Todesstrafe
Wenn der Staat tötet
Nicole Kautenburger
Die Christen waren der Todesstrafe nicht abgeneigt gewesen und interpretierten sie als Ausdruck des Zorn Gottes über Straftaten, die sich seiner Ordnung widersetzen. Die Christen waren ebenfalls der Ansicht, dass das Böse, das durch den Sündenfall verursacht wurde, auf der Welt existiert und ausgemerzt werden müsste, damit es nicht überhand nimmt.
Außerdem hielten sie zur der Zeit absolut nichts von Menschenwürde. Denn das wahre Menschsein beginnt erst vor Gott.
Als es dann zur Kirchenspaltung kam, stützte Luther die Ansichten über die Todesstrafe mit seiner Zwei-Reich-Lehre:
Im reich Gottes gibt es nur Liebe und Barmherzigkeit, im irdischen Reich solle man aber keine Barmherzigkeit walten lassen und alle Vergehen bestrafen.
Die Katholiken hingegen wollten durch die Todesstrafe die Gesellschaft schützen.
Die ersten Einwände gegen die Todesstrafe wurden in der Zeit der Aufklärung erhoben. Bekannt dafür wurde der Italiener Cesare Beccaria.
Er löste eine Diskussion über die Todesstrafe innerhalb der Kirche aus.
Trotz den entfachten Diskussionen nahmen beide Konfessionen die Todesstrafe hin. Erst heute sind sich einig, dass man die Voraussetzungen für Kriminalität beseitigen muss und dass nur Strafen verhängt werden sollen, die der Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft dienen.
Doch bis dahin blieb das Strafgesetzbuch von Kaiser Karl dem V. noch bis ins 19. Jahrhundert hinein bestehen:
1813 letzte Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Berlin
1838 letzte Kind wurde in England verurteilt (Brandstiftung)
1851 letzte Hinrichtung durch Rädern in Preußen
Im England des 19. Jahrhunderts, wurde die Todesstrafe für viele, oftmals harmlose Straftaten verhängt und sind ein Beispiel für einen leichtfertigen Umgang mit ihr.
Auf folgende Delikte stand die Todesstrafe
- Diebstahl von Rüben
- Gemeinschaft mit Zigeunern
- Beschädigung eines Fischweihers
- Fällen eines Baumes
- Missbrauch der Ambulanz
- Taschendiebstahl
- ...
1848 beschließt das Paulskirchenparlament, dass sich nach der Märzrevolution in Deutschland gebildet hatte, die Abschaffung der Todesstrafe. Da sich das Parlament und seine Verfassung nicht etablieren konnte, verhängte man weiterhin die Todesstrafe.
1870 möchte Bismarck die Todesstrafe erneut verbieten, aber viele deutsche Staaten sind dagegen. Da Bismarck die Einheit Deutschlands anstrebt, lässt der die Idee wieder fallen, um die Zustimmung der Einzelstaaten zu sichern.
Obwohl die Todesstrafe noch in Kraft war, wurde sie im Wilhelminischen Reich sehr selten verhängt. Selbst im 1. Weltkrieg wurden insgesamt nur 68 Menschen hingerichtet. 20 davon waren Zivilisten.
Bis zur Machtergreifung Hitlers gingen die Zahlen weiterhin stark zurück.
Im Dritten Reich trat eine radikale Änderung ein. Der Strafrechtskatalog wurde stark erweitert. Neben Terroristen, Staatsfeinden und natürlich Mördern wurde sogar Kohlenklau, Hühnerdiebstahl und Abtreibungen mit dem Tode bestraft. Je näher das Kriegsende rückte, desto mehr Menschen wurden verurteilt. Bei Gerichtsverfahren gab es nur zwei Möglichkeiten: Freispruch oder Todesstrafe.
In den Jahren 1933 - 1945 wurden insgesamt 160 000 Todesurteile vollstreckt. Das sind etwa 90 % aller verhängten Todesurteile. Im Gegensatz dazu, werden heute die meisten Todesurteile nicht zwangläufig auch vollzogen.
Zwei berühmte Todeskandidaten waren Sophie und Hans Scholl, Mitglieder der Widerstandsgruppe "Die weiße Rose". Sie wurden am 22. Februar 1943 geköpft.
1948 reichte der Abgeordnete Seebohm den ersten Antrag zur Abschaffung der Todesstrafe ein.
1949 wurde durch den Artikel 2 des Grundgesetzbuches die Todesstrafe für leichte Verbrechen abgeschafft. In diesem Jahr wurde auch noch der letzte Straftäter in Westdeutschland (!) hingerichtet.
1963 forderte einige deutsche Bürger wieder die Einführung der Todesstrafe durch Erschießen und wollten den Bundeswehrsoldaten die Durchführung übertragen.
1985 wird durch die Menschrechtskonvention die völkerrechtliche Ächtung der Todesstrafe beschlossen. Außerdem muss jeder europäische Mitgliedsstaat die Todesstrafe abschaffen.
Erst 1987 wurde die Todesstrafe endgültig abgeschafft. Der Artikel 102 GG lautet: "Die Todesstrafe ist abgeschafft"
Dennoch kommt es auf deutschem Boden noch zur Verhängung eines Todesurteils.
Das NATO-Truppenstatut besagt, dass in einem NATO-Mitgliedsstaat stationierte Truppen nach den Gesetzen ihren Heimatlandes bestraft werden. So kann ein
US - Militärgericht in Deutschland die Todesstrafe verhängen.
In solchen Fällen kommt es zu Konflikten, da der Artikel 102 auch für Ausländer in Deutschland gilt. Außerdem ist besteht in Deutschland ein Abschiebeschutz für Asylbewerber, denen in ihrem Land die Todesstrafe droht.
Prüfung der Argumente
PRO:
Gleiches wird mit Gleichem vergolten
Dem Täter soll genau das angetan werden, was er dem Opfer angetan hat. Er soll den Mord mit seinem Leben büßen.
Einwand:
Wir können einem Täter nicht das antun, was er seinem Opfer angetan haben. Viele Täter haben Menschen auf bestialische Weise getötet. Sie haben sie vergewaltigt, ertränkt, verbrannt oder gefoltert.
Wer würde sich dazu bereit erklären, einen Vergewaltiger zu vergewaltigen?
Außerdem machen wir uns mit der Hinrichtung selbst zu einem Mörder und so müsste das Gesetz auch auf uns angewendet werde - wir müssten auch hingerichtet werden!
Genugtuung für die Angehörigen:
Die Angehörigen wollen, dass der Tod des Opfers gerächt wird und der Täter dafür büßen muss.
Einwand:
Die Hinrichtung des Täters befriedigt nur ihre Wut auf ihn. Aber es ist kein Ausgleich für die Trauer, die sie durch den Verlust ihres Familienmitgliedes oder Freundes erfahren.
Durch den Mord an einem Familienmitglied, z.B. des Vaters, geraten viele Familien in finanzielle Problem. Oftmals sind auch andere Personen durch den Täter geschädigt worden und leiden an körperlichen oder seelischen Folgen. Vielleicht entsteht aus diesem Grund eine Arbeitsunfähigkeit, wodurch sich ihr Lebensstandard erheblich sinkt.
In diesem Fall sollte der Täter die Hinterbliebenen unterstützen, indem er im Gefängnis arbeiten.
Schutz der Gesellschaft
Ein toter Mörder wird keinen mehr umbringen
Einwand:
Mit lebenslanger Haft, wäre der Täter auch das dem Verkehr gezogen und würde niemandem mehr schaden. Statt noch den Tod von Straftätern zu fordern, die durch Inhaftierung schon längst "weggesperrt" wurden, sollte man sich verstärkt darum kümmern, dass kein gefährlicher Verbrecher wegen angeblicher "guter Führung" wieder auf freien Fuß gesetzt und wieder rückfällig wird. Die Rückfallquote bei Sexualdelikten sind erschreckend hoch, dennoch werden Täter nach einer Therapie wieder "in die Gesellschaft eingegliedert".
Abschreckung
Todesstrafe reduziert die Gewaltverbrechen und Morde, weil potentielle Täter wegen der harten Strafe vor einem Mord zurückschrecken.
Einwand:
Statistiken haben noch nie eine abschreckende Wirkung gezeigt.
Täter gehen, wenn sie eine Tat planen nicht davon aus, dass sie entdeckt werden und denken somit gar nicht an die Todesstrafe. Das selbe gilt auch für geistig verwirrte Menschen.
Tatsache ist aber, dass die meisten Morde aus Affekt geschehen und vorher gar nicht geplant wurden. In diesem Moment versagt der Verstand und auch das Bewusstsein über die möglichen Konsequenzen.
Die Todesstrafe provoziert aber auch Gewalt.
Psychologen raten bei Flugzeugentführungen davon ab, den Entführern mit der Hinrichtung zu drohen. Die Täter sehen sich dann in einer ausweglosen Situation und zerstören blindlings, weil sie denken, sie hätten eh nichts mehr zu verlieren.
Ebenso können sich andere, z.B. Terroristen, wegen der Hinrichtung an Politkern und Polizei rächen wollen.
Eine Studie von 1983 zeigt, dass in 14 Ländern, in den die Todesstrafe abgeschafft wurde, die Anzahl der Morde um die Hälfte abnahm und das zwischen 1903 und 1963 nach jeder Hinrichtung eine Zunahme um zwei Morde pro Monate erfolgte.
Todeskandidaten liegen dem Steuerzahler auf der Tasche
Straftäter, die eine lebenslange Haftstrafe bekommen, kosten den Steuerzahler viel Geld, weil sie für die Unterbringung und Versorgung aufkommen müssen.
Einwand:
Es ist genau umgekehrt!
Laut der Universität Freiburg kostet die Todesstrafe 3,18 Mio. $ (inklusive Mehraufwand für Expertengutachten, Ermittlern, längere Verfahren, Unterbringung, Jury, Berufungen, Isolierung im Hochsicherheitstrakt, zusätzliches Wachpersonal, kein Möglichkeit zu arbeiten).
Eine lebenslängliche Haft, ca. 40 Jahre, kostet ca. 516 000 $.
Man muss außerdem bedenken, dass ein Todeskandidat nicht direkt hingerichtet wird, sondern noch ca. 10 Jahre oder länger in der Todeszelle sitzt und all die "Extras" beansprucht.
CONTRA
Politiker nutzen die Hinrichtung für politische Zwecke
In Amerika ist der Großteil der Bevölkerung für die Todesstrafe. 1996 sprachen sich 86% für eine Erweiterung des Strafrechts aus.
Der Politiker Bob Dole und Präsident Clinton kamen der Bevölkerung entgegen, indem sie 1996 die Dauer der Berufungsverfahren von 15 auf 5 Jahre verkürzen und die Anzahl der möglichen Haftprüfungsanträge drastisch verringerten.
Da die Bürger die Todesstrafe befürworten, werden sie folglich einen Politiker wählen, der ihren Forderungen entgegen kommt. So geben viele Politiker das Wahlkampfversprechen, dass alle Todeskandidaten in kürzester Zeit umgebracht werden sollen; und demonstrieren in Verfahren gnadenlose Härte, um möglichst viele Wählerstimmen zu erlangen.
Justizirrtümer
Der Fall Edward Johnson zeigt uns, dass viele Todeskandidaten zu Unrecht verurteilt wurden.
Es kann aus vielen Gründen zu einem Justizfehler kommen:
- viele Richter, Anwälte und Staatsanwälte sind unzureichend ausgebildet. Sie haben keine Ahnung von Kriminalistik und können sich kein Urteil drüber bilden, ob die Beweise überhaupt aussagekräftig sind.
- finanziell Benachteiligte oder Schwarze bekommen meist nur einen Pflichtverteidiger, der vom Staat beauftragt wurde und somit befangen ist. Plädiert er in einem Prozess für die Unschuld des Verurteilten, kann es vorkommen, dass er seinen Job verliert, falls der Bundesstaat für die Todesstrafe ist.
- die meisten Pflichtverteidiger haben noch nie etwas mit den Verteidigungen von Todeskandidaten zu tun gehabt und sind auch nicht gut über die Rechtslage informiert
- es werden wie im Fall Edward Johnson Geständnisse erpresst oder man ihn mit einer Strafmilderung lockt. In vielen Fällen spielt auch Folter eine Rolle.
- die Zeugenaussagen werden überschätzt: Gefährlich wird es, wenn sich unter den Zeugen der wahre Täter befindet. In diesem Fall wird er falsche Aussagen machen, um jemand anderen zu belasten und den Verdacht von sich abzulenken.
- Gegenüberstellungen sind unzuverlässig. Vor allem im Dunkeln fällt die Wiederkennung schwer. Weiße, die keinen besonderen Kontakt zu Schwarzen haben, haben Problem, Schwarze voneinander zu unterscheiden, vor allem im Dunkeln
(Vor allem in den USA führen Zeugenaussagen zu Todesurteilen)
Diskriminierung von Minderheiten
In den USA hängt ein oft Todesurteil von der Hautfarbe oder dem sozialen Status ab.
Eine Statistik aus dem Jahr 1980 zeigt, dass 42% des Mordes angeklagter Arbeiter zum Tode verurteilt wurden, aber nur 5% der Angestellten.
Zwischen 1947 und 1966 wurden 288 Weiße wegen Raubes an Schwarzen angeklagt, jedoch wurden 844 Schwarze wegen Raubes an einem Weißen angeklagt. Keiner der Weißen wurde zum Tode verurteilt, aber bei den Schwarzen wurden 121 Urteile vollstreckt.
In USA scheint man den Schwarzen gegenüber voreingenommen zu sein, aber es liegt meistens auch an den mangelnden finanziellen Mitteln.
Neville Carter (1987 auf Jamaika hingerichtet) sagte:
"Weil ich kein Geld habe, gibt es keine Gerechtigkeit für mich, und deshalb werde ich auch hingerichtet"
Todesstrafe ist Folter
In den meisten Fällen ist die Todesstrafe eng mit Folter verbunden oder stellt selbst eine Folter dar.
In vielen Ländern ist Folter eine gängige Methode, um Geständnisse zu erpressen. Die Häftlinge leben unter menschenunwürdigen Zuständen und werden bis zu ihrer Hinrichtung weiter gefoltert.
Aber auch die Hinrichtungsmethoden stellen eine Folter dar, weil sie schmerzhaft und entwürdigen sind:
- Elektrischer Stuhl: Der Todeskandidat trägt oft starke Verbrennungen davon oder kann nicht schnell und schmerzlos umgebracht werden, weil es zu technischen Defekten kommen kann und der Stuhl zwischenzeitlich wieder geflickt werden muss
- Erhängen: Die Fallhöhe ist falsch berechnet, die Menschen ersticken
- Giftspritze: Das Gift wird falsch injiziert und der Patient ist nicht sofort bewusstlos und stirbt qualvoll, weil die Atemlähmung bewusst miterlebt wird
- Gaskammer: durch flaches Atmen tritt die Atemlähmung vor der Bewusstlosigkeit ein
- Erschießen: in vielen Ländern werden die Straftäter gequält, indem man sie zuerst mehrmals anschießt und zwischendurch Pausen macht, bevor man einen tödlichen Schuss abfeuert
- Steinigen: ist wegen der langen und qualvollen Prozedur eine Tortur
Die Menschenwürde wird nicht geachtet
Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Wenn wir die Todesstrafe verhängen spielen wir Gott und maßen uns an, über das Leben andere zu entscheiden. Wir entziehen den Menschen das Recht auf die Untastbarkeit des menschlichen Lebens und quälen sie durch Folter, qualvolles Sterben und den psychischen Druck, der auf einem Lastet, wenn man seinen um seinen Todestag weiß.
Natürlich hat der Mörder die Menschenwürde mit Füßen getreten, aber er bleibt jedoch ein Mensch. Der Begriff Mensch ist naturgegeben und kann niemandem abgesprochen werden. Der Mörder war von Regungen angetrieben, die in jedem von uns existieren, auch wenn sie nicht zu tage treten. So verbindet auch uns etwas mit dem Mörder.
Weil wir die Tat als grausam empfinden, erklären wir den Täter zur Bestie, zum Untier, das ausgelöscht werden muss und sprechen ihm so das Mensch sein ab.
Quellennachweis:
Streitfall Todesstrafe, Frank Müller
Ein Mensch weniger - ein Lesebuch gegen die Todesstrafe, Amnesty International (Hrsg)