N'Abend,
ich sehe dem Jahresbericht mit insgesamt negativen Erwartungen entgegen.
POSITIV
- Wenn man der Aussage des CFOs (?) vor einigen Monaten noch Glauben schenkt, sollte sich nun - aufgrund der Jahresverträge/"verzögerten Weitergabe von Preissteigerungen an unsere Kunden blabla" im letzten Quartal nun langsam ein etwas deutlicherer positiver Einfluss auf die wichtigsten Kennzahlen ergeben, da die Stahlpreisexplosion etwa im Spätsommer 2020 ihren Anfang nahm. Nach dieser Logik wäre allerdings maximal ein Monat (Sep 2020) für die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres "wirksam". Dafür könnte das GJ 21/22 fulminant starten (Ausblick ist ja auch wichtig).
- Diverse Großinvestitionen (Hochofen-Erneuerung, Walzanlagen-Update) am Standort Duisburg sind, soweit ich weiß, abgeschlossen.
- Der eine oder andere erfolgte Verkauf aus dem Wurst-Segment "Multi Tracks" dürfte den Cashflow - hauptsächlich im Ausblick auf 21/22 - nach oben bringen.
NEGATIV
- PROGNOSE BLEIBT?! Lange keine DGAP-Meldung mehr gesehen von Thyssen... Wir dürfen also allem Anschein nach damit rechnen, dass die Prognose aus dem Q3-Bericht Bestand hat, d. h., Free Cashflow ( "vor M &A in Richtung -1 Mrd €") und Ergebnis ("Jahresfehlbetrag ... von bis zu einem mittleren 3-stelligen Millionen-€-Betrag") beide deutlich negativ. Eine Dividende als positive Überraschung schließe ich mal zu 200% aus, hielte ich auch für komplett schwachsinnig.
- MAKROÖKONOMISCHER AUSBLICK
Das Kalenderjahr 2021 stellte sich dann hierzulande doch nicht wirklich als das "Boom-Jahr" heraus, das uns seitens Politik und einiger Wirtschafts-"Experten" vorausgesagt wurde. Nun soll es dann 2022 aber ordentlich "boomen". Ich erwarte auch für 2022 unterm Strich ein verhaltenes Wirtschaftswachstum, da ja nun viele Probleme offenkundig geworden sind:
- Probleme in den Lieferketten sorgen für Probleme z. B. in der Autoindustrie
- Hohe (wohl doch nicht so vorübergehende) Inflation mit Gefahr einer "Lohn-Preis-Spirale". (Tarifvertrag Metall gilt aber, wenn ich richig informiert bin, immerhin bis zum 30.09.2022.)
- Die wirtschaftliche Kompetenz einer potentiellen "Ampel-Regierung" wird wschl. als noch geringer erweisen als die der vergangenen Regierung. Es besteht eine große Gefahr, dass bestehende Probleme (Energiekrise/-mangel) sich verschlimmern oder neue Probleme zutage treten werden (Platzen der "Wasserstoffblase" angesichts nicht ausreichender Versorgung mit "grünem" Wasserstoff), ohne dass diese Probleme adäquat angegangen werden seitens der Politik.
- ROHSTOFF- UND ENERGIEKOSTEN! Erz und Kohle gingen schon im Frühjahr/Sommer 2020 wieder hoch, noch bevor die Stahlpreise anzogen. Der Gipfel der Erzpreise z. B. fiel mitten ins Q4 bei Thyssen. Nun wird Thyssen wohl hoffentlich schlau genug gewesen sein, um längerfristige Lieferverträge zu unterhalten; bei den enormen Anstiegen wird sich ein gewisser gewinnschmälernder Effekt im vergangenen und aktuellen Geschäftsjahr wohl kaum verhindern lassen - evtl. auch noch mit ein paar saftigen Hedgingverlusten (dann aber für Q1 21/22) on top. Dazu kommen heftige Preissteigerungen für Gas + Strom, die aber auch eher im aktuellen Geschäftsjahr von Bedeutung sein werden, aber mit Sicherheit negative Stimmung im "Ausblick"-Teil des Berichts verbreiten werden.
- CORONA IST WIEDER DA! Auch wenn ich glaube, dass "Corona" bzw. die Anti-Corona-Maßnahmen, insbesondere "Lockdowns", wenig direkten Einfluss auf die meisten Industriebetriebe haben, so kann man doch feststellen, dass die Schlagwörter "Corona" und "Lockdown" immer gut sind, um als "Erklärung" für bereits entgangene oder künftig geminderte Ergebniszahlen zu dienen.
- CHART: Der vorgestrige Anstieg schien mir keine fundamental überzeugenden Gründe zu haben und kommt mir vor wie eine Nebelkerze, die ganz schnell wieder abgefackelt werden muss. Berichtsstichtage bei Thyssen sind ja gerne mal eine gute Gelegenheit für einen saftigen (mehrtägigen) Abverkauf.
- HOCHWASSER: Wohl kaum erwähnenswert, aber einige Betriebe aus dem TK-Konzern waren wochenlang behindert wegen zerstörter Verkehrsinfrastruktur im Zuge ders "Ahrtal-Hochwassers" im Juli.
Und hier die Kurzfassung: Morgen 2-3% Plus bis 9 Uhr; -5% zum XETRA-Schluss. Oder es kommt einfach mal ganz anders... :-)
Viel Glück!