Provinzbauern den Zukunftsmarkt Stevia im Auge haben. Eine der größten und besten Stevia-Anbauflächen in China befindet sich in der Provinz Jiangsu um die Stadt Dongtai herum, die auf dem Wege ist, zur weltweiten Drehscheibe für die Stevia-Produktion zu wer¬den. Eine ähnlich lange Geschichte hat Stevia in Japan, das gemeinsam mit Korea zu den größten Stevia¬Abnehmern Chinas gehört. Seit die Regierung Ende der 1960er Jahre den Anbau von Stevia offiziell förderte, stieg die Nachfrage nach Stevia rapide an. Schätzungen von Free Stevia zufolge liegt der Markanteil der süßen Zuckeralternative in Japan bei inzwischen über 40 %.
Die Vorteile von Stevia:
n Stevia ist etwa 300-mal süßer als Zucker, enthält aber keine Kalorien und beeinflusst den Blutzuckerspiegel nicht. —  Untersuchungen unter Diabetikern haben ergeben, dass der Verzehr den Blutzuckerspiegel senkt.
n Stevia ist ein reines Naturprodukt und wird rein aus der Stevia-Pflanze gewonnen. Zudem reduziert Stevia die Gefahr der Kariesbildung.
Der erwachende Stevia-Markt hat sich jedoch seine Grundsatzprobleme selbst geschaffen. Seit mehr als 25 Jahren steht eine Stevia-Zulassung für das EU-Gebiet im Raum. In ein paar Wochen wird ein neues Gutachten veröffentlicht, in dem - so wird von vielen Fachleuten angenommen - eine Zulassung empfohlen wird. Es handelt sich hierbei dann aber nur um die Zulassung der Stevia-Süßstoffe - nicht des natürlichen Pflanzenrohstoffs „Stevia rebaudiana". Stevia-Süßstoffe (Fachbezeichnung: Steviolglykoside), das weiße Pulver das aus den Stevia-Blättern gewon¬nen wird, kann jedoch keinesfalls als naturreines Produkt bezeichnet werden. In der Schweiz, die bereits über eine Zulassung des Stevia-Süßstoffes verfügt, wird das Produkt so deklariert: „Steviol-Glykoside werden chemisch gewonnen und haben mit der ursprünglichen natürlichen Pflanze nichts zu tun. Daher ist jeder Hinweis auf Natürlichkeit als Täuschung anzusehen..."
Der gar nicht so ökologische, weil durch den Einsatz von Chemikalien gewonnene Süßstoff wird in der Oko- und Bioszene zwar - unter dem Tisch - als natürliche Geheimwaffe gegen den ungesunden Zucker feilgeboten, verdient diese Zuschreibung aber gar nicht. Bei einigen Anbietern des Stevia-Süßstoffes sind außerdem Verfahren der Biotechnologie mit an Bord, was das Zutrauen der Konsumenten ebenfalls nicht weiter steigern wird. Einstweilen ist es so, dass der Stevia-Süßstoff in wenigen Wochen wohl seine Zulassung erleben, die Stevia-Revolution jedoch ausbleiben wird. Stevia wird für den Moment und relativ unspektakulär unter der Bezeichnung „Gesüßt mit Steviolglykosiden" oder „E960" sein Marktdebüt erleben. Die Zuckerlobby, die mit Argusaugen auf die aktuellen Entwicklungen blickt, hat vorläufig das Thema Stevia entschärft, domestiziert und die eigene Positionierung gestärkt.
Eine zweite Stevia-Welle wird dann entstehen, wenn von Verbraucherseite immer stärker der Zugriff auf das natürliche Stevia rebaudiana gefor¬dert wird. Dazu werden in den nächsten Jahren neue Begutachtungsrunden stattfinden, die dann jedoch den eindeutigen Zusatznutzen von Stevia rebaudiana untermauern könnten (siehe unten).
Unoestritten ist: Wer sich ernsthaft mit Stevia beschäftigt, muss feststellen, dass die Pflanze in den nächsten — Jahren den weltweiten Lebensmittelmarkt auf den Kopf stellen und zu einem Hauptdarsteller auf dem boomenden Gesundheitsmarkt werden könnte.
Die Global Player auf den Lebensmittel- und Getränkemärkten stehen in den Startlöchern
Seit die WHO 2008 eine Studie zur Unbedenklichkeit von Stevia veröffentlicht hat, kommen die Märkte mehr und mehr in Bewegung. In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) Ende 2009 eine Zulassung für Stevia als Lebensmittelzusatzstoff ausgesprochen. Seitdem nahm vor allem die Nachfrage der großen Lebensmittel- und Getränkehersteller nach der gesunden Zuckeralternative deutlich zu. Auch hier gilt das Gesetz: Wer den Süßmarkt beherrscht, hat den Lebensmittelmarkt im Griff. Es sind momentan vor allem die multinationalen Player, die den Stevia-Markt vorantreiben. Einige Stevia-Getränke sind bereits auf dem Markt: PepsiCo (Sobe LifeWater, Tropicana Juice). Coca Cola (Sprite Green, Vitaminwater), Whole Earth( PureVia table top sweeteners), Cargill (Truvia table top sweeteners). Für die kommenden fünf Jahre rechnet die Rabobank für den US-Markt mit einem Umsatz von ca. 700 Millionen US-Dollar mit Stevia-Süßstoffen. In Australien und Neuseeland ist Stevia seit 2008 offiziell als Lebensmittel erlaubt. Der größte Lieferant dort ist die Australian Stevia Mills Ltd
In der EU steht die Stevia-Zulassung noch aus. Der Lebensmittelchemiker und Stevia-Experte Prof. Dr. Kienle (Uni Hohenheim) rechnet in den nächsten ein bis zwei Monaten mit der Zulassung für den europäischen Markt. Erster EU-Staat, der bereits eine Stevia-Zulassung ausgesprochen hat, ist Frankreich. Seit August 2009 dürfen Unternehmen die Stevia-Süße als Lebensmittelzusatzstoff verwenden, allerdings zunächst nur für zwei Jahre. Auch in der Schweiz wird Stevia seit Mitte letzten Jahres als Süßungsmittel eingesetzt. Eine Liste des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit mit Einzelgenehmigungen für diverse Produkte belegt, dass das Interesse der Unternehmen an Stevia enorm ist. Auf der Liste finden sich bekannte Markennamen wie Sprite, Ricola, Capri Sonne, Aldi uvam. (www.bag.admin.ch).
Die derzeit größten und wichtigsten Player und Kooperationen auf dem Stevia-Markt:
1. Das US-Unternehmen PureCircle gilt als Stevia- Pionier (www.purecircle.com) und beschreibt die Marktaussichten für Stevia so: „One Year on, Stevia becoming Mainstream". Zu den Kunden, mit denen PureCircle Langzeitverträge abgeschlossen hat, gehören PepsiCo (www.pepsico.com), einer der weltweit größten Food & Beverage-Konzerne, und Whole Earth Sweetener Co. (www.wholeearthsweetener.com), eine 100prozentige Tochter¬firma von Merisant (www.merisant.com), dem Weltmarktführer in der Herstellung und Vermarktung von Tafelsüße. Mit beiden Partnern bietet PureCircle bereits Stevia unter der Marke PureVia (www.purevia.com) in den USA, Mexico, Australien und Frankreich als Süßungsmittel an. PureCircle beliefert mit Cargill auch einen der größten Lebensmittelproduzenten der Welt und ist außerdem an der chinesischen Firma Ganzhou Julong High-Tech Industry Co. (www.stevioside.com.cn) beteiligt, die als der größte Stevia¬Hersteller in China gilt. Ende letztens Jahres gab PureCircle für den malaysischen Markt die Zusammenarbeit mit dem weltgrößten Lebensmittelkonzern Nestle (www.nestle.com) bekannt.
Die kanadische Firma GLG Life Tech Corporation (www.glglife
tech.com) gehört ebenfalls zu den Weltmarktführern in der Stevia
Produktion und besitzt mehrere Fabriken in China. Zu den Kunden von GLG gehören der Getränkeriese Coca Cola und Cargill. Cargill vermarktet in den USA bereits seit 2008 steviabasierte Süßstoffe unter dem Markennamen „Truvia" (www.truvia.com) und ist zudem im Besitz einiger Patente für den Stevia-Gebrauch in diver¬sen Lebensmitteln. Coca Cola besitzt 24 Patente für den Gebrauch von Stevia in Getränken. GLG will seine Produktion in den nächsten Jahren weiter ausbauen. Eine 100prozentige Tochter von GLG ist die chinesische Firma Stevia High Tech Company Limited, die nach eigenen Angaben bereits bis zum Jahre 2030 Aufträge für die Lieferung von Stevia hat.
3. Der Hersteller Sunwin International Neutraceuticals (www.sun-wininternationalcom) gehört zu den weltweit führenden Herstellern und Lieferanten von Stevia. Seit kurzem ist Sunwin besonders gut für den Zukunftsmarkt Stevia gerüstet: Der Konzern hat vom Shandong Province Science and Technology Office, in der am GDP gemessen zweitgrößten Provinz in China, ein Qualitätszertifikat erhalten, das nicht nur die Standards für China, sondern auch für die Märkte in USA und Europa erfüllt.
-- Stevia: Auf dem Weg vom Nischenprodukt auf die Einkaufszettel des globalen Jedermann-Konsumenten
Dass es durch Stevia zu größeren Umwälzungen auf den Lebensmittelmärkten kommen wird, bestätigt nicht zuletzt auch eine aktuelle Umfrage unter Verbrauchern. Tenor: Der Konsument ist längst bereit für einen gesunden Zuckerersatz. Der US-amerikanische Spezialist für natürliche Lebensmittelzusatzstoffe PureCircle fand bei seiner Untersuchung heraus, dass fünf Monate nach der US-Zulassung von Stevia bereits eine von drei Müttern über die Null-Kalorien-Lösung Bescheid wusste. Insgesamt kennt sich nahezu die Hälfte der amerikanischen Frauen mit den Wirkungen und Vorteilen von Stevia aus.
Der Zuckermarkt ist weltweit ein Milliardengeschäft. Stevia ist drauf und dran, sich ein Stück von dem großen Kuchen abzuschneiden
Nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ) gibt es insgesamt 127 Länder, die Zucker produzieren, vornehmlich aus Zuckerrohr und Zuckerrüben. Im Wirtschaftsjahr 2008/2009 wurden weltweit 160,9 Millionen Tonnen Zucker verbraucht (2006/07: 152,2 Millionen Tonnen). Die Zuckerherstellung belief sich 2008/09 auf 157,4 Millionen Tonnen. Allein in Deutschland gibt es mehr als 34.000 landwirtschaftliche Betriebe die Zuckerrüben anbauen. Etwa drei Prozent der gesamten Ackerbaufläche Deutschlands wird für den Anbau von Zucker verwendet. Geht man davon aus, dass die Zuckeralternative Stevia künftig auch für Diabetiker und andere Zuckerverweigerer interessant sein wird, erfährt der gigantische Markt für Süßes eine weitere Aufwertung.
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